
Jugendberufsagenturen Mit gebündelter Hilfe zum Ausbildungsplatz
Viele Ausbildungsstellen sind unbesetzt, trotzdem ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch. Helfen sollen "Jugendberufsagenturen": Fachleute aus verschiedenen Bereichen beraten Jugendliche zentral an einem Ort.
"Jeder Tag in der Ausbildung ist abwechslungsreich", schwärmt Anna-Lena Brei. "Im Moment bin ich im Einkauf eingesetzt. Dort geht es um Lieferantenmanagement, Angebotsvergleiche und um den Einkauf von Dienstleistungen oder Gütern."
Die 19-Jährige hat ihren Traumjob gefunden und durchläuft ihre Ausbildung zur Industriekauffrau in Bielefeld bei der Dr. Kurt Wolff GmbH & Co. KG, einem großen Unternehmen für Arzneimittel und Kosmetik. "Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, eine passende Stelle zu finden, da ich noch nicht wirklich wusste, was ich nach dem Abitur machen möchte."
Geholfen hat ihr die "Bielefelder Nacht der Berufe": Zahlreiche Unternehmen öffnen ihre Türen und Azubis berichten aus ihrem Alltag. "Die Möglichkeit, direkt mit den aktuellen Auszubildenden zu sprechen, hat mir geholfen zu verstehen welche Perspektiven eine Ausbildung bei der Dr. Wolff Gruppe bietet", sagt Anna-Lena Brei.
Verschiedene Fachleute an einem Ort
Ehrliche Meinungen, Austausch mit Gleichaltrigen, Empfehlungen von Fachleuten: All diese Punkte haben Anna-Lena Brei den Weg zum passenden Ausbildungsplatz erleichtert. Organisiert hatte das die Bielefelder Jugendberufsagentur - ein Zusammenschluss verschiedener Akteure aus Jugendarbeit und Arbeitswelt. Jeder Mitarbeiter der Agentur hat andere Schwerpunkte, so dass sie sich gegenseitig unterstützen und ergänzen können, darunter Sozialarbeiter, Pädagogen, Karrierecoach oder Suchtberater.
Frank Neises forscht in Bonn am Bundesinstitut für Berufsbildung zu Jugendberufsagenturen und der Ausbildungsbegleitung. "Jugendberufsagenturen sollen vor Ort in den Kommunen eine zentrale Anlaufstelle für alle Anliegen und Themen der jungen Menschen am Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf bieten", sagt Neises.
Die Agenturen sind keine neuen Behörden, sondern Kooperationsbündnisse: Die beteiligten Partner Agentur für Arbeit, Jobcenter, Jugendhilfe und Schulen bilden eine Verantwortungsgemeinschaft für die Beratung und Unterstützung. Wichtig sei, so Neises, dass so die Bedürfnisse der Jugendlichen in den Mittelpunkt gerückt würden. Bundesweit gibt es 366 solcher Jugendberufsagenturen.
Bestmögliches Angebot für Jugendliche
"Es geht darum, zunächst alle jungen Menschen zu erreichen und jedem von ihnen das bestmögliche Angebot für den Übergang zu unterbreiten." Diese Orte helfen und sind nötig, erklärt der Ausbildungsforscher. "Wir müssen junge Menschen zu beruflichen Qualifizierungen und Abschlüssen führen, um ungenutzte Potenziale zu erschließen", sagt Neises.
Dies sei volkswirtschaftlich geboten, aber auch für die persönliche Perspektive der Jugendlichen wichtig. Am Übergang von der Schule in den Beruf ist es für junge Menschen eine Herausforderung aus der Vielzahl an Möglichkeiten und Angeboten, die für sie richtigen auszuwählen.
Mehr als 19 Prozent der 20- bis 34-Jährigen verfügen über keine Berufsausbildung oder andere Qualifizierung - und das, obwohl überall händeringend Fachkräfte gesucht werden. "Das können wir uns schlicht nicht mehr leisten," sagt Frank Neises. Deswegen müsste jeder einzelne Jugendliche individuell gefördert und gezielt beraten werden.
Mittel gegen Orientierungslosigkeit
Beispiel Dortmund. Die Jugendarbeitslosigkeit dort liegt bei 9,3 Prozent: eine Zahl, die Dirk Engelsking unbedingt senken will. Er ist in Dortmund Bereichsleiter bei der Agentur für Arbeit. Hier haben sie eine erfolgreiche Jugendberufsagentur. Hier sind unterschiedliche Anlaufstellen unter einem Dach, so dass Probleme auch mal einfach "über den Flur" gelöst werden können, so Engelsking.
"Die Erwartungen der jungen Generation haben sich gewandelt, sie kommt mit konkreten Vorstellungen ihrer Lebens- und Arbeitswelt auf die Unternehmen zu. Sie haben genaue Vorstellungen davon, wie Ausbildung, Arbeit, Gesundheit und privates Leben miteinander verzahnt sein sollen", sagt er. Heute müsse außerdem die Beratung an ganz anderen Stellen ansetzen als noch vor einigen Jahren.
Auch psychosoziale Beratung nötig
So muss mancher wegen psychosozialer Schwierigkeiten aufgefangen und beraten werden. "Standardformate wie Berufsorientierung in Gruppenformaten greifen bei Jugendlichen mit multiplen Herausforderungen kaum", sagt Engelsking. Jährlich werden in Dortmund rund 25.000 junge Menschen betreut. "Wir treffen auf oftmals desorientierte junge Menschen, denen es schwerfällt tragfähige Zukunftsentscheidungen zu treffen. Uns muss es gelingen, die jungen Menschen in ihrer Lebenswelt aufzugreifen und als begleitender Coach zur Seite zu stehen."
Vernetztes Wissen und viel Erfahrung bei den Jugendberufsagenturen, das hat auch Anna-Lena Brei aus Bielefeld geholfen. "Meiner Meinung nach sollten Unternehmen junge Menschen auch durch authentische und transparente Kommunikation ansprechen." Praktische Einblicke - wie durch die Jugendberufsagentur - seien dann hilfreich, um das Interesse von jungen Menschen zu wecken. "Meine Ausbildung hat mir gezeigt, wie vielfältig mein Karriereweg sein kann. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt Anna-Lena Brei.