
Folgen der hohen US-Zölle Flutet China jetzt den europäischen Markt?
Im Zollstreit mit China bleibt Donald Trump hart - und legt sogar nach. 125 Prozent Zoll werden in den USA nun fällig für chinesische Güter. Erwartet Europa jetzt eine Welle von Billigprodukten?
Während US-Präsident Donald Trump im Handelskonflikt mit der restlichen Welt einen Rückzieher gemacht und Sonderzölle ausgesetzt hat, bleibt er im Streit mit China unerbittlich. Nach einer Serie von Zoll-Ankündigungen und jeweiligen Gegenmaßnahmen haben die Vereinigten Staaten den Importzoll für chinesische Waren auf inzwischen 125 Prozent hochgesetzt. Zuvor hatte China Vergeltungszölle in Höhe von 84 Prozent für US-Güter angekündigt.
Damit setzt sich die jüngste Zollspirale zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt fort. China betonte zwar, man wolle keinen Handelskrieg, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua aus dem Weißbuch zu den Zöllen. "Aber die chinesische Regierung wird niemals tatenlos zusehen, wie die legitimen Rechte und Interessen des chinesischen Volkes verletzt werden." Das Land werde entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen und bis zum Ende kämpfen.
China ist zweitgrößter Importeur
Bislang war China nach Mexiko und Kanada der drittwichtigste Handelspartner der USA. Im vergangenen Jahr tauschten die USA und China Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 580 Milliarden Dollar aus - allerdings mit einem klaren Überschuss der Chinesen. Waren aus China im Wert von rund 438 Milliarden Dollar wurden in die USA verkauft - damit war China der zweitgrößte Importeur.
"Waren aus der Gruppe 'Elektromechanische und audiovisuelle Geräte sowie deren Teile und Zubehör' machten 2024 den größten Anteil der chinesischen Exporte in die USA aus", sagt Wan-Hsin Liu vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Das liegt auch daran, dass auch große US-Unternehmen wie Tesla und Apple in China produzieren oder montieren.
So werden beispielsweise die meisten iPhones in China produziert - womit auch sie nun Schutzzöllen unterliegen. Apple will zunächst iPhones aus Indien in die USA liefern - der iPhone-Hersteller hatte seine Lieferkette bereits vor einiger Zeit breiter aufgestellt. Die meisten Smartphones des kalifornischen Konzerns werden aber weiterhin von dem taiwanischen Auftragsfertiger Foxconn in China hergestellt.
Auch Pharma und Bekleidung betroffen
In der Pharmaindustrie gehört China ebenfalls zu den wichtigsten Herstellern. Neben Antibiotika wird ein großer Teil der chemischen Vorprodukte, die für die Pharmaindustrie essenziell sind, in China gefertigt. Bislang ist die Pharmaindustrie zwar von Zöllen ausgenommen - Trump drohte zuletzt aber auch mit deutlichen Zöllen auf Pharma-Importe.
Auch Möbel, Schuhe und Bekleidung werden laut Wan-Hsin Liu in China produziert und in die USA exportiert. Neben China gehören auch Bangladesch und Vietnam zu den wichtigsten textilproduzierenden Ländern und sind von Trumps Zollankündigungen betroffen.
Warenströme werden umgelenkt
Was passiert nun mit all diesen chinesischen Produkten, für die 125 Prozent Zoll gezahlt werden müssen? Der deutsche Außenhandelsverband BGA warnt davor, dass ein Teil dieser Produkte nun nach Europa kommen könnte. Dadurch könnte es hier plötzlich viele günstige Produkte in Massen geben, warnt BGA-Präsident Dirk Jandura im Gespräch mit dem rbb: "China hat natürlich ein Vielfaches unseres Handelsvolumens mit den USA und das muss sich eben auch irgendwo bahnbrechen."
