Tausende Menschen schwenken türkische Fahnen bei einem Protest in Istanbul.

Proteste nach İmamoğlu-Festnahme Mehr als 100 Studierende in der Türkei kommen frei

Stand: 10.04.2025 18:38 Uhr

Nach den Massenprotesten in der Türkei sollen fast 2.000 Menschen festgenommen worden sein. Ein Gericht ordnete nun die Freilassung einiger Studenten an. Parallel wurden zwei weitere regierungskritische Journalisten festgenommen.

Zwei Gerichte in Istanbul haben die Freilassung von mindestens 102 festgenommenen Studierenden nach Hinterlegung einer Kaution angeordnet. Vielen von ihnen schreiben bald Klausuren. Ein Gericht berücksichtigte ihre bereits im Gefängnis verbüßte Zeit, zudem schätzte es das Fluchtrisiko als gering ein. Ein anderes Gericht ließ 25 weitere Menschen unter der Bedingung frei, dass sie sich regelmäßig bei der Polizei melden müssten.

Die Menschen wurden nach nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu in Gewahrsam genommen. Er war am 19. März festgenommen worden. Später ordnete ein Gericht Untersuchungshaft wegen Korruptionsvorwürfen an. İmamoğlu, der ein wichtiger innenpolitischer Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist, weist die Vorwürfe zurück.

İmamoğlu muss sich am Freitag in zwei Prozessen vor Gericht verantworten. In einem Verfahren geht es um Betrugsvorwürfe bei Ausschreibungen in seiner Zeit als Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü. In einem weiteren Prozess wird er der Bedrohung eines Staatsanwalts beschuldigt. Die Verfahren haben allerdings nichts mit der jüngsten Festnahme am 19. März zu tun.

Das Vorgehen gegen den populären Oppositionspolitiker löste die größte Protestwelle in der Türkei seit 2013 aus. Nach Angaben der Behörden vom 27. März wurden landesweit 1.879 Menschen festgenommen. Die Behörden der drei Großstädte Istanbul, Ankara und Izmir hatten nach der Festnahme İmamoğlus Demonstrationen zunächst verboten.

Zwei regierungskritische Journalisten festgenommen

Unterdessen wurden zwei Investigativjournalisten festgenommen. Nach Angaben ihrer Zeitungen hatten sie zur Verhaftung İmamoğlus recherchiert. Wie die Generalstaatsanwaltschaft von Istanbul mitteilte, wurden die Wohnungen von Timur Soykan und Murat Ağırel durchsucht. Die Journalisten seien wegen "Drohungen" und "Erpressung" im Zuge von Ermittlungen zum Verkauf eines Fernsehsenders festgenommen worden.

Die oppositionellen Zeitungen Birgün und Cumhuriyet, für die die beiden Journalisten arbeiten, verurteilten die Festnahmen. In Wahrheit seien die Journalisten wegen ihrer Recherchen zur Verhaftung İmamoğlus festgesetzt worden. Ähnlich äußerte sich die Organisation "Reporter ohne Grenzen". Soykan und Ağırel hätten kürzlich in einem YouTube-Format Vorwürfe erhoben, dass es bei den Ermittlungen gegen İmamoğlu und andere Bürgermeister der größten Oppositionspartei CHP Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Kritische Journalisten im Visier der Regierung

Soykan und Ağırel sind in der Türkei für ihre investigativen Recherchen bekannt. Sie arbeiten auch für den Nachrichtensender Halk TV, der Präsident Erdoğan kritisch gegenübersteht. In mehreren Büchern haben sie zudem über mutmaßliche Beziehungen zwischen der Mafia und staatlichen Institutionen geschrieben. Sie waren bereits in der Vergangenheit wegen ihrer Berichterstattung ins Visier der Justiz geraten.

Seit Beginn der Proteste wurden mindestens 13 Journalisten festgenommen - darunter auch ein schwedischer Journalist. Er sieht sich unter anderem Terrorvorwürfen ausgesetzt.