Eine Familie schaut durch ein Fenster nach draußen.

Koalitionsvertrag Was Union und SPD für Familien planen

Stand: 12.04.2025 10:50 Uhr

Mehr Geld, weniger Bürokratie - die familienpolitischen Ideen der künftigen Regierung sind vorwiegend Absichtserklärungen unter Finanzierungsvorbehalt. Was steht im Koalitionsvertrag? Ein Überblick.

Von Sarah Beham und Gabriele Dunkel, ARD-Hauptstadtstudio

Einiges im Koalitionsvertrag deutet darauf hin: Die schwarz-roten Koalitionäre sind sich bewusst, dass es wohl in erster Linie nicht am guten Willen, sondern an der Finanzierung der Vorhaben scheitern kann. So werden viele Baustellen und Reformen nicht erwähnt oder in die Zukunft verschoben. Während Seniorenpolitik als einzige Querschnittsaufgabe im Vertrag genannt wird, fehlt eine ähnliche Gewichtung für Familien und junge Menschen. Das würde kein Geld kosten, sondern politischen Willen erfordern.

Was sind die Vorhaben in den einzelnen Bereichen?

Elterngeld

Familien sollen mehr Geld auf dem Konto haben. So können künftige Eltern auf ein höheres Elterngeld hoffen. Sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1.800 Euro sollen "spürbar" angehoben werden, dazu soll die Einkommensgrenze steigen. Damit würde das Elterngeld das erste Mal seit der Einführung im Jahr 2007 erhöht. Zuletzt musste die Ampel-Regierung aus Spargründen die Einkommensgrenze senken, sodass weniger Familien von der Leistung profitieren konnten.

Neu ist: Auch für Pflegeeltern soll Elterngeld eingeführt werden, bisher erhalten sie keins. Gleichzeitig mit den Plänen für die Anhebung der Sätze will Schwarz-Rot mehr Anreize für mehr Partnerschaftlichkeit und Väterbeteiligung in alleiniger Verantwortung setzen. Erreicht werden soll das durch höhere Lohnersatzraten sowie durch veränderte Anzahl und Aufteilung der Bezugsmonate des Elterngeldes. Bleibt abzuwarten, ob das letztlich dazu führen wird, dass Mütter nicht mehr alleine so viele Monate wie derzeit erlaubt sind in Anspruch nehmen dürfen, wenn Väter nicht gleichermaßen davon Gebrauch machen. Das könnte als potenzielle Sparmaßnahme gedeutet werden.

Immerhin ist das Elterngeld mit rund acht Milliarden Euro der größte Einzelposten im Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein SPD-Versprechen aus ihrem Wahlprogramm, die "Familienstartzeit", ist im Vertrag der künftigen Regierung nicht zu finden. Vorgesehen war, dass die ersten zwei Wochen nach der Geburt des Kindes Väter oder Partner bezahlten Sonderurlaub bekommen sollten. Dieses Vorhaben hatte schon die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag formuliert, ist aber wegen der Finanzierung gescheitert.

Kinderarmut

Kinderarmut soll bekämpft werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Wer als Familie auf Bürgergeld angewiesen ist, könnte mit mehr Unterstützung rechnen: Geprüft werden soll, ob der monatliche Teilhabebetrag für Sport- oder Musikaktivitäten von jetzt 15 Euro auf dann 20 Euro erhöht wird. Das von der SPD geforderte kostenlose Mittagessen in Kitas und Schulen für alle Kinder findet sich in den Koalitionsvereinbarungen nicht wieder, hier hat sich die Union durchgesetzt.

