Emmanuel Macron

Macrons Vorstoß Ein Nuklear-Angebot mit vielen offenen Fragen

Stand: 06.03.2025 03:35 Uhr

Frankreichs Präsident Macron hat erneut für höhere Militärausgaben geworben. Und er wiederholte sein Angebot, über eine Ausweitung der nuklearen Abschreckung zu diskutieren. Die Debatte darüber dürfte aber komplex werden - und kontrovers.

"In einer Welt der Gefahr nur Zuschauer zu bleiben, wäre verrückt": So hat es Emmanuel Macron in seiner Fernsehansprache ausgedrückt. Und für Frankreichs Präsidenten ist klar, wer in dieser Welt die größte Gefahr darstellt: "Jenseits der Ukraine ist die russische Bedrohung da und betrifft die Länder Europas. Das Russland von Präsident Putin verletzt unsere Grenzen, um Oppositionelle zu ermorden. Es versucht unseren öffentlichen Diskurs durch Lügen in den sozialen Medien zu beeinflussen." 

Dagegen müsse Europa sich wappnen, appelliert Macron - und eigenständiger werden, was die Verteidigungspolitik angeht. Umso mehr, als die USA unter Donald Trump nicht mehr bereit sind, Europas Sicherheit zu garantieren. Er hoffe, dass die USA an der Seite Europas bleiben, sagt Macron. Doch man müsse bereit sein, falls es anders kommt. 

Entscheidende Schritte beim geplanten EU-Sondergipfel in Brüssel

Die geplanten Schritte beim EU-Sondergipfel in Brüssel hält Macron für entscheidend. Etwa die Möglichkeit, bei Verteidigungsausgaben von den europäischen Defizitregeln abzuweichen. Oder geplante Investitionen in Militärequipment "made in Europe".

In Sachen europäische Verteidigung unterstrich Macron einmal mehr Frankreichs Sonderrolle und Führungsanspruch - als einziges EU-Land, das über Atomwaffen verfügt. Dabei ging der Präsident auf die jüngsten Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz ein: "Als Antwort auf das historische Signal des künftigen deutschen Bundeskanzlers habe ich entschieden, einen strategischen Dialog zu eröffnen, wie unsere Kapazitäten zur nuklearen Abschreckung auch unsere europäischen Verbündeten schützen können."

Französische Nukleardoktrin mit europäischer Dimension

Macron hat schon öfter angeboten, Frankreichs nukleare Abschreckungskapazitäten auch anderen Ländern in Europa zur Verfügung zu stellen. Diese mögliche europäische Ausweitung der nuklearen Abschreckung wirft aber viele Fragen auf, sowohl politisch als auch praktisch.

Frankreichs Atomwaffen sollen die "vitalen Interessen der Nation" schützen, so legt es die französische Nukleardoktrin fest. Emmanuel Macron hatte in einer Grundsatzrede 2020 betont, dass diese "vitalen Interessen" auch eine europäische Dimension haben. Was genau das heißt und bis wohin diese "europäische Dimension" geografisch reichen würde, bleibt allerdings vage - und das bewusst.

Denkbar wären unter Macrons Vorschlag etwa gemeinsame Übungen der Abschreckungsstreitkräfte mit europäischen Partnern. Die Entscheidungskompetenz werde aber in französischer Hand bleiben: Nur der Präsident darf über einen möglichen Einsatz der Atomwaffen entscheiden.

Nukleare Teilhabe vs. Nationale Souveränität

Die nukleare Abschreckung ist ein elementarer Bestandteil der Souveränität Frankreichs, das die Kontrolle darüber unter keinen Umständen teilen will. Innenpolitisch gibt es aber Streit darüber, ab wann der Souveränitätsverlust beginnt. Marine Le Pen, die Fraktionschefin des rechtsnationalen Rassemblement National, lehnt jede Form einer möglichen "Europäisierung" ab.

Das Teilen der nuklearen Abschreckung bedeute deren Abschaffung, sagte Le Pen Anfang der Woche in der Nationalversammlung: "Unsere Atomstreitkräfte sind unser höchstes Gut an Souveränität, bei dem es keine Kompromisse gibt. Atomare Abschreckung ist allein national legitimiert und nur wirksam, wenn man einen potentiellen Angreifer im Unklaren lässt."

Daneben gibt es ganz praktische Probleme. Frankeich hat nach Angaben der Federation of American Scientists knapp 300 Atomsprengköpfe, die USA dagegen gut 5.000. Außerdem verfügt Frankreich nicht über taktische Atomwaffen: Das sind, vereinfacht ausgedrückt, kleinere Flugkörper, die ähnlich wie konventionelle Waffen eingesetzt werden können. Ein französischer Nuklearschirm für Europa hätte also - zumindest kurz- und mittelfristig - bei Weitem nicht die gleiche Wirkmacht, wie der amerikanische sie bisher hatte.

Macron fordert haushaltspolitische Entscheidungen

Neben der möglichen Ausweitung von Frankreichs nuklearer Abschreckung auf Europa könnte aber noch ein weiteres Thema innenpolitisch für Diskussionen sorgen: Nämlich die höheren Verteidigungsausgaben, die der Präsident fordert. 

Angesichts der Bedrohungen werde Frankreich haushaltspolitische Entscheidungen treffen müssen, sagte Macron in der Ansprache. Höhere Investitionen in Verteidigung seien unausweichlich. Er habe die Regierung beauftragt, so schnell wie möglich daran zu arbeiten: "Diese neuen Investitionen brauchen privates und auch öffentliches Kapital, aber ohne Steuern zu erhöhen. Dafür werden Reformen, Entscheidungen und Mut nötig sein."

Ob darüber in Frankreich ein politischer Konsens gelingt, ist alles andere als sicher, vor allem, wenn etwa Sozialausgaben zusammengekürzt würden. Insofern kann man Macrons Rede auch als eine Art Einstimmung betrachten: auf lange und wahrscheinlich kontroverse Debatten.

Carolin Dylla, ARD Paris, tagesschau, 06.03.2025 06:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 05. März 2025 um 22:15 Uhr.