
Koalitionsvertrag Vier Appelle an eine stabile Regierung
Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD haben ihre Pläne für eine gemeinsame Regierung vorgestellt. Bestimmende Themen sind Wirtschaft und Migration. Aber vor allem wurde viel Einigkeit demonstriert.
Die Ränge im Paul-Löbe-Haus in Berlin waren voll, als die Parteichefs von CDU, CSU und SPD vor die Mikros traten. Den Anfang machte als wohl künftiger Bundeskanzler CDU-Chef Friedrich Merz. Er bezeichnete den Koalitionsvertrag als starkes Signal an die Bürgerinnen und Bürger und Europa. Die politische Mitte sei in der Lage, Probleme des Landes zu lösen. Bei den Verhandlungen sei ein Vertrauensverhältnis zu den SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil entstanden. Merz erwartet, dass die neue Bundesregierung Anfang Mai an die Arbeit gehen kann.
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, dass man mit Einsparungen Spielraum für Verabredungen von Projekten schaffe. Vieles stehe unter Finanzierungsvorbehalt. Deshalb werde in dem Entwurf des Koalitionsvertrags oft von "wollen", nicht "werden" gesprochen. Aber, so Klingbeil, der Koalitionsvertrag biete das Potenzial, damit Deutschland gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen könne. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem "Deutschlandpakt". Er sagte, der Vertrag sei ein Signal an das Ausland, dass Deutschland zurückkomme.
Entlastungen für Bürger und Unternehmen geplant
Merz stellte die Grundzüge der Arbeit für die kommenden vier Jahre vor. Er begann mit dem Herzensprojekt der CDU, der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der Entlastung von Unternehmen: Geplant seien neue Abschreibungsmöglichkeiten. Die Körperschaftssteuer soll in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt werden, beginnend ab 2028. Der Solidaritätszuschlag soll unverändert bestehen bleiben.
Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zusätzlich mit einer Senkung der Stromsteuer entlastet werden. Für energieintensive Firmen will die künftige Regierung einen Industriestrompreis einführen. Die Stromsteuer werde für alle "auf das europäische Mindestmaß" gesenkt, Umlagen und Netzentgelte würden reduziert.
Wer wenig oder normal verdient, soll weniger Steuern zahlen - das nehmen sich CDU, CSU und SPD vor. Die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen soll sinken. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, soll das zur Mitte der Legislatur passieren, also in etwa zwei Jahren. Details nennen die Parteien allerdings nicht. Die Pendlerpauschale soll dauerhaft auf 38 Cent ab dem ersten gefahrenen Kilometer erhöht werden. Dies solle ab Anfang 2026 gelten.
Verschärfungen in der Migrationspolitik
In der Migrationspolitik haben Union und SPD sich auf eine "Rückführungsoffensive" geeinigt. Die Zahl der Abschiebungen soll weiter gesteigert werden. Ein Ansatz ist dabei, Herkunftsländer zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen zu bewegen. Dabei sollen laut Koalitionsvertrag künftig auch Politikfelder wie Visa-Vergabe, Entwicklungszusammenarbeit sowie Wirtschafts- und Handelsbeziehungen herhalten.
Das Grundrecht auf Asyl bleibt laut SPD-Chef Klingbeil unantastbar. Freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes sollen jedoch "soweit wie möglich" beendet werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch soll die sogenannte Turbo-Einbürgerung der Ampel-Regierung nach bereits drei Jahren wieder abgeschafft werden.
Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. Der Familiennachzug soll für diesen Personenkreis nur noch in Härtefällen erlaubt sein. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Einreiseerlaubnissen pro Monat.
Bürgergeld soll abgeschafft werden
Das Bürgergeld soll in seiner jetzigen Form abgeschafft und zu einer "neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende" umgestaltet werden. Dabei müssten sich Arbeitslose "aktiv um Beschäftigung" bemühen. Die künftige Regierung will "Vermittlungshürden beseitigen" sowie "Mitwirkungspflichten und Sanktionen" verschärfen.
