Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken
analyse

Finanzen im Koalitionsvertrag Ein Festhalten an Altbewährtem

Stand: 11.04.2025 02:40 Uhr

Bei Steuern und Finanzen lagen Union und SPD weit auseinander. Nun werden Entlastungen versprochen, doch die dürften teuer werden. Es fehlt der Mut zur echten Veränderung.

Eine Analyse von Jan-Peter Bartels und Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Es war der bunteste Teil in dem 162-seitigen Dokument zur Vorbereitung des Koalitionsvertrags: die Vorschläge der Arbeitsgruppe "Haushalt, Steuern und Finanzen". Bunt darum, weil die Union in blau und die SPD in rot ihre Vorstellungen zu finanziellen Belastungen aufgeschrieben hatten.

Unterschiedlicher hätten die Positionen kaum sein können. Von einer "Mehrbelastung von Spitzenverdienern" sprachen die Sozialdemokraten immer wieder öffentlich. "Eine Steuererhöhung wird es nicht geben", betonte CSU-Chef Markus Söder dagegen. Wie kann man so gegensätzliche Positionen vereinen?

Am Ende sollen nun alle irgendwie entlastet werden - so die Botschaft. Ohne Steuererhöhungen, erklärte Friedrich Merz. Klar ist aber auch, es fallen viele der bunten Ideen aus dem AG-Papier unter den Tisch. Richtig mutige Schritte, eine richtige echte Steuerreform oder auch Ideen zur Finanzierung der Rente sucht man vergeblich im Koalitionsvertrag.

Union setzt sich bei Steuern eher durch

Stattdessen hält man an Altbewährtem fest. Der Solidaritätszuschlag, der vor allem Spitzenverdiener und Unternehmen belastet, wird bleiben. Die Union hätte diese Steuer gerne abgeschafft. Doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Solidaritätszuschlag zumindest für die kommenden Jahre noch rechtfertigt, konnte die Union offenbar nicht wegdiskutieren.

Spitzenverdiener stärker zu belasten oder Vermögen höher zu besteuern, traut sich die zukünftige Koalition nicht. Die Sozialdemokraten hätten das gern getan. Auch die Erbschaftsteuer wollten sie gern reformieren. Allein, um dann mehr Geld in der Haushaltskasse zu haben.

Doch all das findet sich nicht im Koalitionsvertrag. Stattdessen das Versprechen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Einkommensteuer zu entlasten. Die Rede ist von kleinen und mittleren Einkommen. Wer das genau sein soll und wann diese Entlastung kommt, bleibt offen. Der Koalitionsvertrag trägt beim Thema Steuern eher die Handschrift der Union. Bei der stand vor allem im Fokus: die Unternehmenssteuerreform.

Kommt die schnelle Wirtschaftswende?

Nichts Geringeres als einen "Investitionsbooster" verspricht CDU-Chef Friedrich Merz den Unternehmen. Die Senkung der Körperschaftssteuer, Turbo-Abschreibungen, eine Senkung der Energiepreise. Kann das der Wirtschaft schnell helfen?

Für sehr schnelles Wachstum sorge es nicht, aber es sei ein Anfang, erklärt Monika Schnitzer vom Sachverständigenrat. "Ich denke, es werden vor allem die großen Unternehmen profitieren, die Turbo-Abschreibung kommt all denen zugute, die große Investitionsprojekte vorhaben", sagt Schnitzer dem ARD-Hauptstadtstudio. "Für die kleineren Unternehmen sehe ich nicht ganz so den Hebel, um ihnen zu helfen."

Was bleibt ist der Solidaritätszuschlag, den auch Unternehmen zahlen. Generell begrüßt Schnitzer, dass der Koalitionsvertrag nun steht: Jede Art von Unsicherheit sei schlecht für die Unternehmen. Jetzt müsse vor allem geschaut werden, dass das Geld aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sorgfältig und gut investiert werde.

