Eine ältere Dame geht mit ihrem Rollator über einen Flur in einer Pflegeeinrichtung.
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Private Absicherung Wenn die Pflegeversicherung nicht ausreicht

Stand: 09.04.2025 10:05 Uhr

Die Pflegekosten steigen rasant, doch die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil davon ab. Welche Möglichkeiten gibt es, sich finanziell für den Pflegefall abzusichern?

Von Antonia Mannweiler, ARD-Finanzredaktion

Allein im vergangenen Jahr hat die gesetzliche Pflegeversicherung ein Minus von 1,54 Milliarden Euro eingefahren. Die Beiträge wurden auch deswegen zum Jahresanfang 2025 um 0,2 Prozent angehoben. Dennoch dürfte laut dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) der Fehlbetrag in diesem Jahr noch eine halbe Milliarde Euro betragen.

"Die Pflegeproblematik wird in der Bevölkerung verdrängt", sagt Fred Wagner, Professor am Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig, und warnt: "In der gesetzlichen Pflegeversicherung kommt ein Drama auf uns zu. Es ist nun mal so, dass wir älter werden, und viele ältere Menschen erzeugen natürlich auch viel mehr Leistungsfälle in der gesetzlichen Pflegeversicherung."

Was ist die Aufgabe der gesetzlichen Pflegeversicherung?

Die gesetzliche Pflegeversicherung soll die Versicherten im Pflegefall finanziell unterstützen. Wer Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse ist, ist automatisch Teil der gesetzlichen Pflegeversicherung. Privatversicherte müssen hingegen eine private Pflegeversicherung abschließen. Der Beitrag für die Pflegeversicherung beträgt derzeit insgesamt 3,6 Prozent des Bruttoeinkommens für Versicherte mit einem Kind und 4,2 Prozent für Kinderlose. Ohne den Arbeitgeberanteil liegt der Beitragssatz für Kinderlose bei 2,4 Prozent oder 1,8 Prozent mit einem Kind. Für Eltern mit mehreren Kindern sinkt der Beitrag schrittweise weiter.

Wie viel man später aus der Pflegeversicherung erhält, hängt vom jeweiligen Pflegegrad ab - also davon, wie pflegebedürftig man ist und ob die Pflege im Heim oder zu Hause erfolgt. Das fängt bei Pflegegrad 1 an, der für eine geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit steht, und geht hoch bis Pflegegrad 5. Dieser steht für die schwerste Beeinträchtigung mit besonders hohen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Zusätzlich gibt es auch noch Zuschüsse für Sachleistungen, Tages- oder Verhinderungspflege.

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Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken - Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern - von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Hinter den Kulissen - wie Versicherungen ticken (offen)

Die Einstufung des Pflegegrades wird vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) vorgenommen. Dabei geht es unter anderem darum, wie beweglich eine Person ist und ob sie noch selbständig essen oder trinken kann.

Die Begriffe Pflegestufe und Pflegegrade werden zwar oft als Synonym verwendet. Offiziell gibt es seit einer Reform von 2017 aber nur noch die Pflegegrade - bei denen auch psychische und kognitive Einschränkungen eine Rolle spielen.

Wie hoch sind die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung?

Je höher der Pflegegrad, desto höher sind auch die finanziellen Leistungen. Bei Pflegegrad 2 erhalten Versicherte aktuell 347 Euro im Monat, bei Pflegegrad 3 sind es 599 Euro, bei Pflegegrad 4 800 Euro und bei Pflegegrad 5 - der schwersten Beeinträchtigung - 990 Euro im Monat. Diese Beiträge gelten für die häusliche Pflege.

Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen können selbst entscheiden, ob Familienmitglieder die Pflege übernehmen oder ob sie von professionellen Pflegekräften zu Hause geleistet wird - in letzterem Fall gibt es höhere Leistungen.

Wer vollstationär in einem Heim gepflegt wird, erhält deutlich höhere Leistungen von der Pflegekasse. Dann steigen die Leistungen bei Pflegegrad 3 zum Beispiel von 599 Euro auf 1.319 Euro im Monat. Doch obwohl die Leistungen dann tendenziell höher sind, reicht das bei Weitem nicht, alle Kosten der vollstationären Pflege zu decken. Wer für bis zu zwölf Monate in ein Pflegeheim zieht, zahlt laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) mittlerweile trotz der Unterstützung aus der Pflegeversicherung im Schnitt einen Eigenanteil von rund 3.000 Euro im Monat.

