
Reaktionen zum Koalitionsvertrag Wirtschaft zweifelt an Durchschlagskraft der Pläne
Was können die Pläne von Union und SPD für Deutschlands Wirtschaft leisten? Verbände loben zwar wichtige Impulse, doch es gibt auch Zweifel. Besonders von den Gewerkschaften kommt Kritik.
Union und SPD haben erklärt, mit ihrer Koalition die deutsche Wirtschaft beleben zu wollen. Ihre Pläne ernten bei Wirtschaftsverbänden, Teilen der Industrie und Gewerkschaften aber nicht nur Lob.
"Der Koalitionsvertrag enthält wichtige Punkte für dringend nötige Strukturreformen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, zum Bürokratieabbau und beim Thema Steuern", erklärte etwa Banken-Präsident Christian Sewing. Man hätte sich aber "an der einen oder anderen Stelle noch mehr gewünscht", sagt der Chef des Bundesverbandes deutscher Banken und der Deutschen Bank. "Der Anfang ist gemacht, mehr Mut muss folgen", forderte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Unternehmenssteuersenkung komme zu spät
Die Wirtschaftsverbände lobten die zügigen Verhandlungen der Parteien und riefen die künftige Regierung auf, Reformen rasch umzusetzen. Positiv kommentierten die DIHK, der Arbeitgeberverband BDA, der Industrieverband BDI und die Autolobby VDA die Entlastung bei Energiekosten, Investitionen in die Infrastruktur und Schritte zum Bürokratieabbau. "Dass das Lieferkettengesetz abgeschafft werden soll, ist eine großartige Nachricht", erklärte BDA-Chef Rainer Dulger.
"Wesentlich ist auch, dass weitreichenden Steuererhöhungsplänen eine Absage erteilt wurde", erklärten VDA-Chefin Hildegard Müller wie auch die Stiftung Familienunternehmen und Politik. Die Verbände monierten allerdings, dass die Unternehmenssteuern erst von 2028 an und damit zu spät gesenkt werden sollen. "Steuerpolitisch bleibt die Koalition hinter dem Notwendigen zurück", sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Der BDA vermisst eine Reform der Sozialversicherungssysteme. "Die Folge wird sein, dass die Sozialbeiträge weiter steigen", sagte Dulger.
Firmengründer zufrieden, Autohersteller weniger
Mit Blick auf Neugründungen von Firmen lobte der Startupverband wichtige Impulse für Unternehmer. "Vielversprechend sind die geplanten Schritte zur stärkeren Mobilisierung privaten Kapitals und zur Öffnung institutioneller Investoren für Wagniskapital. Die Verdopplung der WIN-Initiative auf über 25 Milliarden Euro und die Verstetigung des Zukunftsfonds bis 2030 sind starke Signale", ließ der Verband mitteilen. Jetzt müssten die Vorhaben schnell umgesetzt werden. Mit der Initiative "Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland" (WIN) hatten Bundesregierung, KfW, Finanzwirtschaft und Akteure aus dem Startup-Umfeld im September 2024 gemeinsame Maßnahmen zur Stärkung der Wachstums- und Innovationsfinanzierung vereinbart.
Der Digitalverband Bitkom bezeichnete die Einrichtung eines Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung als "Meilenstein für Deutschland und das lange erwartete Aufbruchsignal der neuen Bundesregierung". Richtig ausgestaltet, könne es die digitalpolitischen Themen im Bund in einer Hand zusammenführen und so zu einem echten Treiber für die Digitalisierung werden. "Mehr denn je müssen wir jetzt wettbewerbsfähig, innovativ und digital handlungsfähig werden."
Nicht zufrieden mit den Plänen von Union und SPD ist die Autoindustrie. Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) kritisierte die Punkte zur Elektromobilität, und dabei etwa die genannten steuerlichen Anreize, die den E-Autoabsatz ankurbeln sollen, als zu vage. Unsicherheit und Kaufzurückhaltung werde bei den Kunden nicht weichen. "Der gewünschte Ruck wird nicht unmittelbar einsetzen", ergänzte der Importeursverband. Die E-Mobilität bleibe in der Warteschleife. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) lobte die genannten Ansätze, forderte aber auch zügige Konkretisierung. Auch dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) sind die Ankündigungen zu vage.
Uneinigkeit bei Rentenplänen
Kritik kommt auch von den Gewerkschaften. Während etwa die Arbeitgeberseite eine flexiblere Höchstarbeitszeit für einen Vorteil hält, monierte ver.di-Chef Frank Werneke die geplante Verschlechterung für die Arbeitnehmer. Abbau von Rechten und Flexibilisierungen zulasten der Beschäftigten seien nicht der richtige Weg, erklärte auch IG-Metall-Chefin Christiane Benner.
Zu kurz kommen aus Sicht von ver.di auch die Bereiche Gesundheit und Pflege, wo zusätzliche Mittel vom Staat fließen müssten. Die Steuerentlastung für Unternehmen reiße Löcher in die Kassen. "Die Kommunen bleiben klamm - das ist eine schlechte Nachricht."
Die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus befürworten die Gewerkschaften. Die Jungen Unternehmer kritisieren den Koalitionsvertrag für eine zu unambitionierte Rentenpolitik. Er lasse viele wichtige Zukunftsfragen offen - "vor allem bei den Themen Generationengerechtigkeit und nachhaltige Finanzierbarkeit unseres Sozialstaates". Es werde einmal mehr ein vermeintlich stabiles Rentenniveau versprochen - "aber ohne eine tragfähige Gegenfinanzierung oder strukturelle Reformen, die langfristig wirken."