![Der Verkehr staut sich im Berufsverkehr am Morgen am Tunnel Heckenstallerstraße in München. | dpa Der Verkehr staut sich im Berufsverkehr am Morgen am Tunnel Heckenstallerstraße in München.](https://images.tagesschau.de/image/4ebaf64e-1488-49fa-92c7-4d050c430228/AAABlNYXur8/AAABkZLrr6A/original/stau-muenchen-110.jpg)
Staubilanz des ADAC Der tägliche Wahnsinn auf deutschen Straßen
Der ADAC hat 2024 mehr Staus auf deutschen Autobahnen gezählt. Baustellen bleiben weiter ein großes Problem. Sie zermürben Pendler und belasten die Industrie. Was könnte helfen?
"Hier ist natürlich immer sehr viel Verkehr", sagt Enrico Vollmer, während der junge Lkw-Fahrer auf die Straße blickt. Er steuert seinen großen Lkw täglich über Deutschlands Autobahnen. "Die ganzen Baustellen blockieren das ganze Treiben umso mehr", sagt er. Für die Spedition Krahwinkel aus Nordrhein-Westfalen fährt er Silos auf Baustellen aus. Enrico Vollmer spürt den Zeitdruck jeden Tag.
"Die Straßen werden immer voller und die Staus immer zäher. Es ist Arbeitszeit, auch wenn wir stehen. Da müssen wir uns dran halten und dürfen nicht überziehen." Für den Lkw-Fahrer aus Elsdorf ein Problem. "Die zahlreichen Baustellen, drängelnde Pkw-Fahrer und kaputte Brücken. Das ist für uns auf der Straße immer ein Glücksspiel, ob wir pünktlich beim Kunden sind."
516.000 Staus im vergangenen Jahr
Auf deutschen Autobahnen ging es 2024 häufig nicht voran. Die Anzahl der Staus ist gestiegen: In seiner Bilanz nennt der ADAC insgesamt 516.000 Staus, 2.000 mehr als im Vorjahr. Bundesweit bleibt Nordrhein-Westfalen laut ADAC mit großem Abstand Stauland Nummer eins. Ein Drittel aller Stauereignisse entfiel 2024 auf NRW. Dahinter folgen Bayern (17 Prozent) und Baden-Württemberg (neun Prozent). Auch bei den Staukilometern (31,5 Prozent) und Staustunden (34,6 Prozent) hatte Nordrhein-Westfalen unverändert den größten Anteil.
"Über Jahrzehnte wurde zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur investiert. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Der Sanierungsbedarf auf den Fernstraßen ist gewaltig", sagt Verkehrsexperte Roman Suthold vom ADAC. Im vergangenen Jahr befanden sich bis zu 66 Prozent der bundesweiten Autobahn-Baustellen in Nordrhein-Westfalen. Zum Vergleich: Nur circa 17 Prozent aller deutschen Autobahnkilometer liegen in NRW. "Pendler fahren oft von einer Baustelle in die nächste. NRW versinkt mehr und mehr im Stau", erklärt Suthold.
Der Stillstand kostet Geld
Das bestätigt auch Sven Krahwinkel aus Elsdorf. Jeder Stau kostet seine Fahrer nicht nur Nerven, sondern die Firma auch Geld, sagt der Geschäftsführer der Spedition. Das Familienunternehmen mit zehn Mitarbeitern sitzt mitten im Stauland Nordrhein-Westfalen. "Durch den Kölner Raum kannst du zum Beispiel nur nachts oder am späten Abend fahren, um den Stau zu umgehen. Das müssen wir alles planen. Das sind alles Kosten, die für uns entstehen", sagt Krahwinkel.
Er sitzt im Büro und blickt auf zwei große Monitore. Hier sieht er, wo die Fahrer im europäischen Ausland gerade unterwegs sind. "Ob in Frankreich oder Spanien, generell im nahen Ausland, da ist es nicht so schlimm mit dem Stau", sagt Krahwinkel. "Wenn wir im Ausland gute Fahrzeiten hinlegen, schaffen die Lkw 850 Kilometer am Tag ohne Stau. Bei uns müssen hier die Fahrer nach 500 Kilometer wieder reinholen, weil die Fahrtzeit zu Ende ist und sie nicht weiterfahren dürfen."
Baustellen lassen sich besser planen
Der ADAC fordert eine bessere Baustellenkoordination und effizientere Projektplanung. Die verstärkte Nutzung von Funktionsbauverträgen könnte ebenfalls eine spürbare Verbesserung bringen. Baustellen könnten schneller fertig gestellt werden, wenn verschiedene Bauabschnitte durch einen einzelnen Auftragnehmer ausgeführt werden, sagt Frank Schwewe, Leiter des WDR-Verkehrsstudios. Eine kürzere Baustellenzeit wäre für jeden Autofahrenden von Vorteil.
"Viele kennen das: Eine neue Baustelle ist eingerichtet, Fahrstreifen fallen weg oder werden verengt. Doch von tatsächlichen Bauarbeiten ist nichts zu sehen", sagt Schewe. Teils bleibe das über Tage oder Wochen so. "Ein Grund dafür kann die Aufgabenverteilung an verschiedene Firmen sein. Während Firma A bereits Zeit und Kapazitäten hat, um die notwendige Verkehrsführung einzurichten, ist Firma B, die mit den eigentlichen Bauarbeiten beauftragt wurde, noch anderweitig gebunden", so Schewe weiter. Verzögerungen an anderer Stelle verhinderten so den sofortigen Baustart.
Sanierungen müssen sein
Sanierungsmaßnahmen seien leider alternativlos, ergänzt der ADAC. "Bauzeit bleibt Stauzeit. Viel Geduld und starke Nerven brauchen Autofahrer leider auch in den kommenden Jahren", blickt Verkehrsexperte Suthold voraus. Und diese Geduldsprobe spüren viele auch schon jetzt, wie Spediteur Krahwinkel zeigt. Ein Fahrer hat mal wieder durch einen Stau bei München den Anschluss verpasst, wie man am Monitor sehen kann. Nun fährt der Fahrer mit dem Lkw ohne Ladung weiter.
"Durch den Stau fährt er jetzt Hunderte Kilometer leer ohne Ladung. Das bei einem Verbrauch von rund 30 Litern Diesel und den Mautgebühren. Das sind alles Kosten, die an uns hängen bleiben", sagt Krahwinkel. Gegen den täglichen Wahnsinn auf den deutschen Straßen wünscht er sich mehr Investitionen in Brücken, effizientere Baustellen und weniger Bürokratie. Denn noch mehr Stillstand könnten sie sich nicht leisten.