Zukunft des Gazastreifens Was kommt nach der Waffenruhe?
Bald starten die Verhandlungen über die zweite Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Wie es mit dem Gazastreifen weitergeht, dazu gibt es Vorschläge von allen Seiten. Nur Premier Netanjahu ist auffallend ruhig.
Es ist die Macht der Bilder, die in diesen Tagen viele Israelis verunsichert: Hamas-Terroristen, die bei den Geiselübergaben Stärke zeigen, Hunderttausende Palästinenser, die in den Norden des Gazastreifens zurückkehren, von wo sie die israelische Armee vertrieben hatte. Dabei passieren sie ein Banner, auf das die Hamas geschrieben hat: Macht euch keine Sorgen, wir bauen den Gazastreifen wieder auf.
Die Fragen, was aus dem Gazastreifen werden und wer dort künftig das Sagen haben wird, rücken immer mehr in den Mittelpunkt. Die Antworten sind breit gefächert. Für die Palästinenser ist klar: Sie selbst wollen den weitgehend zerstörten Küstenstreifen verwalten. US-Präsident Donald Trump würde Gazas Bewohner dagegen am liebsten nach Ägypten und Jordanien umsiedeln.
"Jackpot für die Hamas"
Ab kommenden Dienstag verhandeln die Vermittler über die zweite Phase der Waffenruhe und über die Zukunft des Gazastreifens. Es werden entscheidende Tage, sagt Tamir Hayman, der Direktor des Instituts für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv: "Die zweite Phase verspricht eine absolute Kriegspause", sagt Hayman.
Diese Entscheidung müsse bald schon getroffen werden. "In dieser Phase wird auch ein völliger Abzug der Truppen aus dem Gazastreifen gefordert und Gefangene sollen freigelassen werden, in ganz Israel bekannte Mörder mit jahrzehntelangen Haftstrafen." Das werde der "Jackpot für die Hamas" sein und für den Staat Israel eine große Herausforderung. "Es könnte sein, dass dieser politische Preis unbezahlbar sein wird."
Hardliner erhalten Rückenwind von Trump
Es gibt viele Modelle, die im Hintergrund diskutiert werden. Diejenigen, die einen harten Kriegskurs fordern und weiter auf eine totale Zerschlagung der Hamas setzen, haben mit Trumps Amtsantritt Rückenwind bekommen.
Etwa Israels Finanzminister Bezalel Smotrich. Der rechtsextreme Politiker will den Gazakrieg fortsetzen, und würde danach am liebsten jüdischen Siedler in den Küstenstreifen bringen: "Wir fordern, dass nach dem Ende dieser ersten Phase der Waffenruhe Israel entschlossen den Krieg wieder aufnimmt", sagt Smotrich. "Und zwar auf eine Weise, die endlich eine Entscheidung und einen Sieg herbeiführen wird."
"Netanjahu hat nach dem Krieg ein großes politisches Problem"
Smotrich unterstützt Trumps Umsiedlungspläne ohne Wenn und Aber: "Wir konnten ja sehen, wie er solch einen Schritt zur Vertreibung der Immigranten durchsetzt. Wenn Präsident Trump etwas will, dann weiß er es auch umzusetzen."
Kopfschütteln dagegen bei dem Palästinenser. Der Analyst Ghassan Al-Khatib aus Ramallah sieht das Ganze als einen US-Rettungsring für Israels Premier: "Mit dieser dramatischen Aussage über die Umsiedlung der Palästinenser versucht Trump, Netanjahu davor zu bewahren, im Sand von Gaza zu versinken", meint Al-Khatib. "Denn klar ist: Netanjahu hat ein großes politisches Problem mit dem Tag nach diesem Krieg."
Unklar, ob alle Geiseln freikommen
Es herrschen große Zweifel, ob Premier Netanjahu sein wichtigstes Kriegsziel, nämlich die totale Zerschlagung der Hamas, noch erreichen kann. Ebenso ist unklar, ob er alle Geiseln zurückbringen wird.
Auch deshalb schrieb Oppositionsführer Jair Lapid auf der Plattform X, die jetzige Situation sei der herzzerreißende Beweis dafür, dass Netanjahus Regierung das Land einfach nicht führen könne.
Gantz will internationale Kontrolle Gazas
Ein anderer Oppositionspolitiker, Benny Gantz, setzt dagegen auf eine internationale Kontrolle Gazas, in der Israel militärisch weiter das Sagen hat. "Die Aufhebung der Hamas-Herrschaft, die Entmilitarisierung des Gazastreifens und das Mitwirken der internationalen Staatengemeinschaft in der Verwaltung des Gazastreifens - das muss jetzt kommen. Israel muss auf jeden Fall militärisch voll handlungsfähig bleiben", so Gantz.
Und Premier Benjamin Netanjahu? Er hält sich mit öffentlichen Äußerungen derzeit auffallend zurück. Mit einer Ausnahme, in der er Trump öffentlich dankte, dass dieser ihm nun die schweren Bomben liefert, die Trumps Vorgänger Joe Biden ihm verweigert hatte.