Mohammed bin Salman

Zahl der Todesstrafen steigt Fast jeden Tag eine Hinrichtung in Saudi-Arabien

Stand: 08.04.2025 07:06 Uhr

Saudi-Arabien will als weltoffen wahrgenommen werden und seinen internationalen Einfluss steigern. Doch ein Bericht von Amnesty International zeigt: Die Zahl der Hinrichtungen dort hat sich nahezu verdoppelt.

"Ich bin in unerforschten Gegenden gelandet - habe Dinge gesehen, die du nicht glauben würdest": Die saudische Tourismusbehörde wirbt mit betörend schönen Bildern von Naturwundern und archäologischen Stätten im Königreich. Das Land hat sich für Touristen geöffnet und gibt den Gastgeber für politische Verhandlungen, Kino-Festivals und internationale Sport-Events.

Für Julia Duchrow ist das Augenwischerei. Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International sagt: "Das Image, das sich Saudi-Arabien gibt, entspricht nicht der Realität."

Duchrow argumentiert mit Zahlen. 2024 wurden in Saudi-Arabien 345 Menschen hingerichtet - fast jeden Tag einer und doppelt so viele wie 2023.

Noch nie hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty in ihrem jährlichen Bericht zur Todesstrafe eine so hohe Zahl an vollstreckten Todesurteilen in Saudi-Arabien dokumentiert.

"Ein falsches Versprechen"

Dieser Negativrekord empört auch Taha al-Haji. Der saudische Menschenrechtsanwalt lebt in Berlin und kritisiert seit Jahren die Hinrichtungspraxis in seinem Heimatland.

Diese Zahlen sind historisch und beispiellos. Sie widersprechen den Versprechen von Kronprinz Mohammed bin Salman. Er hatte angekündigt, die Hinrichtungen auf Mordfälle zu beschränken. Doch die Zahlen entlarven diese Versprechen als falsch.

Unscharfe Vorwürfe, unfaire Prozesse

Nach Angaben von Amnesty waren rund 40 Prozent der Hingerichteten wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden. Die genauen Vorwürfe seien häufig unscharf, die Prozesse unfair.

"Es werden Geständnisse genutzt, die durch Folter erpresst wurden. Es sind 'incommunicado-Inhaftierungen', in U-Haft kein Zugang zur Familie, kein Zugang zum Anwalt. Insofern sind das Entscheidungen und Urteile, die auf grob unfairen Vorgaben getroffen wurden, insofern muss man sagen, mutmaßlich aufgrund von Drogendelikten."

Weitere Todesurteile träfen "Terroristen", oder solche, die in Saudi-Arabien dafür gehalten werden - hier verfahre die Justiz sehr willkürlich, kritisiert Anwalt al-Haji:

Es sind zum Teil politische Anklagen - wegen der Teilnahme an Demonstrationen, Hochverrats und der Aufwiegelung der öffentlichen Meinung. Darüber hinaus wurden Todesurteile gegen Personen aufgrund ihrer politischen Ansichten oder Kommentare in sozialen Medien verhängt.

Vor allem in Nahost mehr Todesurteile

Im Jahresbericht zur Todesstrafe schreibt Amnesty, dass im vergangenen Jahr weltweit so viele Hinrichtungen vollzogen wurden wie zuletzt 2015. Für den Zuwachs sind hauptsächlich Staaten im Nahen und Mittleren Osten verantwortlich: neben Saudi-Arabien vor allem Iran und Irak. Aber auch in Jemen und in Ägypten wurden 2024 mehr Menschen hingerichtet als ein Jahr zuvor.

Weltweit sieht die Menschenrechtsorganisation auch einen positiven Trend - es waren insgesamt nur noch 15 Staaten, die die Todesstrafe vollzogen haben. Amnesty spricht von einer "isolierten Minderheit".

Kritik verhallt häufig

Allerdings haben die letzten Jahre und Monate gezeigt: Saudi-Arabien ist weltweit alles andere als isoliert, trotz der schlechten Menschenrechtsbilanz. Das gesteht Julia Duchrow auch indirekt ein, wenn sie sagt:

Bei Saudi-Arabien kommen wir häufig mit unserer Kritik nicht durch. Das muss sich ändern. Die neue Bundesregierung muss bei Saudi-Arabien Menschenrechtsverletzungen auch ansprechen. Und es muss auf jeden Fall angesprochen werden, dass die Todesstrafe geächtet gehört und dass diese wahnsinnig hohen Zahlen in Saudi-Arabien aufhören müssen.

Dafür, dass die Zahlen heruntergehen, gibt es bislang aber keine Anzeichen. In Saudi-Arabien sind 2024 nicht nur mehr Menschen hingerichtet worden als ein Jahr zuvor, es sind auch mehr Menschen zum Tode verurteilt worden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 08. April 2025 um 07:21 Uhr.