Özgur Özel bei einer CHP-Großkundgebung für Ekrem İmamoğlu (Archivbild: 29. März)

Nach Festnahme İmamoğlus CHP kommt zu Sonderparteitag zusammen

Stand: 06.04.2025 10:06 Uhr

Knapp drei Wochen nach der Festnahme von Ekrem İmamoğlu kommt dessen Partei CHP zu einem außerordentlichen Parteitag zusammen. Sie will den Parteivorstand neu wählen - und sich so vor Attacken der Regierung schützen.

Parteichef Özel hatte den Sonderparteitag kurzfristig anberaumt - nur zwei Tage nach der Festnahme von Istanbuls mittlerweile abgesetztem Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu. Er wolle verhindern, dass die türkische Regierung an der Spitze seiner CHP-Partei, der größten Oppositionspartei im Land, einen Treuhänder einsetzen könnte.

Entsprechende Gerüchte hatten die Runde gemacht, nachdem die Generalstaatsanwaltschaften in Ankara und Istanbul Ermittlungen aufgenommen hatten: Die Wahl Özels zum Vorsitzenden beim letzten Parteikongress 2023 sei unregelmäßig abgelaufen. Von gekauften Stimmen ist die Rede. Belege für die Vorwürfe sind nicht öffentlich.

Özels Kalkül hinter dem eilig anberaumten Parteitag ist aufgegangen, sagt der Istanbuler Politikanalyst Suat Özçelebi dem ARD-Studio Istanbul. "Ein Treuhänder für die Partei wurde vorerst verhindert. Auch die Erwartung der Regierung, dass die internen Konflikte bei der CHP jetzt zunehmen, hat sich nicht erfüllt."

Partei tritt geschlossen auf

Kemal Kılıçdaroğlu, einst Parteivorsitzender und unterlegener Präsidentschaftskandidat der CHP gegen Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan, hatte lange offen gelassen, ob er nochmal zur Wahl des Parteichefs antreten würde. Vor wenigen Tagen dann die Absage: Er wolle nicht zu innerparteilichen Konflikten beitragen.

So ist davon auszugehen, dass die Partei Geschlossenheit demonstrieren kann und Özgür Özel ohne Gegenkandidaten im Amt bestätigt wird. Özel gilt als eine der wichtigsten Figuren für die Massenproteste der letzten Wochen. Bereits am Tag der Festnahme İmamoğlus hatte er trotz Versammlungsverboten zu Protesten auf den Straßen aufgerufen. Für viele ein mutiger Schritt.

Parteichef Özel wichtiger Kopf hinter Massenprotesten

Doch er zahlte sich aus: Zu den Kundgebungen vor dem Istanbuler Rathaus kamen Hunderttausende. In vielen Städten landesweit protestierten Menschen. Hunderttausende kamen auch zur CHP-Großkundgebung in Maltepe vergangenen Sonntag, die Partei spricht sogar von 2,2 Millionen. Die massiven Proteste gelten als ein Grund dafür, dass die AKP-Regierung keinen Zwangsverwalter für die 16-Millionen-Metropole Istanbul eingesetzt hat. Ein Erfolg für Özel.

Auch, dass die Partei İmamoğlu trotz Haft zum Präsidentschaftskandidaten gewählt hat, war ein Erfolg für den Parteichef. An der von ihm erfundenen zusätzlich aufgestellten "Solidaritätsurne" für Nicht-Parteimitglieder gaben 15 Millionen Menschen symbolisch ihre Stimme für İmamoğlu ab - ein starkes Zeichen für Demokratie in der Türkei.

Wie weiter für die CHP?

Nach der Großkundgebung in Maltepe kamen die Bayram-Feiertage, seitdem hat die Türkei keine Demonstrationen mehr gesehen. Wie es jetzt weitergeht, könne für die CHP entscheidend sein, sagt Politikanalyst Özçelebi. Die Partei fordert vorgezogene Neuwahlen mit İmamoğlu als ihrem Kandidaten.

"Dazu wird die Regierung wohl nicht bereit sein. Die Opposition muss in dieser Frage Druck ausüben und große Teile der Gesellschaft hinter diese Forderung bringen. Dann könnte es ihr doch gelingen, vorgezogene Neuwahlen zu erreichen. Für den Fall, dass İmamoğlu nicht nominiert werden kann, könnte Özel kandidieren", so Özçelebi.

"Gesellschaftliche Opposition einbeziehen"

Für viele Beobachter ist entscheidend, ob die CHP es dauerhaft schafft, auch die vielen jungen Protestierenden zu erreichen. Die Studierenden organisierten zuletzt häufiger eigene Demonstrationen statt zu den Kundgebungen der CHP zu gehen.

"Vor allem den jungen Menschen sollte die CHP-Partei jetzt zeigen, dass der Widerstand gegen die Regierung kontinuierlich weitergeht. Und zwar nicht nur im Sinne der politischen Freiheit für Ekrem İmamoğlu", sagt Özçelebi. Die CHP müsse auch die Grundrechte und Freiheiten der Bürger in der Türkei in den Fokus nehmen. "Ziel muss der Schutz des Rechtsstaats und der Demokratie sein, und dafür muss die CHP die gesellschaftliche Opposition auf allen Ebenen in den Prozess einbeziehen."

CHP-Chef Özel könnte das verstanden haben. Boykattaufrufe gegen regierungsnahe Unternehmen, die zuerst bei Social Media unter Studierenden kursierten, hat er kurzerhand aufgegriffen und sie so einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Politikanalyst Özçelebi vermutet, dass Özel aus dem Parteitag gestärkt hervorgehen wird. Dass die juristischen Attacken auf ihn und seine Partei aufhören, glaubt Özçelebi jedoch nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06. April 2025 um 09:08 Uhr.