Donald Trump
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Hohe US-Verschuldung Wie Anleihe-Investoren Trump zur Umkehr zwangen

Stand: 10.04.2025 18:42 Uhr

Die historischen Turbulenzen bei US-Staatsanleihen haben Trump zu einer Zoll-Kehrtwende bewegt. Der Präsident hat an den Märkten allerdings viel Vertrauen verspielt - das könnte sich noch rächen.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Was steckt hinter Trumps radikalem Schwenk in der Handelspolitik? Diese Frage bewegt seit gestern die Gemüter. War es die Einsicht, dass seine Zollpolitik das Potenzial dazu hatte, die Weltwirtschaft in den Abgrund zu stoßen? Oder war es der Druck von Elon Musk und anderen Firmenchefs? Welche Rolle spielte der brutale Absturz der US-Aktienmärkte?

Tatsächlich schaut Trump offensichtlich viel auf Börsenkurse - der Aktien-Crash an der Wall Street dürfte den Präsidenten daher sicherlich nicht kalt gelassen und seinen Meinungsumschwung mit begünstigt haben.

Anleihen gelten als "sicherer Hafen"

Doch weitaus beunruhigender dürfte für den US-Präsidenten die Lage an den Anleihenmärkten gewesen sein. Denn für gewöhnlich gelten US-Staatsanleihen als "sicherer Hafen" für Anlegerinnen und Anleger, der typischerweise in Phasen fallender Aktienmärkte aufgesucht wird.

Bei Turbulenzen an den Aktienmärkten finden die Anleger hier Zuflucht: Das Geld fließt raus aus Aktien und rein in Anleihen. Das führt wiederum dazu, dass die Kurse für Staatsanleihen steigen - und im Gegenzug die Renditen sinken. Wie gesagt: normalerweise.

Fallende Aktien- und Bondkurse eine "toxische Kombination"

Denn diese "Börsenregel" hatte Trump mit seinem gigantischen Zollpaket offensichtlich außer Kraft gesetzt. Die Kurse an den US-Anleihemärkten rauschten gestern im frühen Handel in die Tiefe - parallel zu den einbrechenden Aktienkursen. Für Börsenexperten ein Warnsignal: Das "Sell America"-Szenario werde wieder greifbar, mahnte ING-Stratege Francesco Pesole.

Auch Paul Diggle, Chefökonom des britischen Vermögensverwalters Aberdeen, zeigte sich alarmiert: "Fallende Aktienkurse, ein schwächerer US-Dollar und zugleich steigende Anleiherenditen stellen eine toxische Kombination dar. In jedem anderen Land würde man dies vermutlich als Staatskrise bezeichnen."

Renditeanstieg verteuert Kreditaufnahme für die USA

Weitaus beunruhigender als die absolute Höhe der Renditen an den Anleihemärkten war allerdings die Kürze der Zeit, in der sich dieser Anstieg vollzog - und sein Ausmaß. So schnellte die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen gestern im frühen US-Handel zeitweise auf 4,5 Prozent, nachdem sie am Freitag noch auf 3,9 Prozent gefallen war.

Noch deutlicher fiel der Anstieg bei Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit aus: Dort ging es seit Freitag sogar um rund 0,7 Prozentpunkte nach oben - von 4,3 auf 5,0 Prozent; und damit so stark wie seit 1981 nicht mehr.

Mit anderen Worten: Investoren verlangten nun höhere Zinsen, also höhere Risikoaufschläge, für die Bindung ihres Geldes über längere Laufzeiten. Für Trump und die US-Administration eine riskante Entwicklung: Höhere Anleiherenditen verteuern nämlich für den Staat die Kreditaufnahme. Schließlich sind Staatsanleihen nichts anderes als Schuldpapiere, die der Staat ausgibt, um seine Ausgaben zu finanzieren.

