
Koalitionsvertrag von Union und SPD Eine Chance fürs Land
Wer beim Koalitionsvertrag auf den großen Wurf gehofft hat, dürfte enttäuscht sein. Aber es braucht jetzt keine Visionen, wie Deutschland irgendwann einmal aussehen sollte. Sondern eine Regierung, die einfach ihren Job macht.
Der 6. November 2024 wirkt nach. Mit voller Wucht zeigt sich jetzt, wie fahrlässig es war, die Ampelkoalition ausgerechnet am Tag nach einer schicksalhaften US-Wahl platzen zu lassen. Noch nie haben Koalitionsverhandlungen in der Bundesrepublik unter einem solchen weltpolitischen Druck stattgefunden.
Schon deshalb ist es eine gute Nachricht, dass sich Union und SPD auf eine gemeinsame Arbeitsgrundlage geeinigt haben. Jetzt müssen sie es besser machen als die Ampel. Deutschland braucht eine solide Politik ohne Dauerstreit.
Die Chancen dafür sind gar nicht schlecht. In den vergangenen Wochen ist Vertrauen zwischen CDU, CSU und Sozialdemokraten gewachsen. Zuletzt drang praktisch nichts mehr aus den Verhandlungen nach außen. Ein gutes Zeichen.
Und die Ergebnisse? Kein visionärer Entwurf für die Zukunft des Landes. Aber eine Arbeitsgrundlage für - hoffentlich - die nächsten vier Jahre.
Für das Land eröffnen sich Möglichkeiten
Beispiel Finanzen: das 500-Milliarden-Programm für Infrastruktur und Klimaschutz, die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung - für die Union sind das dicke Kröten, die sie schon in einer frühen Phase der Gespräche schlucken musste.
Doch fürs Land eröffnen sich damit Möglichkeiten: moderne Schienen und Brücken, eine gut ausgestattete Bundeswehr. Und dass die Steuerlast für Unternehmen sinken soll, ist richtig - nach zwei Jahren Rezession und mit Blick auf das Chaos auf den Weltmärkten, das Donald Trump angezettelt hat.
Beispiel Migration: Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, Familiennachzug aussetzen - man muss das in der Sache nicht richtig finden. Aber das Wahlergebnis spricht eine klare Sprache. Die Mehrheit der Menschen will einen härteren Kurs bei Einwanderung und Asyl. Und das können die künftigen Regierungspartner nicht ignorieren.
Eine schwarz-rote Vision kann es nicht geben
Manche in Berlin fragen sich jetzt: Wer hat sich durchgesetzt? Wer bekommt die meisten Ministerien? Es kommt allerdings nicht darauf an, ob der Koalitionsvertrag eher eine rote oder eine schwarze Handschrift trägt.
Entscheidend ist, dass er seinen Zweck als Geschäftsgrundlage für eine künftige Regierung erfüllt. Und da ist es hilfreich, auf eine große Erzählung zu verzichten. Eine schwarz-rote Vision für Deutschland kann es sowieso nicht geben. Dafür sind die beteiligten Parteien zu unterschiedlich.
Union und SPD stehen vor einer gewaltigen Aufgabe. Man kann ihnen nur Glück wünschen.