Schnitzers größte Sorge: Dass das Sondervermögen für Wahlkampfgeschenke verwendet wird. Denn vor allem die CSU hat teure Vorhaben in den Vertrag hineinverhandelt wie die Mütterrente oder die Wiedereinführung der Subventionen auf Agrardiesel. Die zukünftige Koalition startet also mit viel Ballast.

Reicht das Geld für die Vorhaben?

Generell bleibt nun die Frage, ob die zukünftige Koalition sich das ohne Steuererhöhungen alles leisten kann. "Uns ist klar, dass alles, was in diesem Koalitionsvertrag steht, auch finanziert werden muss", sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bei der Präsentation des Koalitionsvertrags.

Deswegen lese man darin nur sehr wenig "wir werden", sondern eher ein "wir wollen". Legt man diese Aussage auf die Goldwaage, könnte es teuer werden: im Koalitionsvertrag steht das Wort "wollen" nur 299-mal, das Wort "werden" an 803 Stellen - wenn auch teils in der Variante "wir werden prüfen".

SPD kann sich beim Rentenniveau behaupten

Ein sehr definitives "wir werden" steht auf Seite 19 des Koalitionsvertrags. Dabei geht es um die Alterssicherung: Das Rentenniveau soll bis 2031 bei 48 Prozent gesetzlich abgesichert werden. Damit hat die SPD eines ihrer Herzensanliegen durchgekämpft. Das funktioniert wohl nur, wenn zusätzliches Geld ins Rentensystem gepumpt wird.

Der Koalitionsvertrag legt auch direkt nüchtern fest: "Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, gleichen wir mit Steuermitteln aus." Zwar nehmen sich die Koalitionäre vor, mit einer brummenden Wirtschaft und einer hohen Beschäftigungsquote die Kosten möglichst gering zu halten, doch unter dem Strich herrscht hier das Prinzip Hoffnung. Eine mutige Reform des Rentensystems wird also erstmal verschoben. Das "weiter so" könnte für den Bundeshaushalt und die jüngeren Genrationen teuer werden.

Rentenprojekte könnten Milliarden kosten

Auch die CSU hatte in Sachen Rente ein Herzensanliegen, das den Staatshaushalt etwa fünf Milliarden pro Jahr extra kosten wird: die Ausweitung der Mütterrente. "Für uns ist das ein wichtiger Beitrag auch des Respekts gegenüber vielen Frauen und der Generation, die unser Land großgezogen haben," erklärte CSU-Chef Söder bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.

Bisher bekommen Mütter für jedes vor 1992 geborene Kind einen Rentenanspruch von rund 100 Euro, der nun auf 120 Euro pro Kind erhöht werden. Auch diese Leistung wird laut Koalitionsvertrag aus Steuermitteln finanziert, "weil sie eine gesamtgesellschaftliche Leistung abbildet".

Dazu kommt ein weiteres Rentenprojekt, das viel Geld kostet: Die "Frühstart-Rente". Die Koalition will für jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot einzahlen. Ein Projekt also, das pro Jahrgang mehr als 80 Millionen Euro im Jahr kosten könnte. Schwarz-Rot nimmt sich dafür einen ambitionierten Zeitplan vor: Starten soll es bereits 2026. Auch damit wird ein zukünftiger Finanzminister rechnen müssen.

Es bleibt der "Finanzierungsvorbehalt"

Echte Reformen fehlen also in den Bereichen Rente und Steuern, stattdessen sind dort viele Projekte gelistet, die teuer werden.

Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag

Marcus Overmann, ARD Berlin, Morgenmagazin, 11.04.2025 05:30 Uhr

Kritische Fragen dazu gab es bereits bei der Vorstellung des Vertrags. "Wir werden verantwortungsvoll umgehen mit dem Steuergeld, wir werden einen soliden Bundeshaushalt aufstellen", beschwörte Friedrich Merz. Und im ARD-Brennpunkt machte er klar: "Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell im MDR Fernsehen am 09. April 2025 um 19:30 Uhr.