Eigenanteil stark gestiegen

Dieser Eigenanteil variiert je nach Pflegeheim und Bundesland, ist aber für alle Pflegebedürftigen innerhalb einer Einrichtung gleich - also auch unabhängig vom Pflegegrad. Im Vergleich zu 2024 ist die monatliche Eigenbeteiligung laut vdek im Jahr 2025 um rund 300 Euro gestiegen, und Experten gehen davon aus, dass diese Zuzahlungen auch in der Zukunft noch weiter steigen werden.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Bruttorente in Deutschland lag laut Rentenatlas der Deutschen Rentenversicherung Ende 2023 bei 1.623 Euro, nach allen Abzügen bei etwa 1.440 Euro netto. Bei einem Eigenanteil von rund 3.000 Euro für die Pflegeheimkosten würde sich in dem Fall eine Pflegelücke von rund 1.500 Euro im Monat auftun.

Es gibt aber einen gestaffelten Zuschuss, bei dem die Eigenbeteiligung mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinkt. In den ersten zwölf Monaten im Heim liegt der Zuschuss bei 15 Prozent, ab einem Jahr steigt er auf 30 Prozent, ab zwei Jahren auf 50 Prozent und ab drei Jahren auf 75 Prozent. Das würde bedeuten, dass die Eigenbeteiligung nach drei Jahren im Pflegeheim beispielsweise von rund 3.000 auf etwa 2.000 Euro sinken würde.

Warum zahlt die Versicherung so wenig?

Dass der Eigenanteil im Vergleich zu den Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung so hoch ist, liegt auch daran, dass die Pflegeversicherung von Anfang an nicht als Vollkosten-, sondern 1995 als Teilkostenabsicherung eingeführt wurde. Sie nur deckt einen Teil der Pflegekosten ab; der Rest wird von den Pflegebedürftigen selbst, ihren Angehörigen, oder - falls sie die Kosten nicht tragen können - von der Sozialhilfe übernommen.

Die springt aber erst ein, wenn Vermögen und Ersparnisse bis zu einer bestimmten Grenze aufgebraucht sind. Wer eine Immobilie besitzt, muss diese unter Umständen verkaufen. Auch direkte Verwandte wie Ehepartner oder Kinder können zur Zahlung verpflichtet werden, aber nur, wenn sie mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen; ihr Vermögen spielt keine Rolle. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen, über die auch die Verbraucherzentralen informieren. Nicht in jedem Fall muss etwa das Eigenheim verkauft werden.

Private Absicherung gegen Pflegefall

Bei den sehr hohen Selbstbehalten, die es schon heute gebe, würde es nicht bleiben, sagt Wagner von der Universität Leipzig - das werde sich noch dramatisch verschlechtern. "Und ja, da hilft natürlich eine private Pflegezusatzversicherung. Die ist aber auch nicht billig."

Um sich gegen die Pflegelücke im Alter abzusichern, gibt es unter anderem die Pflegezusatzversicherungen. Auch um die eigenen Vermögenswerte zu schützen, seien diese sinnvoll, sagt Nicolas Ziebarth, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen am Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung. "Die Debatte werden wir sicher in den nächsten Monaten oder Jahren führen, ob wir nicht über eine Pflichtversicherung reden müssen. Dass die Politik quasi jeden zwingt, eine private Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Im Moment ist es freiwillig. Aber die Konsequenz daraus ist, dass sehr wenige Deutsche so eine Versicherung haben."

Gerade als junger Mensch solle man sich Gedanken über die Pflege machen, sagt Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Eine Pflegezusatzversicherung halte ich für absolut unverzichtbar und würde sie jedem jungen Menschen empfehlen. Denn wir sehen schon jetzt bei der Pflegeversicherung erheblich steigende Finanzierungserfordernisse." Und das, obwohl die Demografie auf der Ausgabenseite dort erst in zehn bis 15 Jahren für erheblichen Druck sorgen werde.

Pflegetagegeld am ehesten empfohlen

Es gibt drei verschiedene Arten der Pflegezusatzversicherung: die Pflegetagegeldversicherung mit einem Betrag zur freien Verfügung, eine Pflegekostenversicherung für tatsächlich anfallende Kosten, und die Pflegerentenversicherung mit einer monatlichen Rente.

Beim Pflegetagegeld wird mit der Versicherung ein fester täglicher Betrag vereinbart, der dann im Pflegefall monatlich ausgezahlt wird. Wie das Geld eingesetzt wird, ist einem selbst überlassen. Wer im Pflegeheim lebt, kann es für die Kosten dort einsetzen. Wer zu Hause gepflegt wird, für Pflegematerialien oder andere notwendige Anschaffungen.

Dieses Modell wird von den meisten Experten empfohlen, da es Flexibilität bietet. Wie hoch das Pflegetagegeld ist, hängt vom jeweiligen Pflegegrad ab: Je höher der Pflegegrad, desto größer ist der Anteil am vereinbarten Tageshöchstsatz. Es gibt hier einen klaren Vorteil gegenüber der Pflegekostenversicherung: Die Auszahlung ist nicht von den tatsächlich angefallenen Pflegekosten abhängig, sondern unabhängig davon verfügbar.

