Bundestagswahl 2025

Die Tasche von Olaf Scholz liegt auf dem Kanzlersessel der Regierungsbank.
analyse

Optionen nach der Wahl Welche Koalitionen denkbar sind

Stand: 14.02.2025 10:28 Uhr

Wenige Tage vor der Wahl gibt es in Umfragen bei den ersten beiden Plätzen wenig Bewegung. Interessant wird es im Bereich der Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde liegen. Was bedeutet das für mögliche Koalitionen?

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Olaf Scholz schafft es derzeit, seine Gesprächspartner mit seinem stabil zur Schau getragenen Optimismus auf eine zweite Kanzlerschaft doch noch zu überraschen. Dem Journalisten Markus Feldenkirchen sagte er gerade, er schätze die Wahrscheinlichkeit für eine nächste Kanzlerschaft auf "ich würde mal sagen, sechzig Prozent".

Dabei hört man von Wahlforschenden schon länger, das Rennen um die ersten beiden Plätze sei gelaufen - die SPD landet stabil auf dem dritten Platz nach AfD und Union. Anders als bei der Bundestagswahl 2021, als sich SPD und Union auf den letzten Metern einen Wettlauf um Platz Eins lieferten - und sich das Blatt Richtung Scholz wendete. Daraus speist er seinen Optimismus, so begründet er das stets: Die Entscheidung falle an der Wahlurne, nicht vorher.

Wer kommt über die Fünf-Prozent-Hürde?

Doch dass sich die Wahlforschung in so großem Umfang täuscht, ist unwahrscheinlich. Die Werte der SPD müssten sich gemäß dem ARD-DeutschlandTrend verdoppeln: Eine unionsgeführte Bundesregierung präferiert knapp ein Drittel (35 Prozent), während 17 Prozent ein abermals SPD-geführtes Kabinett, weitere elf Prozent eine Regierung unter AfD - und neun Prozent unter Grünen-Führung unterstützen.

Spannend wird es im Bereich der in Umfragen kleineren Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde hängen. Dass es mit FDP, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Linke aktuell gleich drei Parteien sind, sei eine Besonderheit dieses Bundestagswahlkampfs, sagt Wahlforscher Stefan Merz von infratest dimap. Ob diese in den Bundestag einziehen können, beeinflusst die Schwelle für die absolute Mehrheit und damit die Koalitionsoptionen.

Scholz könnte nur in einer Vielparteien-Koalition Kanzler bleiben

Dabei gäbe es nur ein einziges Szenario, in dem Scholz Kanzler bleiben könnte - eine bunte Vielparteien-Koalition. Es ist jedoch das unwahrscheinlichste von allen: Dabei müssten Union und AfD jeweils etwa drei Prozent bei der Wahl gegenüber den Vorwahlumfragen verlieren, Grüne und SPD noch zulegen und die Linkspartei sowie das neu gegründete BSW den Sprung ins Parlament schaffen.

Aktuell sind die Werte der Linkspartei auf sechs Prozent gestiegen, sodass diese mit dem Wiedereinzug rechnet - aber eher in der Oppositionsrolle. Denn praktisch sind die inhaltlichen Differenzen zwischen den vier Parteien zu groß. "Kaum vorstellbar" hatte Scholz selbst im Dezember eine Koalition mit dem BSW auf Bundesebene mit Blick auf die Positionen in der Ukraine-Politik genannt.

Vier Prozent Verlust gegenüber der letzten Umfrage vor der Wahl wies die Union 2017 im Wahlergebnis auf - sie landete bei 32,9 statt abgefragten 37 Prozent. Scholz-Herausforderer Friedrich Merz wird nicht nur deshalb ein Interesse daran haben, dass die kleineren Parteien unter fünf Prozent bleiben.

Mehrheitsschwelle kann sinken

Denn damit sinkt auch die Schwelle für eine absolute Mehrheit: Würden FDP, Linke und BSW jeweils bei 4,9 Prozent landen, würden fast 15 Prozent der Wählerstimmen fehlen. Hinzu kämen etwa 4,5 Prozent für Kleinparteien wie Volt. So würden fast zwanzig Prozent im Bundestag fehlen - eine Mehrheit wäre dann schon bei knapp mehr als 40 Prozent erreicht. Für die Union würde damit die Chance auf ein einfacher zu regierendes Zweier-Bündnis steigen - nach aktuellem Stand mit SPD oder Grünen.