US-Schuldenquote bei über 120 Prozent

Dabei ist die Staatsverschuldung der USA eine der höchsten der Welt. Aktuell beläuft sie sich auf knapp 37 Billionen Dollar. Wer es genau wissen will, kann sich den Schuldenstand live bei US National Debt Clock ansehen.

Unter Trump dürfte sich der Anstieg der US-Staatsverschuldung nochmals beschleunigen, plant der Republikaner doch weitreichende Steuererleichterungen. Laut Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte die Schuldenquote (Höhe der Gesamtverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) der Vereinigten Staaten 2025 auf 124,1 Prozent steigen. Damit wären weltweit nur sieben Länder höher verschuldet als die USA. Zum Vergleich: Für Deutschland rechnet der IWF mit einer Schuldenquote von 62,1 Prozent in diesem Jahr.

Die USA sind somit auf niedrige Zinsen auf ihre Staatsanleihen angewiesen, um ihre Schulden auch künftig finanzieren zu können. Finanzminister Scott Bessent hatte jüngst noch die Hoffnung geäußert, dass die Renditen durch die Trumpsche Zollpolitik sinken könnten. Doch die Märkte spielten nicht mit. Nur wer hat hier eigentlich verkauft?

Welche Rolle spielten Hedgefonds und China?

Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge steckten dahinter auch Hedgefonds, die auf die kleinen Preisunterschiede zwischen den Kursen der Staatsanleihen und der damit verbundenen Terminkontrakte wetteten. Im Branchenjargon wird dies als "Basis-Trade" bezeichnet. Angesichts der Marktturbulenzen sahen sich die Hedgefonds gezwungen zu verkaufen, um ihr Risiko zu reduzieren und rasch an Liquidität zu kommen.

Am Markt wurde allerdings auch darüber spekuliert, dass China einen Teil seiner US-Staatsanleihen verkaufen könnte - als Gegenreaktion auf die drastischen Importzölle auf seine Waren. Laut Daten des US-Schatzamtes hielt China zuletzt Staatsanleihen in Höhe von 760,8 Milliarden Dollar und war damit nach Japan der zweitgrößte ausländische Gläubiger der USA.

China ist zweitgrößter Gläubiger der USA

Fakt ist: Die USA sind zur Refinanzierung ihrer Schulden auf Geldgeber aus dem Ausland angewiesen. Und Fakt ist auch: Die Länder, mit denen sich Trump angelegt hat, sind am Ende des Tages gleichzeitig auch die größten Gläubiger der USA, allen voran Japan und China.

Trumps plötzliche Umkehr in seiner Zollpolitik ist ein eindrücklicher Beweis dafür, dass Trump bei dem von ihm initiierten Spiel "Wir gegen den Rest der Welt" womöglich doch nicht am längeren Hebel sitzt. Hat der Republikaner die Rechnung am Ende ohne die Geldgeber der USA gemacht?

Hat Trump zu viel Vertrauen verspielt?

Hinzu kommt: Trump hat mit seiner erratischen Handelspolitik an den Finanzmärkten in den vergangenen Tagen massiv Vertrauen verspielt - die einzige Währung, auf die es hier letztlich ankommt. Das könnte sich künftig noch rächen.

Zwar ist das Rezessionsrisiko für die USA durch Trumps Kehrtwende in der Zollpolitik unmittelbar erst einmal wieder etwas gesunken. Doch "die hohe Unsicherheit durch das Hüh und Hott der Zollpolitik hat erhebliche Kosten", unterstreichen die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz. Unternehmen hätten keine sichere Planungsgrundlage und stellten Investitionen erst einmal zurück. "Dadurch nimmt der wirtschaftliche Gegenwind zu."

In Kombination mit einer wenig vorhersehbaren Politik unter Trump dürfte ein schwächeres Wachstum der Vereinigten Staaten Zweifel an der langfristigen Tragfähigkeit der US-Staatsverschuldung schüren. Investoren und Gläubiger könnten die Fähigkeit der USA infrage stellen, ihre Schulden zu bedienen. Und ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, dürfte er nur schwer wieder einzufangen sein.