
Grüne im neuen Bundestag Baerbock will nicht Fraktionschefin werden
Seit 2008 trug Annalena Baerbock für die Grünen Verantwortung, sie wurde als neue Co-Fraktionschefin gehandelt. Nun erklärte sie, aus persönlichen Gründen keinen Anspruch auf das Amt zu erheben. Im Bundestag bleibt sie aber.
Annalena Baerbock möchte aus persönlichen Gründen keine Führungsrolle in der Grünen-Bundestagsfraktion einnehmen. Das geht aus einem Schreiben an die Fraktion und den Grünen-Landesverband Brandenburg hervor, der auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.
Baerbock war als neue Co-Fraktionschefin gehandelt worden. "Nach Jahren auf Highspeed" habe sie ein paar Tage nachdenken wollen, "was dieser Moment für meine Familie und mich bedeutet", so Baerbock.
"Diese Jahre hatten auch einen privaten Preis"
Seit 2008 habe sie bei den Grünen politische Verantwortung getragen, schreibt die 44-jährige Baerbock. "In all dieser Zeit habe ich immer alles gegeben." Und weiter: "Zugleich hatten diese intensiven Jahre auch einen privaten Preis. Daher habe ich mich aus persönlichen Gründen entschieden, erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen und mich für kein führendes Amt in der Bundestagsfraktion zu bewerben."
Ihren Sitz im Bundestag hat Baerbock bereits angenommen. Beim Parteivorstand steht keine Wahl an. Baerbock betont: "Auch wenn die Rollen sich ändern, ist dies kein Abschied." Im November hatten Baerbock und ihr Ehemann Daniel Holefleisch ihre Trennung bekanntgegeben. Für die beiden Töchter, die heute 9 und 13 Jahre alt sind, möchten beide weiter gemeinsam sorgen. Auch im gemeinsamen Zuhause in Potsdam wollte die Familie weiter wohnen.
"Zwei starke Frauen" für die Spitze
Derzeit ist Baerbock Außenministerin in der scheidenden rot-grünen Minderheitsregierung - ein Amt, das sie sehr gerne behalten hätte. Noch am Wahlabend war sie als wahrscheinliche neue Grünen-Fraktionschefin gehandelt worden, neben der amtierenden Katharina Dröge vom linken Flügel.
Nun dürften Dröge und ihre Co-Vorsitzende Britta Haßelmann, die gerade erst kommissarisch im Amt bestätigt wurden, die Fraktion gemeinsam weiter führen. Beide stehen Baerbock nahe. "Mit zwei starken Frauen an ihrer Spitze beginnt jetzt ein neues Kapitel für unsere Fraktion", schreibt sie.
Sorge um Familie
In einer über mehrere Jahre geführten Interview-Serie, die das Zeit-Magazin im Januar veröffentlichte, schilderte Baerbock die Belastungen, die das Amt als Außenministerin für ihre Familie mit den beiden Töchtern bedeutete. Im Juli 2023 berichtete sie, ihre Kinder hätten zwischendurch auch Sicherheitsschutz benötigt. Sie habe sich gefragt: "Wie viel kann ich meiner Familie zumuten?" Unter anderem schilderte sie einen Vorfall mit einem Stalker, den eine ihrer Töchter miterleben musste.
Auch Habeck verzichtet
Bereits am Tag nach der Bundestagswahl hatte Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck seinen Rückzug aus der ersten Reihe angekündigt. Baerbock, die ihn als Spitzenkandidatin unterstützt hatte, ließ sich mehr Zeit. Mit Habeck als Co-Parteichef hatte Baerbock die Partei zwischen 2018 und 2022 breiter aufgestellt: Die Grünen sollten zu einer Art Volkspartei mit mehreren möglichen Koalitionspartnern werden.
Auch nach ihrem Wechsel in Ministerämter blieben Baerbock und Habeck die dominierenden Köpfe ihrer Partei. "Wir haben heute fast 100.000 Mitglieder mehr als Anfang 2018, dem Zeitpunkt an dem Robert Habeck und ich als Bundesvorsitzende gewählt wurden. Wir regieren weiter erfolgreich in sieben Bundesländern", schreibt sie.
Die erste Kanzlerkandidatin der Grünen
Als erste Kanzlerkandidatin ihrer Partei hatte Baerbock die Grünen 2021 in den Bundestagswahlkampf geführt. Auf einen verpatzten Wahlkampf folgte ein Ergebnis, das im Vergleich zu den Umfragen einige Monate zuvor bescheiden ausfiel. Ihr Buch wurde nach Plagiatsvorwürfen schließlich nicht mehr gedruckt. In der Ampel-Regierung mit SPD und FDP wurde Baerbock Außenministerin und setzte auf feministische Außenpolitik, zum Stolz vieler Parteifreunde. Bei Parteitagen stritt sie für die von vielen Grünen kritisierte EU-Asylreform und setzte sich durch.
Nach dem enttäuschenden Ergebnis von 11,6 Prozent bei der Bundestagswahl diskutieren die Grünen über Konsequenzen. Vertreter des linken Parteiflügels fordern unter Verweis auf Verluste an die Linkspartei eine liberalere Migrationspolitik und einen stärkeren Fokus auf soziale Themen. Realos hingegen betonen, dass gerade Habeck mit seinem Mitte-Kurs, der auf frühere Wähler von CDU-Kanzlerin Angela Merkel zielte, der Partei noch im Wahlkampf einen Mitgliederboom beschert habe. Zudem hätten die Grünen auch Stimmen an die Union verloren.