Einig sind sich die Koalitionäre jedoch beim Thema Bürokratieabbau und Digitalisierung. Damit Familien staatlichen Leistungen wie Kinderzuschlag oder Elterngeld erhalten, brauchen sie oft Ausdauer beim Bürokratie-Dschungel. Viele Familien verzichten daher oft auf die staatlichen Hilfen, die ihnen zustehen. Damit soll Schluss sein: Leistungen sollen einfacher und digitaler mithilfe eines neuen Online-Portals beantragt werden können. Das geplante Portal erinnert an die Kindergrundsicherung der Ampel-Regierung, deren Ziel es war, verschiedene familienpolitische Leistungen zu einer einzigen zu bündeln. Das Herzens-Vorhaben der ehemaligen grünen Familienministerin Lisa Paus wurde nicht wie geplant umgesetzt. Auch der Kindergeldbescheid soll künftig automatisch den Eltern zugestellt werden, eine Beantragung nach Geburt des Kindes soll wegfallen.

Besonders profitieren sollen nach den Plänen der neuen Regierung auch Alleinerziehende: Das Kindergeld soll künftig nur zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden, das bedeutet ein Plus für Alleinerziehende. Zudem soll die finanzielle Situation von Alleinerziehenden durch Anhebung oder Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags verbessert werden. Neu ist: Wer keinen Unterhalt zahlt, soll außerdem härter bestraft werden, beispielsweise durch Führerscheinentzug.

Vereinbarkeit Familie und Beruf

Union und SPD wollen die Arbeitszeitregeln flexibilisieren, nämlich "die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit". Das bisherige Standard-Modell eines acht Stunden Arbeitstages könnte also fallen "im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Eine konkrete Regelung, wie genau ein neues Arbeitszeitmodell aussehen könnte, lässt der Vertrag jedoch offen, es soll im "Dialog mit den Sozialpartnern" entstehen.

Von Gewerkschaften kommt allerdings deutliche Kritik, die Änderungen im Arbeitszeitgesetz seien nicht akzeptabel, denn eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit öffne dem Missbrauch Tür und Tor. Bezweifelt wird, ob es tatsächlich der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienen werde. Selbstständigen soll künftig - anders als bisher - gesetzlich das Recht auf Mutterschutz zustehen. Geprüft werden umlagefinanzierte und andere geeignete Finanzierungsmodelle.

Kitas und Schulen

Am Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule hält die neue Regierung fest. Dieser soll bundesweit ab 2026 gelten. Bei der Umsetzung sollen Kommunen mehr Gestaltungsspielraum erhalten und freie Träger der Jugendarbeit sollen mit unterstützen. Die Investitionsmittel für den Ganztag sollen erhöht werden, um wie viel bleibt unklar. Schon unter der vorherigen Regierung gab es Zweifel, ob das gesteckte Ziel erreicht werden kann.

Auch die neue Koalition will mehr Kitas und Schulen bauen und sanieren. Im Koalitionsvertrag heißt es hierzu: "Massive Investitionen in Kitas und Schulen werden die Chancengleichheit in unserem Land deutlich erhöhen" - doch auch hier fehlen genaue Finanzierungsangaben.

Klar hingegen ist: Aus dem bereits beschlossenen 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für Infrastruktur soll Geld auch in Schulen fließen. Doch mit dem Bau und der Sanierung von Gebäuden ist das größte Problem nicht wirklich gelöst: Personalmangel im Betreuungsbereich. Dazu ist im Koalitionsvertrag wenig zu lesen. Geplant ist, die duale Ausbildung für Erzieherberufe unter Beibehaltung des anerkannten Qualifikationsrahmens einzuführen. Zusätzlich soll die Anwerbung internationaler Fachkräfte für Kitas beschleunigt, vereinfacht und ausweitet werden.

Doch Betreuung alleine reicht nicht, um die Chancengleichheit zu erhöhen, die Qualität der Betreuung soll auch steigen. So soll die frühkindliche Bildung gestärkt werden, Vereinbart ist eine verpflichtende Teilnahme aller Vierjährigen an einer Diagnostik des Sprach- und Entwicklungsstands in allen Bundesländern. So können und sollen Kinder vor dem Schulstart zusätzlich gefördert werden. Grundlage dafür soll ein Qualitätsentwicklungsgesetz werden, welches das Kita-Qualitätsgesetz ablösen soll. Bisher unterstützt der Bund in diesem Rahmen die Länder bis 2026 bei Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung mit rund acht Milliarden Euro. Ob mit der Namensänderung des Gesetzes die Finanzierung über 2026 hinaus steht, bleibt unklar.

