Ein Demonstrant hält eine türkische Flagge, während Bereitschaftspolizisten während einer Demonstration gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu vor dem Caglayan-Gerichtsgebäude in Istanbul Wache stehen. (Archivbild vom am 23. März 2025)

Protest gegen Erdoğan Die CHP will weiter kämpfen

Stand: 09.04.2025 10:21 Uhr

In der Türkei will die CHP heute erneut gegen die Inhaftierung İmamoğlus demonstrieren - trotz der Festnahmen der vergangenen Tage. 800 Menschen wurden inzwischen angeklagt. Wie steht es um den Widerstand gegen Erdoğan?

Die Protestwelle in der Türkei soll weiterrollen - so will es die CHP mit ihrem Chef Özgür Özel. Auch für diesen Mittwoch ruft die CHP zu einer Kundgebung auf.

Denn seit der Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu gehe es um das große Ganze, sagt Özel: die Demokratie. "In der Türkei herrscht eine große Gesetzlosigkeit. Das Land ist gespalten in diejenigen, die für Autokratie sind, und diejenigen, die für Demokratie sind."

Druck auf Erdoğan

Ende März hat die CHP Hunderttausende Demonstrierende mobilisiert. Viele Millionen Menschen sollen jetzt eine Petition für vorgezogene Neuwahlen unterschreiben - mit einem Kandidaten İmamoğlu. Vorerst also soll der Druck auf die Regierung weiter wachsen - auch durch verschiedene Boykottaufrufe. Die Hoffnung ist, dass sie die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan empfindlich treffen.

Doch Erdoğan hält dagegen und verteufelt die CHP: "Die Türkei hat in den letzten drei Wochen wieder einmal das faschistische Gesicht der CHP gesehen", so der Präsident. "Die Demonstrationen, die unter dem Vorwand des Protests begannen, entwickelten sich mit den unbedachten Äußerungen des CHP-Vorsitzenden zu einem Rundumschlag gegen den Frieden unseres Landes und gegen die türkische Wirtschaft."

Berichte über Gewalt an Festgenommenen

In Teilen der Gesellschaft rumort es, aber aus anderen Gründen. Die Empörung über Berichte von Misshandlungen von Festgenommen in Polizeigewahrsam ist groß. Kommende Woche soll mehr als 100 von ihnen der Prozess gemacht werden.

Dass sie überhaupt festgehalten werden, ist in den Augen der CHP ungerecht. Doch wenn es Fehlverhalten einzelner Polizisten gegeben haben sollte, so Erdoğans Justizminister Yilmaz Tunc, werde das untersucht. Und ansonsten müsse man der Justiz vertrauen. "Wir haben keine Befugnis, in die Justiz einzugreifen und zu sagen: 'Verhaftet diese Leute, lasst jene frei', sagt der Minister. "Die Justizbehörden sind unabhängig. Sie werden ihre eigenen Entscheidungen treffen."

Erdoğan in der Zwickmühle?

An diese beschworene "Unabhängigkeit" glauben in der Türkei immer weniger Menschen. Ob es damit automatisch immer mehr werden, die sich an den Demonstrationen für İmamoğlu und gegen die Regierung beteiligen, ist nicht sicher. Einige könnten abgeschreckt worden sein durch Festnahmen und Polizeigewalt.

Anderen gilt es als sicher, dass Erdoğan und mit ihm seine AKP am Ende verlieren. "İmamoğlu ist nicht so wie die. Egal ob er drinnen oder draußen ist: Er wird Präsident", sagt ein Mann aus Trabzon am Schwarzen Meer im Sender Halk TV. "Es gibt keinen anderen Ausweg. Je länger er eingesperrt ist, desto mehr Stimmen verliert die AKP."

Wenn das stimmt, wäre es für die Regierung Erdoğan eine Zwickmühle - nämlich ein rascher "politischer Tod" oder einer auf Raten. Oder aber der Protest fällt nach und nach in sich zusammen. Ein Anzeichen dafür, was passieren wird, ist die Zahl der Demonstrierenden - zuerst heute Abend im Istanbuler Stadtteil Sisli.