Für Schwarz-Gelb wird es den Wahlumfragen zufolge nicht reichen. Nicht nur deswegen sagte Merz kürzlich, vier Prozent seien vier Prozent zu viel für die FDP. Hinzu kommt, dass ein Ergebnis von deutlich unter dreißig Prozent ihn unionsintern schwächen würden.

Alle im Bundestag vertretenen Parteien und Gruppen haben eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Deshalb sind diese Koalitionen denkbar:

Schwarz-Rot

Die Große Koalition steht in der Berliner Republik für Kompromisspolitik der politischen Mitte, geprägt durch CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dass Olaf Scholz in eine solche Regierung als Vizekanzler und Minister nach seiner Kanzlerschaft nochmals eintreten würde, darf bezweifelt werden.

Schwarz-Gelb

Für beide Partner wäre es die Wunschkoalition, politisch sind die Wahlprogramme der beiden kompatibel. Der ARD-DeutschlandTrend sieht im Umfrageergebnis der Wählenden jedoch keine realistische Chance für das Bündnis.

Schwarz-Grün

Auch wenn es das erste Mal auf Bundesebene für eine solche Koalition wäre und die CSU zumindest lautstark gegen die Grünen wettert, gilt sie im politischen Berlin als realisierbar. Beide Parteien regieren in drei Bundesländern geräuschlos miteinander, in Baden-Württemberg sogar mit den Grünen an der Spitze.

Schwarz-Rot-Grün

Falls es für eine Zweier-Koalition unter Unionsführung nicht reicht, wäre diese Koalition aus CDU/CSU und Rot-Grün oder Grün-Rot denkbar. Sie würde ein höheres Maß an Kompromissfähigkeit von der Union verlangen, da hier nach aktuellem Umfragestand zwei nahezu gleichstarke Lager miteinander regieren würden.

Schwarz-Rot-Gelb

Auch dieses Bündnis ist denkbar, selbst wenn aus der gescheiterten Ampelkoalition Reibungs- und Vertrauensverluste zwischen SPD und FDP bestehen. Nach den Zahlen des ARD-DeutschlandTrends wäre die FDP allerdings nicht verfügbar, da sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.

Schwarz-Grün-Gelb

Die FDP unter Führung von Christian Lindner hat eine erneute Koalition mit den Grünen als "nicht vorstellbar" nahezu ausgeschlossen. Politisch lagen FDP und Grüne in der Ampelkoalition häufig weit auseinander - diese Konstellation dürfte deshalb wesentlich unwahrscheinlicher sein als die Große Koalition zwischen Union und SPD.

Rot-Grün-Rot

Zwar erfährt die bereits totgesagte Linkspartei derzeit Aufwind und schafft möglicherweise auch den Wiedereinzug ins Parlament. Für ein rot-rot-grünes Bündnis dürfte es dennoch nicht reichen - die Umfragewerte sprechen deutlich dagegen. "Da müssten schon alle noch Unentschlossenen links wählen. Das ist bei einem Wahlkampf, der sich um Migrations- und Sicherheitsthemen dreht, jedoch nicht zu erwarten", sagt Wahlforscher Lukas Stötzer.

Rot-Grün-Rot-BSW

Eine solche Koalition ist rechnerisch die unwahrscheinlichste, aber auch programmatisch: Die Parteien haben starke inhaltliche Differenzen - außenpolitisch vor allem das BSW mit Grünen und SPD, aber auch Linkspartei mit dem BSW. Letzteres hatte sich 2024 von der Linkspartei unter der Führung von Sahra Wagenknecht abgespalten. Formal ausgeschlossen hat jedoch keine der Parteien ein solches Bündnis.

Mit Informationen von Kerstin Palzer, ARD-Hauptstadtstudio

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. Februar 2025 um 10:11 Uhr.