
Finanzpaket von Union und SPD Grüne zwischen Empörung und Verantwortung
Die Grünen müssen sich in ihrer neuen Rolle einrichten. Beim Finanzpaket sind sie das Zünglein an der Waage. Staatsmännische Verantwortung oder Opposition pur: Wie entscheiden sie sich?
Die Grünen haben eine Reihe von Fragen, meint Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Vor den Mikros, vor der Öffentlichkeit, richtet sie die offenen Fragen vor allem an die Union: zu den Themen Sondervermögen und Schuldenbremse.
Doch die Grünen dürften sich auch selbst parteiintern fragen: Was ist ihre neue Rolle in der Opposition? Naturgemäß gehört laut sein, poltern und empören dazu.
Dass die Grünen das auch können, beweist vor allem ihre Jugend mit Jette Nietzard: "Die Union hat die gesamte Bevölkerung die letzten Monate belogen." Die Co-Chefin der Grünen Jugend spricht von einer 180-Grad-Wende des wohl nächsten Bundeskanzlers Friedrich Merz beim Thema Finanzen.
Vor einem Jahr noch präsentierte sich Oppositionsführer und CDU-Chef Merz im Bundestag als Verfechter der Schuldenbremse. Damals sagte er: "Die Aufgaben, vor denen wir stehen, lassen sich lösen - auch ohne zusätzliche Abgaben und ohne neue Schulden." Eine Reform der Schuldenbremse damals: abgelehnt.
Es kommt auf die Grünen an
Doch die Zeiten haben sich geändert - weltweit und in der Union. Jetzt plant Merz gemeinsam mit der SPD ein Milliardenpaket für Schienen, Straßen und Schulen. Unbegrenzt Geld, also Schulden, soll es künftig auch für die Verteidigung geben, so der Plan.
Diesen können SPD und Union aber nicht allein umsetzen. Allen voran Merz braucht dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit - im neu gewählten Bundestag scheint sie mit den Linken und der AfD nicht zu erreichen zu sein. Im aktuellen Bundestag ist diese Mehrheit am wahrscheinlichsten zu erzielen: mit den Stimmen der Grünen.
Öffentlich empören sich die Grünen - wie Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Sie kritisiert vor allem den "Politikstil, der von Seiten der CSU gepflegt wird".
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zeichnet auch nach dem Wahlkampf das Feindbild Grüne. Haßelmann hält dagegen und rät dazu, "langsam mal runterzukommen". Sie fordert Augenhöhe bei Stilfragen.
Milliardenpaket inhaltlich auf grüner Linie
Inhaltlich hingegen scheinen die Parteien nicht weit auseinander zu liegen. Denn im Kern beinhaltet das Milliardenpaket Ideen und Vorschläge, die die Grünen schon lange fordern: mehr Schulden, mehr Investitionen, die Wirtschaft wieder ankurbeln.
Das hatte Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen schon vergangenes Jahr im Bundestag vorgeschlagen: "Was wäre, wenn wir ein Sondervermögen einführen würden, um die strukturellen Probleme zu lösen?"
Damals wurde es von FDP und Union abgelehnt. Jetzt soll mit Merz doch ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur kommen. Weiter wird es faktisch kein Limit mehr nach oben für Verteidigungsausgaben geben.
"Eigene Haltung" der Grünen
Die Grünen waren und sind dafür, mehr für die Verteidigung auszugeben. Warum also den Plänen von Union und SPD nicht sofort zustimmen? "Sie wissen, dass wir auch eine eigene Haltung haben", betont Dröge.
Das bedeutet: Will Merz die Stimmen der Grünen, muss er ihnen mehr geben. Im Interview mit tagesschau.de ist für Grünen-Politiker Anton Hofreiter jetzt "entscheidend, dass das Paket, das beschlossen werden soll, auf Augenhöhe mit den Herausforderungen ist". Für Hofreiter zählen hierzu Ausgaben, die in Sachen Verteidigung über die Bundeswehr hinaus gehen, etwa konkrete Ukraine-Hilfen, Cybersicherheit. Aber auch die Verteidigung gegen eine weitere Krise: das Klima.
Verhandlungen mit den Grünen laufen. Unter anderem mit Merz, dem Dröge vorwirft, ein Politiker zu sein, "der Parteitaktik vor die Interessen des Landes gestellt hat".
Hofreiter meint Richtung Merz: Angesichts der schwierigen Herausforderungen "ist mir am Ende jemand lieber, der im Wahlkampf lügt, als dauerhaft ideologisch verbohrt ist".
Das Zünglein an der Waage
Jetzt sind die Grünen das Zünglein an der Waage beim massiven Milliardenpaket, das sie in Teilen in der damaligen Ampel-Regierung noch selbst versucht hatten zu verabschieden - damals ohne Erfolg.
Robert Habeck scheiterte auch mit seiner Kanzlerkandidatur - für den mäßigen Wahlerfolg seiner Partei hat er Verantwortung übernommen. Er will kein Spitzenamt bei den Grünen mehr übernehmen. Ebenso wenig die noch amtierende Außenministerin Annalena Baerbock, auch sie zieht sich aus der ersten Reihe der Politik zurück.
Die Grünen müssen jetzt entscheiden und eine Antwort liefern, welchen Kurs sie einschlagen - vor allem beim Milliardenpaket und der Abstimmung im Bundestag nächste Woche: die viel beschworene und eingeforderte staatsmännische Verantwortung - oder eine empörte Opposition pur?