Benjamin Netanjahu

Netanjahu in Washington Hoffnungen und Appelle vor Treffen mit Trump

Stand: 04.02.2025 18:00 Uhr

Was nach den 42 Tagen Waffenruhe im Gazastreifen passiert, ist ungewiss. Die Familien vieler Geiseln setzen ihre Hoffnungen auf US-Präsident Trump. Vieles dürfte von seinem heutigen Gespräch mit Israels Premier Netanjahu abhängen.

Schluchzend fallen sich Yarden Bibas, seine Schwester Ofri und ihr Vater in die Arme. Das Video der Wiedervereinigung nach 484 Tagen Geiselhaft in Gaza wird im israelischen Fernsehen ständig wiederholt. Von Yardens Frau Shiri und ihren Kindern Kfir und Ariel fehlt weiter jede Spur, berichtet Yardens Schwester Ofri Bibas Levy in einem Statement aus dem Krankenhaus bei Tel Aviv:

Yarden ist hier, aber (unsere Familie) ist unvollständig. Unsere Reise ist so lange nicht beendet, bis wir Gewissheit über das Schicksal von Schiri und den Kindern haben. Yarden fragt nach ihnen und ich kann ihm keine Antworten geben.

Die Ungewissheit über das Schicksal von Shiri und den Kindern quält die Familien am meisten. So wie den Bibas geht es den Angehörigen von 79 israelischen Geiseln, die noch in Gaza sind. Die Familien setzen ihre Hoffnungen auf US-Präsident Donald Trump, der mit Israels Premier Benjamin Netanjahu in Washington zusammentrifft.

Aviva Siegel, die selbst Geisel war und deren Mann Keith zuletzt freikam, richtete direkt eine Botschaft ans Weiße Haus: "Unsere Reise ist nicht vorüber, Präsident Trump", sagte sie. "Sie sind unsere Hoffnung für die, die noch Geiseln sind, dass die nächste Phase der Waffenruhe stattfindet, dass sie hält, bis alle Geiseln nach Hause kommen. Die Welt sieht zu und wir glauben daran, dass Sie das Leiden beenden können."

Ziel einer Annäherung an Saudi-Arabien

Und so dürften die nächsten Stunden entscheidend sein, wenn Trump und Netanjahu über weitere Schritte im Gazastreifen sprechen. Vor seinem Abflug hatte Netanjahu betont, er halte an seinem Ziel fest, die Hamas zu besiegen. Doch heißt das automatisch, dass der Krieg weitergeht? Professor Eitan Gilboa, USA-Experte von der Bar Llan Universität bei Tel Aviv, sieht einen Hoffnungsschimmer in Trump selbst:

"Ich bin mir sicher: Wenn Trump etwas tut, tut er es für sich. In seiner zweiten Amtszeit will er sich mit dem Image eines Mannes verewigen, der den Frieden brachte. Er will den Friedensnobelpreis. Es ist sein Ziel, Saudi-Arabien an die Abraham Verträge anzubinden und einen Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien herbeizuführen. Der Weg dorthin führt über eine Waffenruhe im Gazastreifen."

2020 gelang unter Trump eine Annäherung Israels an arabische Staaten wie Bahrain, an die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko. Saudi-Arabien ist Israels nächster großer Wunschkandidat. Das Bündnis könnte Israels Widersacher - den Iran und die von ihm unterstützten Terrororganisationen wie die Hamas - isolieren, so die Hoffnung.

Umsiedlung? Skepsis auch in Israel

Aber Saudi-Arabien und andere arabische Staaten drängen auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Palästinenser. Eine Umsiedlung von mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien - wie es Trump zuletzt gefordert hatte - stößt auch in Israel auf Skepsis. Nur wenige wie Israels rechter Finanzminister Bezalel Smotrich nehmen diese Idee ernst:

"Wir haben gehört, wie Trump sagt, dass die arabischen Länder 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Gazastreifen aufnehmen sollen. Nach vielen Jahren ist es Trump, der mit scharfem Blick versteht, dass der Gazastreifen ein Sumpf des Terrors ist, der den Bürgern Israels und den Bürgern in Gaza Leid zufügt. Wir glauben, dass die Migration der Palästinenser langfristig die einzige Lösung ist, die Israel Frieden und Sicherheit und bringt und das Leid in Gaza beendet."

Smotrich, der als rechter Koalitionspartner Netanjahus bis zuletzt auf eine Fortführung des Krieges in Gaza gedrängt hatte, drohte, andernfalls wolle er aus der Regierung austreten. Ob er die Drohung wahr macht und die Regierungskoalition in Israel zum Wackeln bringt, dürfte vom Ausgang der Gespräche in Washington abhängen.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 04.02.2025 16:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Februar 2025 um 18:15 Uhr.