Eine Mitarbeiterin arbeitet in einer Werkstatt eines Präzisionsmaschinenherstellers im Bezirk Beilun der Stadt Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang.
analyse

Zollstreit mit USA Welche Optionen China jetzt hat

Stand: 11.04.2025 07:38 Uhr

Nicht 125 Prozent, sondern 145 - so hoch sind die US-Zusatzzölle gegen China. Dennoch bleibt die Volksrepublik bei ihrer harten Haltung. Laut Experten spielt die Höhe der Zölle irgendwann ohnehin keine Rolle mehr.

Von Carolin Voigt, ARD Shanghai

Der Handels- und Zollstreit zwischen den USA und China eskaliert Tag für Tag weiter. Die US-Administration stellte am Donnerstag klar: Die Höhe der Zusatzzölle für chinesische Produkte liege bei insgesamt 145 Prozent, nicht wie zuvor verkündet bei 125.

China reagierte und will künftig weniger Hollywood-Blockbuster in die Kinos nehmen. Die Volksrepublik bleibt bei ihrer Haltung, den Zollstreit "bis zum Ende" auszutragen. US-Präsident Donald Trump wartet nach wie vor auf einen Anruf aus Peking.

Ein Patt zwischen zwei globalen Playern, die wirtschaftlich eng miteinander verwoben sind. Welche Hebel und Möglichkeiten hat China in dieser Auseinandersetzung? Und was passiert, wenn es bei den hohen Zusatzzöllen bleibt?

Staatsmedien sehen "Erpressung" und "Mobbing"

Hört man sich in Chinas Wirtschaftsmetropole Shanghai um, dann ist viel Nationalstolz zu hören und auch Zuversicht, dass China im Handelsstreit mit den USA bestehen kann. "Die USA erhöhen ihre Zölle wieder, aber China hat keine Angst", sagt ein inländischer Tourist. China sei jetzt stark und Zollerhöhungen könnten dem Land nichts anhaben.

So oder so ähnlich klingt und liest es sich auch, wenn man die chinesischen Staatsmedien konsultiert. Von "Erpressung" ist dort die Rede, von "Mobbing" und davon, dass sich die Volksrepublik dem "Despotismus der USA" nicht beugen werde. Auch am Donnerstag hieß es aus Außen- und Handelsministerium wieder: Gespräche gern. Aber nur, wenn die USA sich respektvoll verhalten und die Gleichheit der Gesprächspartner anerkennen würden.

China will sein Gesicht wahren

China habe in dem Konflikt zwar die schwächere Position, sagt Mareike Ohlberg vom US-Think Tank German Marshall Fund, aber das Land werde weiter ausharren. "Was ich sagen kann, ist, dass China nicht bereit ist, öffentlich klein beizugeben. Man wird sicherlich eine gewisse Kompromissbereitschaft signalisieren, solange es nicht öffentlich stattfindet und nicht als Schwäche ausgelegt werden kann."

Das Gesicht zu wahren ist essenziell für Chinas Führung. Möglicherweise, so die China- und Politikexpertin, habe man in Washington gar nicht verstanden, wie sehr Peking bereit sei, den Konfrontationskurs zu halten - auch wenn der Zollstreit dem Land durchaus schade.

Produktion "in China, für China"

Am Ende sei es egal, ob die Zölle nun 100 oder 300 Prozent betragen, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim China-Think Tank Merics in Berlin. Irgendwann werde die Zollhöhe irrelevant. "Fakt ist: Die Handelsströme zwischen den USA und China werden sich verschieben." Abhängigkeiten zu reduzieren, sowohl in den USA als auch in China, sei in den letzten Jahren schon viel Thema gewesen, so Zenglein. "Jetzt geht das Ganze noch etwas gewaltsamer voran."

