
Koalitionsvertrag Wie Union und SPD der Wirtschaft helfen wollen
Die Wirtschaft soll wieder in Schwung kommen und wachsen, versprechen Union und SPD. Im Koalitionsvertrag haben sie sich auf zahlreiche Maßnahmen verständigt, um Unternehmen zu entlasten. Reicht das aus?
Wer mit Unternehmern spricht, hört viele Wünsche: niedrigere Steuern, geringere Energiekosten, weniger Bürokratie. Noch wichtiger ist für viele eine verlässliche Politik. Der Dauerstreit und das Hin und Her bei zentralen Themen in der Ampel-Regierung haben Spuren hinterlassen. Nicht nur in den Bilanzen vieler Betriebe, sondern auch psychologisch: Die Unsicherheit ist in Teilen der Bevölkerung und bei zahlreichen Unternehmern groß.
Damit will Schwarz-Rot Schluss machen, sagt der vermutlich neue Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz. Er verspricht im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio "Planungssicherheit, weit über diese Wahlperiode hinaus".
CDU, CSU und SPD wollen die Unternehmen mit verschiedenen Maßnahmen entlasten. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass Betriebe in den kommenden Jahren einen höheren Prozentsatz ihrer Investitionskosten steuerlich abschreiben können. Die Folge soll ein "Investitions-Booster" sein, den die deutsche Wirtschaft in der Tat dringend braucht.
Steuern, Umlagen, günstigere Energie
Auch die Steuern sollen sinken. Zum einen die Körperschaftssteuer, allerdings erst ab 2028 - zum anderen die Stromsteuer, damit Energie preiswerter wird. Sie soll auf den in der EU erlaubten Mindestwert reduziert werden - "um mindestens fünf Cent", heißt es im Koalitionsvertrag. Die Netzentgelte sollen ebenfalls runter. Dies gilt auch für alle Verbraucher. Für energieintensive Firmen soll ein günstigerer Industriestrompreis eingeführt werden. Erdgas könnte preiswerter werden, weil Union und SPD die Gasspeicherumlage abschaffen wollen.
Die Gastronomie kann von einer zusätzlichen Steuersenkung profitieren. Die Umsatzsteuer für Speisen soll ab dem nächsten Jahr dauerhaft auf sieben Prozent gesenkt werden. Ob die Gastronomen die Einsparung an ihre Gäste weitergeben, ist offen.
Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, könnten die Unternehmen durch die Maßnahmen in Milliardenhöhe entlastet werden. Allein die Reduzierung der Mehrwertsteuer schlage mit rund vier Milliarden Euro zu Buche. Eine geringere Stromsteuer und reduzierte Umlagen könnten Industrie und Bürger um rund elf Milliarden entlasten.
Allerdings: Papier ist geduldig. Voraussetzung ist, dass die in den Koalitionsvertrag geschriebenen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Sicher ist das nicht.
Unterstützung für die Autoindustrie
Ein besonderes Augenmerk legt Schwarz-Rot auf die Autoindustrie. Das sei "ein Bekenntnis, dass wir Autoland sind und bleiben wollen", so CSU-Chef Markus Söder bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.
Mit verschiedenen Maßnahmen soll die E-Mobilität gefördert werden: Kaufanreize, eine Befreiung von der Kfz-Steuer, Sonderabschreibungen für E-Fahrzeuge und ein beschleunigter Ausbau der Ladeinfrastruktur. Menschen, die nicht viel Geld haben und auf ein E-Auto umsteigen wollen, sollen mit Finanzmitteln aus dem EU-Klimasozialfonds unterstützt werden.
Weniger Bürokratie, geringere Kosten
Eines der großen Sorgenkinder für die Unternehmer ist die Bürokratie. So planen CDU, CSU und SPD auch in diesem Bereich Entlastungen, zum Beispiel indem sie das deutsche Lieferkettengesetz mit diversen Berichtspflichten abschaffen wollen. Es wird ersetzt durch ein Gesetz, das auf EU-Ebene "bürokratiearm und vollzugsfreundlich" umgesetzt werden soll, heißt es im Koalitionsvertrag.
Dort sind noch weitere Maßnahmen angekündigt, um Bürokratie abzubauen. "Wir werden die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent reduzieren", lautet das Versprechen. Umgerechnet soll es um Einsparungen in Höhe von rund 16 Milliarden Euro gehen.
Neue Bündnisse und Abkommen
Damit die deutsche Wirtschaft ein wichtiger Player in der Welt bleibt, setzt Schwarz-Rot auf den Abschluss neuer Handels- und Investitionsabkommen - zum Beispiel mit Indien, Australien, mehreren südostasiatische Staaten. Diese und weitere Abkommen sowie vertiefte Handelsbeziehungen mit afrikanischen Staaten scheinen aufgrund der aktuellen US-Zoll-Politik wichtiger denn je zu sein. CDU, CSU und SPD hoffen, Deutschland so aus dem amerikanischen Würgegriff zu befreien und unabhängiger zu werden.
Zum aktuellen Zollstreit mit den USA ist im Koalitionsvertrag kein Wort zu finden - was verwundert, wo der Vertrag doch unter dem Beben an den Börsen in den vergangenen Tagen entstanden ist. Nur so viel: "Mit den USA streben wir mittelfristig ein Freihandelsabkommen an, kurzfristig wollen wir einen Handelskonflikt vermeiden und setzen auf die Reduzierung von Einfuhrzöllen auf beiden Seiten des Atlantiks."
Was ist gut, was ist schlecht
Wirtschaftsexperten und Verbände sehen in der geplanten schwarz-roten Wirtschaftspolitik Licht und Schatten. Viele Ökonomen sind erleichtert, dass die Einigung zwischen Union und SPD schnell kam. Sie befürworten die geplanten Steuersenkungen und Abschreibungsregeln sowie das Ende des Lieferkettengesetzes.
Was sie vermissen: große Reformen, zum Beispiel des Steuersystems. Jens Südekum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Düsseldorf, sagt: "Steuersenkungen im Bereich der Einkommens- und Unternehmenssteuer kommen nur mit Verzögerung und in Trippelschritten." Sie stünden auch unter Finanzierungsvorbehalt. Kritik kommt auch von der Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer: "Was fehlt, ist die dringend erforderliche Rentenreform." Stattdessen werde viel Geld für Wahlgeschenke wie die reduzierte Umsatzsteuer für die Gastronomie ausgegeben.
Selbst die mit mehreren Maßnahmen berücksichtige Autoindustrie ist nicht zufrieden. Die geplanten steuerlichen Anreize, die den E-Auto-Absatz ankurbeln sollen, seien zu unkonkret, kritisiert der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller. Die E-Mobilität bleibe in der Warteschleife.
Ein echter Neustart der Wirtschaftspolitik wird wohl nicht kommen. Zu groß sind die wirtschaftspolitischen Unterschiede zwischen den künftigen Koalitionären. SPD-Chefin Saskia Esken glaubt dennoch, dass der Koalitionsvertrag eine "wirtschaftliche Dynamik" auslösen kann. Das sei entscheidend, um Betriebe, Arbeitsplätze und stabile Einkommen zu sichern.