Olaf Scholz (Archivbild)

EU-Sondergipfel Mit Milliarden im Gepäck nach Brüssel

Stand: 06.03.2025 10:14 Uhr

Die Trump-Regierung zeigt Europa die kalte Schulter - eine schwierige Ausgangslage für den EU-Sondergipfel. Für Deutschland ist Noch-Kanzler Olaf Scholz dabei. Und er reist nicht mit leeren Händen an.

Von Mario Kubina, ARD Berlin

Es sind die letzten Tage in der Amtszeit von Olaf Scholz. Doch der Noch-Kanzler führt nach wie vor die Amtsgeschäfte - so lange, bis eine neue Regierung steht. Und da die Weltlage von Tag zu Tag herausfordernder wird, ist der SPD-Politiker auch in der Dämmerung seiner Kanzlerschaft viel unterwegs. Am Wochenende erst war Scholz bei einem Spitzentreffen in London, wo er die Rolle der Ukraine als eigenständiger Staat betonte: "Es ging Russland immer darum, in der Ukraine eine Regierung zu etablieren, die nach russischer Pfeife tanzt." Und dies könne nicht akzeptiert werden, so Scholz.

An diesem Donnerstag geht es für ihn also zum EU-Sondergipfel nach Brüssel. Und nach dem Stopp der US-amerikanischen Hilfen für das angegriffene Land richten sich viele Augen auf Deutschland, den zweitgrößten Unterstützer der Ukraine.

Die Verteidigungspolitikerin Sara Nanni von den Grünen mahnt im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio Tempo an. In der gegenwärtigen Situation dürfe man sich in Europa nicht vertagen - nun seien konkrete Entscheidungen gefragt.

Grüne warnen vor mangelnder Abstimmung

Die Bundestagsabgeordnete beschreibt die Lage so: "Die Amerikaner ziehen sich aus der Verantwortung für die europäische Sicherheitsarchitektur komplett heraus." Umso wichtiger sei es jetzt, dass sich der bisherige Kanzler und sein potenzieller Nachfolger Friedrich Merz abstimmten. Andernfalls sieht Nanni die Gefahr, dass "Deutschland nicht sprechfähig ist" - mit negativen Folgen für die anstehenden Entscheidungen auf EU-Ebene.

Das Kanzleramt versucht zu beruhigen: Scholz sei in jedem Fall "abschlussfähig", wie es Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch formuliert. Er verweist auf ein Treffen von Scholz und Merz am Vortag des EU-Sondergipfels und ergänzt: "Gegebenenfalls kann man sich immer noch auf kurzem Draht rückversichern."

Und auch zum ukrainischen Präsidenten hält der amtierende Kanzler Kontakt. Bei einem Telefonat am Mittwoch versichert er Wolodymyr Selenskyj, dass Deutschland weiter an der Seite des überfallenen Landes stehe. Der ukrainische Staatschef nimmt ebenfalls am heutigen Gipfel teil.

Merz trifft in Brüssel andere konservative Spitzenpolitiker

Neben Scholz ist auch der CDU-Chef in Brüssel. Allerdings wird Merz nicht am Verhandlungstisch sitzen - was bei einer laufenden Regierungsbildung auch ungewöhnlich wäre. Stattdessen ist ein Treffen mit konservativen Spitzenpolitikern aus anderen EU-Ländern geplant.

Scholz reist jedenfalls nicht mit leeren Händen zum Gipfeltreffen. Mit der Einigung von Union und SPD auf deutlich höhere Verteidigungsausgaben dürfte es ihm leichter fallen, den anderen Regierungschefs Zusagen zu machen.

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul stellt mit Blick auf den EU-Gipfel ein Überbrückungspaket für das angegriffene Land in Aussicht. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio beziffert der CDU-Politiker das Paket auf rund 20 Milliarden Euro. Etwa drei Milliarden davon könnten aus Deutschland kommen. Aus Sicht von Wadephul besteht Einigkeit darin, "dass man gerade in der jetzigen Situation ein klares Unterstützungssignal an die Ukraine senden muss".

Ukraine: Bald drei Milliarden zusätzlich für Verteidigung?

Über diese zusätzlichen Ukrainehilfen wurde schon länger diskutiert. Hintergrund ist, dass im Haushaltsplan für dieses Jahr lediglich vier Milliarden Euro für Militärhilfen vorgesehen sind - deutlich weniger als im Haushalt 2024. Und das Geld ist bereits verplant, wie es in Berlin heißt. Aber eine Aufstockung der Mittel hing wahlkampfbedingt fest. Gestritten wurde über den richtigen haushaltsrechtlichen Weg, die Mittel bereitzustellen.

Christian Feld, ARD Brüssel, und Susanne Petersohn, ARD Kiew, zum EU-Gipfel zur Unterstützung der Ukraine

tagesschau24, 06.03.2025 14:00 Uhr

Die Grünen-Politikerin Nanni wirft Scholz vor, die Hilfen blockiert zu haben: "Der Bundeskanzler bremst das seit Monaten aus." Doch nach dem Stopp der US-Hilfen für die Ukraine sieht die Abgeordnete die Zeit gekommen, "von der Bremse zu gehen". Tatsächlich könnte mit dem Finanzpaket des schwarz-roten Sondierungsteams jetzt eine Lösung näher rücken.

Linke befürchtet neue Aufrüstung in Europa

Doch es gibt in Berlin auch Kritik an weiteren Militärhilfen für Kiew - und generell an höheren Verteidigungsausgaben. Linke-Chef Jan van Aken warnt die EU-Länder davor, "Weltmachtansprüche" zu formulieren und sich auf Augenhöhe mit China, Russland und den USA zu wähnen. "Europa muss als Friedensmacht auftreten, muss verteidigungsfähig sein, aber nicht mehr." Die Linke ist gegen eine neue Aufrüstung in Europa, steht damit aber ziemlich allein im künftigen Bundestag.

Ob Befürworter oder Kritiker von höheren Verteidigungsausgaben: Beide Seiten schauen an diesem Donnerstag gespannt nach Brüssel, wo die EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten über ihre Pläne zur Stärkung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik berät. "Wir müssen uns darauf einstellen", so der CDU-Politiker Wadephul, "dass wir den Westen ohne die Führungsrolle der USA organisieren müssen". Ein Szenario, das für viele in Berlin noch vor wenigen Monaten unvorstellbar gewesen wäre.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 06. März 2025 um 07:08 Uhr.