Paragraf 218 und Familienplanung

Beim Thema Schwangerschaftsabbruch wird sich nichts ändern. Die SPD hat sich mit ihrer Forderung nach einer Legalisierung nicht durchsetzen können. Nach wie vor bleibt der Abbruch mit den geltenden Regeln straffrei, aber rechtswidrig. Die Handschrift der Union in diesem Absatz wird deutlich: "Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen" heißt es gleich im ersten Satz. Schon im Vorfeld hatte die Union das Festhalten an der geltenden Rechtslage verteidigt, sie bilde "einen mühsam gefundenen gesellschaftlichen Kompromiss" ab, der sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Frau und den Schutz des ungeborenen Lebens berücksichtige.

Als Zugeständnis an die SPD-Forderung liest sich die Absicht, die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus zu erweitern. Auch werde die Möglichkeit einer kostenlosen Abgabe von ärztlich verordneten Verhütungsmitteln für Frauen um weitere zwei Jahre bis zum 24. Lebensjahr geprüft. Beide Vorhaben könnten finanzielle Erleichterungen für Frauen bedeuten. Ungewollt kinderlose Paare sollen auch weiterhin unterstützt werden im Rahmen der Bundesinitiative "Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit", die gleichzeitig ausgebaut werden soll. Ob das gleichbedeutend mit mehr Finanzierungsmöglichkeiten ist, bleibt offen.

Schutz vor häuslicher Gewalt

Für den Schutz von Frauen vor Gewalt soll ein nationaler Aktionsplan entwickelt werden. Zudem sollen weitere Schutzmaßnahmen für betroffene Frauen ergriffen werden. So soll die Präventions-, Aufklärungs- und Täterarbeit verstärkt werden und die Koordinierungsstelle für geschlechtsspezifische Gewalt soll in ihrer Arbeit gestärkt werden.

Darüber hinaus will die neue Bundesregierung für potenzielle Täter eine elektronische Fußfessel einführen und Gewalttäter sollen verpflichtet werden, an Anti-Gewalt-Trainings teilzunehmen. Für geflüchtete Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, soll es zukünftig leichter sein, den Wohnort zu wechseln, um nicht mehr an bestimmte Orte gebunden zu sein.

Selbstbestimmungsgesetz

Entgegen der Unions-Forderung im Wahlkampf bleibt das Selbstbestimmungsgesetz vorerst unangetastet. Es soll bis Ende Juli 2026 evaluiert werde, dabei soll ein besonderer Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche gelegt werden. Außerdem solle "die Nachverfolgbarkeit aller Personen bei berechtigtem öffentlichem Interesse bei Namensänderungen" in den Blick genommen werden.

Das Selbstbestimmungsgesetz der Ampelkoalition erleichtert für trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen die Änderung des Geschlechtseintrag und des Vornamens. Die Union hat sich für eine Abschaffung stark gemacht - zumindest bei Kindern und Jugendlichen.

Bezüglich der Queerpolitik ist im Vertrag zwischen Union und SPD nicht viel zu lesen. Nur zwei Mal auf 144 Seiten taucht das Wort "queer" auf. Die zukünftigen Koalitionäre verpflichten sich weiterhin, queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen. Der "Aktionsplan Queer leben" der Ampel-Regierung wird nicht erwähnt, offen bleibt dementsprechend, ob die Maßnahmen weitergeführt werden. Eine Maßnahme, die bisher nicht umgesetzt wurde, ist die Reform des Abstammungsrechts: Bisher ist es nicht erlaubt, dass zwei Mütter ins Geburtenregister für ihr Kind eingetragen werden können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete WDR 5 am 10. April 2025 um 18:04 Uhr.