"Im Grunde ist das Pflegetagegeld die Möglichkeit, die man eigentlich wählen sollte. Man weiß ja nie, wie sich die Pflege darstellt, wie man Gelder benötigt. Und da ist man schon allein aufgrund der uneingeschränkten Verfügbarkeit des Tagesgeldes völlig unabhängig und kann frei entscheiden", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale NRW.

Pflegekosten- und Pflegerentenversicherung

Bei der Pflegekostenversicherung gibt es nur dann Geld, wenn auch Leistungen erbracht wurden. Zudem müssen alle Kosten nachgewiesen werden, was den bürokratischen Aufwand erhöht. Dafür ist die Pflegekostenversicherung im Schnitt auch etwas günstiger.

Die Pflegerentenversicherung zahlt eine monatliche Rente aus, sobald ein Pflegegrad festgestellt wurde. Auch hier orientiert sich die Höhe der Auszahlung unter anderem am Pflegegrad. Ein großer Vorteil ist, dass die Gelder flexibel eingesetzt werden können, ein anderer, dass die Beiträge fix sind und im Laufe der Zeit nicht steigen.

Der wesentliche Unterschied zum Pflegetagegeld ist, dass die Pflegerentenversicherung eine Kombination aus Sparvertrag und Pflegeabsicherung ist. Das heißt, dass Versicherte bei einer vorzeitigen Auflösung des Vertrags zumindest einen Teil ihres Geldes zurückbekommen können. Der große Nachteil ist aber: Die Beiträge sind dadurch auch sehr viel höher. Wer zum Beispiel 40 Jahre alt ist und eine monatliche Pflegerente in Höhe von 1.000 Euro bei dem höchsten Pflegegrad 5 absichern will, muss bei einigen Versicherungen einen monatlichen Beitrag von 62 Euro zahlen, im Jahr wären das 744 Euro. Wer die gleiche Höhe über eine Pflegetagegeldversicherung absichern will, kann den Beitrag aber mitunter halbieren.

Meike Voß vom Bund der Versicherten rät daher klar von der Renten-Option ab: "Was man auf gar keinen Fall machen sollte, ist eine Pflegerente zu versichern, weil das in der Regel kapitalbildende Verträge sind, bei denen ich eine Rente vereinbare. Die Kapitalbildung ist häufig mit hohen Kosten verbunden, und das sehen wir als nicht vorteilhaft an. Das ist viel zu teuer. Daher empfehlen wir eher das Pflegetagegeld."

Ohne Gesundheitsüberprüfung in die Pflege-Bahr

Bei allen drei Modellen der privaten Pflegezusatzversicherung müssen Gesundheitsfragen beantwortet werden, bevor der Vertrag mit dem Versicherer abgeschlossen werden kann. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass die Versicherung einen aber aufgrund von Vorerkrankungen ablehnt und nicht versichert.

In diesem Fall gibt es die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung, die Pflege-Bahr, benannt nach dem früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr. Der Staat unterstützt die Versicherung, indem er jeden Monat fünf Euro zur privaten Pflegezusatzversicherung zuschießt. Um die Förderung zu erhalten, muss der Versicherte aber mindestens zehn Euro selbst einzahlen. Wie bei den anderen Zusatzversicherungen ist die Auszahlung an den Pflegegrad geknüpft. Es gibt aber eine Mindestsumme, die in bestimmten Pflegegraden gezahlt werden muss, mindestens 600 Euro bei Pflegegrad 5 zum Beispiel.

Der große Vorteil der Pflege-Bahr liegt darin, dass keine Gesundheitsüberprüfung erfolgt. Der Beitrag hängt nur vom Alter des Versicherten und den Konditionen des Anbieters ab. Versicherte können also nicht abgelehnt werden werden. Weil tendenziell aber mehr Menschen mit Vorerkrankungen in der Pflege-Bahr sind, fallen die Beiträge oft höher aus. Und auch die Leistungen selbst sind nicht so hoch, als dass sie die Pflegekosten im Alter deutlich senken könnten.

"Der Pflege-Bahr-Tarif rechnet sich eigentlich nur, wenn jetzt schon absehbar ist, dass ich pflegebedürftig werde. Da wird ja keine Gesundheitsprüfung mehr gemacht. Da kann man aber in den meisten Fällen eigentlich eher von abraten", sagt Weidenbach von der Verbraucherzentrale. Aus diesem Grund lohnt sich in vielen Fällen eine andere Versicherung, selbst wenn diese keinen staatlichen Zuschuss bietet.