Stichwort Decoupling - also eine Entflechtung der Handelsbeziehungen und Lieferketten. Wer in China als internationales Unternehmen erfolgreich sein will, hat schon lange umgestellt auf eine Produktion "in China, für China". Etwas, das auch Donald Trump für sein Land möchte.

"Chinas Lieferkapazität wird in der Welt benötigt"

Chen Zhanming ist Wirtschaftsprofessor an der Renmin Universität Peking und schätzt die Lage für China optimistisch ein. Er sagt, auch wenn die USA viele Unternehmen aus anderen Ländern anzögen und einen Teil ihrer Produktivität in die USA verlagerten, werde Chinas Lieferkapazität in der Welt weiter benötigt. "Einige der von uns erschlossenen neuen Märkte können unseren Unternehmen dabei helfen, neue Vertriebskanäle zu erschließen." Neben den alternativen Absatzmärkten, die China in Asien, Afrika oder Lateinamerika habe, beschwört die Staats- und Parteiführung auch den Ausbau der Binnennachfrage als Geheimwaffe gegen die Wirtschaftskrise.

Gleichzeitig versuche China sich weniger verwundbar zu machen gegen Einflüsse von außen wie Strafzölle, so Zenglein von Merics. "Der geopolitische und damit auch wirtschaftspolitische Fokus ist, China so resilient wie möglich zu machen. Das heißt, Investitionen in Industrie, in Forschung etc. werden weiter dominieren, so wie wir es jetzt schon gesehen haben." Das sei dann auch weiterhin verbunden mit Überkapazitäten.

Klar sei, so Zenglein, "dass mit wegfallendem Export der Binnenkonsum, den man die letzten drei Jahre sträflich vernachlässigt hat, an Bedeutung gewinnt." Die Staats- und Parteiführung habe verstanden, dass das eine wichtige Stellschraube sei. "Dass aber eine konsequente Umstellung des chinesischen Wirtschaftsmodells ansteht, das wird nicht passieren."

Mehr Geld, weniger arbeiten

Wie genau der Binnenkonsum gestärkt werden soll, darüber beraten die Spitzen von Chinas Partei und Wirtschaft seit Tagen eifrig. Ein Ansatz: das im Vergleich zu westlichen Industrienationen noch immer niedrige Lohnniveau anheben.

Ein anderer: die Unternehmen dazu anhalten, die Menschen nicht so viele Überstunden machen zu lassen, damit sie mehr Zeit haben, um Geld auszugeben. Der Konsum ist auch dadurch eingeschränkt, dass es in der Volksrepublik an einem umfassend ausgebauten sozialen Sicherungssystem fehlt. Daher legen viele Menschen ihr Geld für Krankheit oder Arbeitslosigkeit zurück.

Weniger Wachstum erwartet

So oder so werden der Exportrückgang und die damit verbundenen Unsicherheiten das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik ausbremsen. Vor allem im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe könnten Arbeitsplätze wegfallen, wenn Märkte und ausländische Investitionen wegbrechen.

Reserven in Devisen und Gold

Etwas Atem hat die Volksrepublik aber noch. Nicht zuletzt wegen ihrer hohen Reserven in Devisen und Gold im Wert von mehr als drei Billionen Euro. Damit kann China seine Währung gegenüber dem US-Dollar absichern, aber auch Alternativmärkte erschließen - auch in Europa.

Da allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die Europäische Union positioniert, meint Ohlberg vom German Marshall Fund. Die Frage sei: "Wird Europa jetzt sagen, wir machen auch Strafzölle auf chinesische Produkte, weil wir das Gefühl haben, da werden Überkapazitäten nach Europa exportiert, die wir nicht auffangen können?"

Wie es weiter geht im Handelskonflikt zwischen den USA und China, darüber wollen weder Ohlberg noch Zenglein spekulieren. Dafür sei seit dem 20. Januar einfach zu viel passiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 11. April 2025 Deutschlandfunk Nova um 07:35 Uhr und Inforadio um 08:52 Uhr.