
Sondierungen von Union und SPD Was, wie viel, wofür - die Einigung in Finanzfragen
In der ersten Einigung, die Union und SPD aus ihren Sondierungsgesprächen vorstellen, geht es ums Geld. Wofür wird es gebraucht, wo kommt es her und welche rechtlichen Hürden gibt es? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Worum geht es im Vorschlag?
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll so angepasst werden, dass Verteidigungsausgaben ausgenommen sind, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll das nicht gedeckelt werden, ermöglicht also theoretisch unbegrenzte Kredite.
Finanziert werden soll das mittelfristig unter anderem auch durch die Wirtschaft, für die es eine Impulsspritze in Form eines Infrastrukturpakets geben soll - also Investitionen in Straßen, Schienen und anderes. Dafür sollen Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden, die in ein Sondervermögen fließen. Zum Vergleich: Das ist etwas mehr als das Volumen eines Bundeshaushalts und mehr als ein Zehntel des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Das Geld soll schnell zur Verfügung stehen und über zehn Jahre abfließen. Damit das an der Schuldenbremse vorbeilaufen kann, soll das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und dort von der Schuldenregel ausgenommen werden.
Wie läuft das mit der Verankerung im Grundgesetz?
Für eine Grundgesetzänderung wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Die haben Union und SPD im Bundestag nicht alleine - weder im alten noch im neuen. Im alten ginge das aber mit den Stimmen der Grünen und der FDP. Die Liberalen haben aber eine Reform der Schuldenbremse bislang kategorisch abgelehnt. Die Sondierer dürften daher auf die Grünen setzen - und zwar noch vor der Konstituierung des neuen Bundestag.
Denn im neuen Bundestag wären Union und SPD für eine Zwei-Drittel-Mehrheit auf AfD oder Linke angewiesen - diese haben eine sogenannte Sperrminorität und können Gesetze blockieren. Und: Sie beide lehnen Sondervermögen ab. Deshalb soll der alte Bundestag auf den letzten Metern nochmal zusammenkommen.
Wofür genau wird das Geld im Bereich Verteidigung gebraucht?
Das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist fast komplett verplant. Doch klar ist: Eine kriegstüchtige Bundeswehr, die Angreifer abschreckt und in einem Kampf bestehen kann, benötigt eine Vollausstattung über 100 Prozent hinaus ("Ersatz"), eine umfangreiche Luftverteidigung und Cyberabwehr und eine verbesserte, eigenständige Beobachtung möglicher Gegner ("Aufklärung"). Zudem weitreichende Präzisionswaffen ("deep precision strike"), Vorräte an Munition, eine Art Drohnenarmee sowie einen funktionierenden Heimatschutz über die bislang geplante neue Division hinaus.
Das Personal dafür soll sich auch aus einem neuen Wehrdienst speisen, wobei Kasernen und Unterkünfte derzeit der Engpass sind. Das bisherige Sondervermögen hat eine eng gefasste Zweckbestimmung und beschränkt Investitionen in Infrastruktur.
Noch im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung wollen Union und SPD ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr sowie eine Prioritätenliste mit schnell zu beschaffenden Rüstungsgegenständen vorlegen. Diese Liste werde in enger Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium entworfen.
Und im Bereich Infrastruktur?
Marode Brücken und Schienen, Baustellen auf Straßen: Bei der Verkehrsinfrastruktur gibt es einen riesigen Investitionsstau. "Der Güter- und Personenverkehr wird durch die überalterte Infrastruktur mittlerweile deutlich eingeschränkt, was die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands beeinträchtigt", heißt es im Jahresgutachten der sogenannten Wirtschaftsweisen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat errechnet, dass innerhalb von zehn Jahren zusätzliche Mittel von rund 160 Milliarden Euro notwendig sind für das Schienennetz, für Autobahnen und Bundesstraßen, die Brückenerneuerung, Bundeswasserstraßen, für Häfen und den Ausbau des ÖPNV. Der BDI sieht außerdem einen Bedarf von zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Bildungsinfrastruktur, also für Kitas, Schulen und Hochschulen sowie von 56 Milliarden Euro für Gebäude und Wohnen.
CSU-Chef Markus Söder sprach von einem Wirtschafts- und Infrastrukturpaket "XXL", das in der Größe einmalig sei in Deutschland. Es gehe auch um die Stärkung der Energieversorgung, um Bau, Kinderbetreuung, digitale Schulen und Krankenhäuser.
Welche Vorteile hat ein Sondervermögen?
Bisher muss bei den Gesprächen über den Bundeshaushalt jedes Jahr über Investitionen in die Infrastruktur verhandelt werden - also nach Kassenlage, abhängig von Konjunktur und Steuereinnahmen. Ein Sondervermögen schafft eine verlässliche Finanzierungsperspektive sowie Planungssicherheit für Auftraggeber, Ingenieurbüros und die Bauwirtschaft.
Sondervermögen böten die Vorteile, finanzielle Mittel zweckgebunden sowie mit klar definierten Zielvorgaben einzusetzen und Planungssicherheit für Infrastrukturprojekte zu schaffen, heißt es beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. "Ein langfristig geschnürtes Paket könnte den Bau einer ökologischen und zukunftssicheren Infrastruktur endlich vom jährlichen Haushaltszank befreien", sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. Der Interessenverband Allianz pro Schiene sieht die Chance, den gigantischen Sanierungsstau bei der Schiene abzubauen.
Und die Schuldenbremse?
Um dauerhafte Investitionen in die Stärkung Deutschlands zu ermöglichen, wollen Union und SPD an die Schuldenbremse ran. Eine Expertenkommission soll einen Vorschlag für eine Modernisierung ausarbeiten. "Auf dieser Grundlage wollen wir die Gesetzgebung Ende 2025 abschließen", heißt es in dem Einigungspapier.
Wer muss die Kredite bezahlen?
Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Erstmal kommt das Geld also von Anlegern, das können zum Beispiel Pensionsfonds oder Kreditinstitute sein. Einer der größten Investoren der Welt ist etwa der norwegische Staatsfonds.
Auf lange Sicht muss der Kredit dann aber getilgt werden. Bei Sondervermögen stellt der Bund dafür einen Zeitplan auf. Beim bisherigen Sondervermögen für die Bundeswehr ist die Tilgung zum Beispiel ab 2031 geplant. Das Geld dafür muss dann aus dem Bundeshaushalt kommen, also aus Steuergeldern und anderen staatlichen Einnahmen.
Quelle: dpa, Reuters