Leistungen sollen vollständig entzogen werden, wenn Menschen, die arbeiten können, wiederholt zumutbare Arbeit verweigern. Geltende Schonzeiten für Vermögen sollen abgeschafft und die Höhe des Schonvermögens soll an die Lebensleistung gekoppelt werden.
Rentenniveau soll bei 48 Prozent abgesichert werden
Das Rentenniveau in Deutschland will die schwarz-rote Koalition bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent absichern. Die nötigen Mehrausgaben sollen aus Steuermitteln kommen, heißt es im Koalitionsvertrag. SPD-Chefin Esken nannte das ein klares Zeichen der Sicherheit. Auch künftig soll zudem nach 45 Beitragsjahren ein abschlagsfreier Renteneintritt möglich bleiben.
Zugleich sollen finanzielle Anreize für das Arbeiten im Alter geschaffen werden. Arbeiten im Alter solle mit einer Aktivrente attraktiv werden, das war vor allem eine CDU-Forderung. Rentner, die arbeiten, zahlen für ein Gehalt von bis zu 2.000 Euro keine Steuern.
Die Mütterrente soll ausgebaut werden - das wurde von der CSU vorangetrieben: Sie werde mit drei Rentenpunkten für alle gelten, unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder. Auch diese Finanzierung soll aus Steuermitteln erfolgen.
Vorerst kein verpflichtender Wehrdienst
Union und SPD wollen ein neues und zunächst auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen. Noch in diesem Jahr sollten dazu die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden. Vorbild für das Modell soll der Wehrdienst in Schweden sein. SPD-Unterhändler hatten in früheren Runden auf Freiwilligkeit und eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion über einen neuen Wehrdienst gepocht.
In der Bundeswehr war die Zahl der Soldaten im vergangenen Jahr trotz mehr Einstellungen erneut leicht gesunken. Seit Jahren macht auch ein zunehmender Altersdurchschnitt Sorgen. Die Wehrpflicht war in Deutschland im Juli 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden.
Deutschlandticket bleibt - wird aber ab 2029 teurer
Das Deutschlandticket soll laut dem Koalitionsvertrag bleiben. Preissteigerungen soll es bis 2029 nicht geben. Derzeit kostet das Ticket 58 Euro im Monat. Das staatlich subventionierte Angebot, das deutschlandweit Fahrten im öffentlichen Nahverkehr ermöglicht, hatte bei Einführung vor knapp zwei Jahren 49 Euro im Monat gekostet. In diesem Januar stieg der Preis auf 58 Euro.
Um die Finanzierung ringen Bund und Länder seit der Einführung. Wie die Finanzierung künftig gesichert werden soll, ist dem Koalitionsvertrag nach zu urteilen weiterhin nicht abschließend geregelt.
SPD will Minister erst nach Mitgliedsentscheid benennen
Die CDU soll sechs Fachministerien bekommen. Unter anderem geht das Außenministerium erstmals seit fast 60 Jahren wieder an die Christdemokraten. Außerdem die Ressorts Wirtschaft und Energie, Gesundheit sowie Bildung und Familie. Auch das Verkehrsministerium geht an die CDU. Erstmals wird es ein eigenes Digitalministerium geben, das ebenfalls von der CDU besetzt wird.
Die CSU erhält drei Ressorts, darunter das mächtige Innenministerium. Damit ist künftig auch die Ausgestaltung der Migrationspolitik weitgehend in CSU-Hand. Außerdem geht das Landwirtschaftsministerium an die CSU und das neu gestaltete Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Söder nannte es heute "Super-Hightech-Ministerium".
Die SPD soll sieben Ressorts erhalten. Das sind im einzelnen das Schlüsselressort Finanzen, das Verteidigungsministerium und das Ministerium für Arbeit und Soziales. Die Sozialdemokraten erhalten außerdem das Umweltministerium, das um den Bereich Klima ergänzt wird, das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz, das Entwicklungsministerium und das Bauministerium.