Das fürchtet auch Jürgen Matthes vom IW Köln: "Die Auswirkungen für Europa, die sich durch die Zollspirale der USA mit China ergeben, sind erheblich", erklärt der Experte. So geht auch er davon aus, dass der europäische Markt mit chinesischen Produkten geflutet werden könnte. "Europäische Firmen sehen sich schon bislang mit einer starken Konkurrenz aus China konfrontiert", betont er im Gespräch mit tagesschau.de.
Diese Konkurrenz werde nun weiter wachsen: "China hat enorme Überkapazitäten, im vergangenen Jahr betrug Chinas globaler Handelsbilanzüberschuss fast 1.000 Milliarden Dollar, etwa 30 Prozent davon entfiel auf die USA. Chinesische Waren im Wert von rund 440 Milliarden Dollar, die die USA in 2024 importierten, werden nun zum größten Teil wegen der hohen Strafzölle umgeleitet", so Jürgen Matthes.
Sinkende Preise für Europas Verbraucher?
Und nicht nur Waren aus China könnten nun den europäischen Markt überschwemmen. "Während des ersten USA-China-Handelskriegs haben viele chinesische Unternehmen ihre Produktion teilweise in ASEAN-Länder verlagert", erklärt Wan-Hsin Liu vom IfW: "Einige dieser Länder sind jetzt ebenfalls mit sehr hohen Zollsätzen seitens der US-Regierung konfrontiert, sodass auch für diese Waren sehr wahrscheinlich alternative Märkte gesucht werden."
Für Verbraucher könnte das immerhin bedeuten: Einige Produkte, bei denen der Konkurrenzdruck besonders hoch ist, könnten billiger werden. "Auch die Preise von Produkten, Teilen und Zubehör, die europäische Unternehmen aus China für ihre eigene Produktion oder Geschäftsaktivitäten importieren, werden abnehmen", so Wan-Hsin Liu. Trotzdem hat das auch Schattenseiten. "Das wird zu Problemen führen für unsere europäischen Hersteller und Händler", warnt BGA-Präsident Jandura.
Importkontingente oder Zölle?
Die EU könnte etwa mit Importkontingenten dagegen vorgehen. Bei einem Importkontingent wird ein Höchstmaß für den Warenimport einer bestimmten Menge festgelegt. Laut IW-Experte Matthes stellt sich aber die Frage: "Beschränkt man nur die Importe aus China mit einem Kontingent oder werden die weltweiten Importe beschränkt? Das ist nicht so trivial."
Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, man wolle Industriebetriebe vor "indirekten Auswirkungen der Handelsumlenkung" schützen. Wie das Handelsblatt aus Kommissionskreisen erfuhr, kommen dafür auch Kontingente infrage - falls in den kommenden Wochen eine Importschwemme festgestellt werde.
Auch höhere Zölle auf chinesische Einfuhren nach Europa sind laut Matthes denkbar, um eine Importschwemme abzuwenden. "Allerdings mildern sie den höheren Konkurrenzdruck möglicherweise nicht genug, da Importe weiter möglich sind und der Importanstieg zu wenig eingedämmt wird - außer man erhebt sehr hohe Zölle", betont er.
Marktanteile in Schwellenländern sinken
Und nicht nur auf dem europäischen Markt wächst der Konkurrenzdruck: Laut Jürgen Matthes könnten europäische Firmen vor allem in Schwellenländern mit Billigprodukten der Konkurrenz aus China konfrontiert sein. "Ein relevanter Anteil der europäischen Exporte geht in Schwellenländer - und da nimmt China den europäischen Firmen schon jetzt Marktanteile weg. Werden die chinesischen Exporte, die eigentlich für die USA bestimmt waren, umgeleitet, dann könnte das gerade in Schwellenländern einen enormen Preiskampf auslösen", so der IW-Experte im Gespräch mit tagesschau.de.
Wan-Hsin Liu vom IfW betont, dass Europa in einem Preiskampf wohl verlieren würde - auch auf dem heimischen Markt: "Auch wenn die Güter der europäischen Unternehmen von höherer Qualität sind, können die dann größeren Preisunterschiede dazu führen, dass noch mehr Kunden zu den importierten Waren greifen."