
Pläne im Koalitionsvertrag Wie halten es Union und SPD mit dem Klima?
Union und SPD bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität 2045. In zwei Bereichen dürfte der Handlungsdruck für mehr CO2-Einsparungen aber sinken. Zudem droht Streit wegen des Zuschnitts von Ministerien.
Klimaschutz taucht im Koalitionsvertrag ziemlich weit oben auf. Im Kapitel
Wirtschaftswachstum. Schon das ist ein Signal. Schwarz-Rot bekennt sich zum Ziel der Klimaneutralität 2045. Aber gleichzeitig soll verstärkt auf Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit geachtet werden. Zielbild: Deutschland als Industrieland, das klimaneutral wird.
Beispiel Energiewende: Der Ausbau der Erneuerbaren soll zwar vorangetrieben werden. Aber gerade bei der Förderung von Solaranlagen will man zukünftig verstärkt auf Wirtschaftlichkeit achten. Denn zuletzt wurden so viele PV-Anlagen zugebaut, dass die Stromnetze an sonnigen Tagen zum Teil überlastet sind.
Der Netzausbau wird sowieso zur Großbaustelle: Mit Kosten von mehr als 500 Milliarden Euro rechnen die Netzbetreiber. Hier soll genauer hingeschaut werden, wie realistisch die prognostizierten Bedarfe tatsächlich sind - wie stark beispielsweise der Stromverbrauch durch Elektroautos und Wärmepumpen ansteigen könnte.
Denn ein zentrales Ziel des Koalitionsvertrages ist, die Stromkosten zu reduzieren und die Netzentgelte für Verbraucher und Wirtschaft zu deckeln.
Welche Bedeutung bekommen Gaskraftwerke?
Je mehr Windkraft- und Solaranlagen, desto schwankender die Stromproduktion - abhängig von der Wetterlage. Schon der bisherige Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen wollte deshalb auf neue Gaskraftwerke setzen, um eine stabile Stromproduktion sicherzustellen. Diese neuen Gaskraftwerke sollten allerdings ab Mitte der 2030er-Jahre wasserstofffähig sein.
Schwarz-Rot setzt nun ebenfalls auf neue Gaskraftwerke. Konkrete Festlegungen zur klimafreundlichen Wasserstofffähigkeit fehlen allerdings. Zudem plant die neue Koalition mit einem größeren Kraftwerkspark als Habeck. Und: Die Union konnte durchsetzen, dass die Gaskraftwerke auch die Technik der CO2-Abscheidung nutzen dürfen. Umweltverbände sehen das kritisch, da es aus ihrer Sicht darum geht, Treibhausgase ganz zu vermeiden, anstatt sie aufwendig in einem fossilen Kraftwerk abzufangen.
Mit den Plänen von Schwarz-Rot erhalten potenzielle Kraftwerksbetreiber nun mehr Freiheiten. Sie fordern seit langem Regeln und ein Marktdesign, mit denen sich Investitionen in neue Kraftwerke lohnen können. Denn die Gaskraftwerke sollen nur dann ans Netz gehen, wenn Windkraft- und Solaranlagen nicht genug Strom produzieren. An der seit langem geforderten Kraftwerksstrategie hatte sich auch schon Habeck die Zähne ausgebissen. Nun setzt vor allem die Union auf attraktive Regeln.
Atomkraft spielt keine Rolle mehr
Die SPD kann als Erfolg verbuchen, dass Atomkraft im Koalitionsvertrag keine Rolle mehr spielt. Die Union wollte ursprünglich die Forschung an neuartigen Reaktoren ermöglichen und überprüfen lassen, ob die zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke wieder zu vertretbaren Kosten ans Netz gebracht werden könnten.
Am Kohleausstieg bis spätestens 2038 hält der schwarz-rote Koalitionsvertrag fest. Auch am Ziel, den klimagerechten Umbau der Industrie voranzutreiben - etwa durch die Förderung des Umstiegs auf klimafreundlichen Wasserstoff in energieintensiven Branchen. So sollen die sogenannten Klimaschutzverträge weitergeführt werden, die Investitionen in saubere Produktionsanlagen etwa in der Zement- oder Metallindustrie finanziell fördern.
Die große Kehrtwende bleibt aus
Insgesamt fällt auf: Eine 180-Grad-Kehrtwende in der Klima- und Energiepolitik ist von Schwarz-Rot nicht zu erwarten. Der Ausstieg aus fossiler Energie soll nicht infrage gestellt werden, eher geht es um weniger kleinteilige Vorgaben und die effizientere Verwendung der Gelder.
Auffällig stark betont der Koalitionsvertrag die Bedeutung des europäischen Emissionshandels und der nationalen CO2-Bepreisung. Beide Instrumente sollen dafür sorgen, dass der Treibhausgasausstoß schrittweise verteuert wird, um so einen Anreiz zu bieten, in klimafreundliche Technologien zu investieren.
Im Energiesektor und in der Industrie wurden die Treibhausgase in den vergangenen Jahren zum Teil erheblich reduziert - die Sektoren erfüllen die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes.
Sorgenkinder des Klimaschutzes bleiben
Anders sieht es im Verkehr und bei den Gebäuden aus. Hier zeichnet sich ab, dass der Druck zum Umstieg eher geringer werden dürfte, eine schwarz-rote Koalition im Zweifelsfall die Bezahlbarkeit vor den Klimaschutz stellen wird. So konnte die Union durchsetzen, dass das ungeliebte Heizungsgesetz abgeschafft werden soll.
Der Koalitionsvertrag betont aber auch, dass der Umstieg im Wärmebereich fortgeführt werden soll - allerdings wohl mit überschaubareren Regeln und weniger strikten Vorgaben. Die genauen Details dürften noch für Diskussionen zwischen Union und SPD sorgen.
Steuerliche Anreize für E-Autos
Beim Thema Autoverkehr soll die E-Mobilität steuerlich verstärkt gefördert werden. Die Union hat zudem die Formulierung reinverhandelt, dass man in der Autoindustrie auf Technologieoffenheit setzt. Was das konkret bedeutet, bleibt allerdings unklar. Zumal die EU in Brüssel im Wesentlichen bestimmt, welche Antriebstechnologien eine Zukunft haben sollen. Union und SPD betonen aber ausdrücklich, dass sie sich zum Automobilstandort Deutschland bekennen. So sollen beispielsweise Strafzahlungen der EU für überschrittene Flottengrenzwerte vermieden werden.
Die Sektoren Verkehr und Gebäude dürften auch in den kommenden Jahren die Sorgenkinder des Klimaschutzes bleiben. Hier sind spürbare CO2-Einsparungen besonders kostspielig und bei vielen Bürgern unbeliebt, weil es an den Geldbeutel der meisten Haushalte geht. Union und SPD dürften eher Rücksicht auf die Geldbeutel nehmen.
Geld oder Klima?
Allerdings: Eine Grundsatz-Entscheidung könnte dafür sorgen, dass der Klimaschutz in der kommenden Koalition immer wieder zum Thema für Streit und Profilierung werden dürfte. Denn aus dem bisherigen Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz wird das Thema Klimaschutz herausgelöst und dem Umweltministerium zugeordnet.
Die CDU soll das Wirtschafts- und Energieministerium anführen, die SPD die Umwelt- und Klimaschutzministerium. So wie vor 2021 in der letzten schwarz-roten Koalition. Geräuschlos lief das nicht ab. Und eine Klimaschutzpolitik aus einem Guss ist wohl auch zukünftig nicht zu erwarten. Geld oder Klima - das ist die Frage, die immer wieder neu abgewogen werden muss.