Die Zentrale der ING Bank in Frankfurt am Main

Bilanz der Direktbank Warum die ING vor allem auf Privatkunden setzt

Stand: 06.02.2025 17:01 Uhr

Mehr Kunden, aber weniger Gewinn: So sieht die Bilanz der ING in Deutschland aus. Für das kommende Jahr plant der neue Vorstandschef Stoy strategische Änderungen.

Während konventionelle Banken unter den hohen Kosten des Privatkundengeschäfts ächzen, berichtet die deutsche Tochter des niederländischen ING-Konzerns über ein profitables Jahr 2024. Im vergangenen Jahr steigerte die Bank ihre Kundenzahl in Deutschland auf knapp zehn Millionen Menschen.

Da das ING-Geschäft ausschließlich elektronisch und nur zur Not telefonisch abläuft, entstehen durch neue Kunden praktisch keine Kosten. Teure Filialen spart sich die ING. Sie betreibt auch nur wenig eigene Geldautomaten und lässt ihre Kunden Maschinen der Konkurrenz mitbenutzen. Die geringen Kosten übernimmt die ING. Mit jedem neuen Kunden steigen die Möglichkeiten, Kredite und Dienstleistungen zu verkaufen. Das will die Bank ausbauen.

Großer Marktanteil

Die zehn Millionen Kunden haben auf ihren ING-Konten 150 Milliarden Euro liegen. Aus der neuesten Bankenstatistik der Bundesbank ergibt sich, dass das rund 15 Prozent des Kundengeldes aller privaten Banken Deutschlands ist.

Das Privatkundengeschäft der ING ist allerdings nicht die Domäne der privaten Banken. Privatleute führen ihre Konten eher bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die 360 deutschen Sparkassen haben fünfmal, die 730 Genossenschaftsbanken dreieinhalbmal soviel Einlagen von Privatkunden wie die ING.

Trotz Problemen profitabel

Die ING ist mit 2,1 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern auffallend profitabel. Von jedem Euro, den sie verdient, gibt sie knapp 40 Cent für ihre Betriebskosten aus. Dass ist ein Spitzenwert, der nur durch moderne Technik und Verzicht auf Filialen erreicht werden kann. Für die Konkurrenz liegen in der amtlichen Bankenstatistik nur Werte von 2023 vor: Alle deutschen Geldinstitute mussten im Durchschnitt pro verdientem Euro 67 Cent für Kosten ausgeben.

Das Jahr 2024 ist nicht spurlos an der ING vorübergegangen. Einerseits leben Banken vom Zinsgeschäft: Im Prinzip zahlen sie Kunden, die Geld anlegen, niedrige Zinsen und kassieren von Kreditkunden höhere Zinsen. Vom Unterschied lebt die Bank. Da die Leitzinsen gesunken sind, ist dieser Unterschiedsbetrag unter Druck geraten. Das Zinsgeschäft lief für die ING um 150 Millionen Euro schlechter als im Jahr zuvor.

Künftig mehr Beratung

Andererseits leben Banken von Provisionen: Sie vermitteln ihren Kunden Wertpapiere, Fonds oder Immobilienfinanzierungen und bekommen dafür Provisionen. Dieses Geschäft ist bei der ING klein. Menschen, die Beratung brauchen, gehen nicht zu anonymen Direktbanken. Dennoch ist das ING-Provisionsgeschäft vergangenes Jahr um 90 Millionen Euro gestiegen.

Das bessere Provisionsgeschäft spiegelt die Versuche der Bank, mehr auf ihre Kunden einzugehen und nicht nur ein simples Discounterangebot zu bieten. Es gehe darum, Lücken im Angebot zu schließen. "Wir wollen die Bank nicht in eine Universalbank umbauen", sagte der neue Vorstandsvorsitzende Lars Stoy, "sondern wir wollen sie universaler aufstellen." Stoy ist seit Jahresanfang Chef der ING Deutschland. Zuvor leitete er das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank.

Das Geld muss weg

Zusätzliches, beratungsintensives Geschäft ist für eine Direktbank überlebenswichtig. Denn die 150 Milliarden Euro Kundengeld wollen gewinnbringend angelegt sein. Die ING hat mit ihren Privatkunden ein starkes Baufinanzierungsgeschäft. 96 Milliarden Euro wurden solide gesichert für Immobilien ausgezahlt.

Die Bauflaute hat sich in der ING- Klientel nicht gezeigt. Im Gegenteil, sagt Finanzvorständin Nurten Erdogan: "Es werden wieder mehr Immobilien gekauft." Zehn Milliarden Euro wurden für Konsumzwecke verliehen und 32 Milliarden Euro an Unternehmenskunden.

Unternehmen und Selbständige

Das Unternehmensgeschäft wurde in den vergangenen Jahren aufgebaut, um ein zweites Standbein zu schaffen. Die ING Deutschland betreue etwa 400 internationale und 300 deutsche Unternehmen. Es kommt offenbar nicht selten vor, dass Finanzchefs großer Unternehmen sich über ihre langweiligen Hausbanken ärgern und die ING anrufen. Jährlich kämen 30 bis 40 neue Unternehmenskunden dazu, berichtete Firmenkundenvorstand Eddy Henning.

Während die ING früher nur Privatkunden akzeptierte und später große Unternehmen, werden seit vergangenem Herbst auch Selbständige und Freiberufler intensiv umgarnt. Dass das Geschäft noch nicht richtig läuft, zeigt der karge und noch dazu gesunkene Kreditbestand in diesem Segment von 374 Millionen Euro. Derzeit hat die Bank 13.000 sogenannte "Businesskunden".

Bankchef Stoy erklärt, hier sehe die Bank "größtes Wachstumspotenzial". Das Angebot soll für weitere Kundengruppen geöffnet und um neue Dienste erweitert werden. "Wir machen keine Filialen auf, und wir wollen die Kunden nicht dauernd belatschern", versprach Stoy.