
Nuklearprogramm des Iran Warum gibt es jetzt neue Gespräche mit den USA?
Heute sollen indirekte Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran über dessen Nuklearprogramm beginnen. Wieso kommt es jetzt dazu? Und worum geht es eigentlich? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Worum geht es beim Streit um das iranische Atomprogramm?
Westliche Staaten werfen dem Iran seit Jahren vor, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms den Bau von Atomwaffen anzustreben. Die Islamische Republik bestreitet das. Allerdings hat der Iran die Produktion von Uran mit einer Anreicherung auf einen nahezu waffenfähigen Grad signifikant ausgeweitet.
Einem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zufolge verfügte der Iran Anfang Februar über knapp 275 Kilogramm Uran, das auf 60 Prozent angereichert ist. Das entspreche einem Anstieg um 92 Kilogramm seit Ende Oktober 2024. Die monatliche Produktionskapazität sei demnach von rund acht Kilogramm auf bis zu 40 Kilogramm hochgeschnellt. Im August vergangenen Jahres habe der Iran nur über rund 165 Kilogramm entsprechend angereichertes Uran verfügt.
IAEA-Chef Rafael Grossi wies in dem Bericht darauf hin, dass der Iran der einzige Staat ohne Atomwaffen sei, der solches Material herstelle. Die "signifikant gestiegene Produktion und Anhäufung" von 60-prozentigem Uran gebe Anlass zu ernster Sorge. Nach IAEA-Angaben reichen etwa 42 Kilogramm 60 Prozent angereichertes Uran theoretisch aus, um eine Atombombe herzustellen, wenn es weiter auf 90 Prozent angereichert wird.
Technisch gesehen ist dies nur ein kurzer Schritt, und nach Einschätzung Grossis könnte der Iran mehrere Atombomben bauen, falls er sich dazu entschlösse. Dies wollen unter anderem die USA und europäische Staaten verhindern.
Gibt es schon ein Atomabkommen mit dem Iran?
Der Iran hatte 2015 mit den fünf UN-Vetomächten USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sowie mit Deutschland vereinbart, sein Nuklearprogramm so umzugestalten, dass er keine Atombomben bauen kann. Im Gegenzug wurden die Wirtschaftssanktionen gelockert.
Allerdings zog US-Präsident Donald Trump die USA 2018 während seiner ersten Amtszeit einseitig aus dem Abkommen zurück und führte Sanktionen gegen Teheran wieder ein. Auch der Iran fühlt sich spätestens seitdem nicht mehr an das Abkommen gebunden, begann, Uran über das erlaubte Maß hinaus anzureichern und schränkte Kontrollen der IAEA ein. Förmlich gilt der durch eine UN-Resolution in Kraft gesetzte Pakt noch bis Oktober 2025.
In den vergangenen Monaten führten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ohne die Vereinigten Staaten Gespräche über ein mögliches neues Abkommen, bislang ohne Erfolg. Separat führt der Iran auch mit Russland und den China Verhandlungen. Am Dienstag fanden in Moskau auf Expertenebene Gespräche zwischen den drei Ländern statt. Peking und Moskau stellen sich dabei demonstrativ auf die Seite des Iran und verurteilen Sanktionen gegen das Land.
Der Iran ist weiterhin Unterzeichnerstaat des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Damit hat er sich verpflichtet, keine Kernwaffen zu erwerben, hat aber das Recht auf die friedliche Nutzung von Kernenergie. In den Gesprächen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatte der Iran Ende November jedoch mit dem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag gedroht.
Offiziell beharrt der Iran darauf, kein Atomarsenal anzustreben. In letzter Zeit haben sich jedoch einige iranische Offizielle über eine mögliche Abkehr von dieser Doktrin geäußert und damit die internationale Sorge um das iranische Atomprogramm weiter befeuert.
Warum kommt es gerade jetzt wieder zu Gesprächen?
Nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus kündigte Trump an, die während seiner ersten Amtszeit verfolgte Politik des "maximalen Drucks" auf den Iran weiterzuführen. Zugleich schlug er ein "Atom-Friedensabkommen" mit Teheran vor.
Er drohte immer wieder damit, andernfalls militärisch zu intervenieren. "Wenn sie sich nicht einigen, wird es Bomben geben", hatte Trump etwa Ende März NBC News gesagt. "Es wird ein Bombardement geben, wie sie es noch nie zuvor gesehen haben." Zuletzt sagte Trump während des Treffens mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montag, der Iran werde "in großer Gefahr" sein, sollten die Gespräche über eine Beendigung des iranischen Atomprogramms scheitern. Israel und die USA betonen regelmäßig, sie würden niemals zulassen, dass Teheran in den Besitz einer Atomwaffe gelangt.
Am Montag dann kündigte Trump eine neue Runde der Atomgespräche an. Damit bekommen die festgefahrenen Verhandlungen nach Monaten politischer und militärischer Spannungen wieder neuen Schwung.
Wie reagiert der Iran?
Irans Staatsführung steht vor einem Dilemma. Aus ideologischen Gründen lehnt der Iran Verhandlungen mit seinem Erzfeind USA eigentlich strikt ab. Auch wenn der gemäßigte Präsident, Massud Peseschkian, vermutliche sogar zu direkten Gesprächen bereit wäre - der mächtigste Mann im Land, Ayatollah Ali Khamenei, weigerte sich bis vor kurzem, überhaupt zu verhandeln.
Andererseits befindet das Land sich in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Die iranische Währung Rial verliert wöchentlich an Wert und liegt auf einem Rekordtief. Die harten internationalen Sanktionen haben die Wirtschaft gelähmt und die Mittelschicht erodieren lassen.
Zudem ist der Iran seit der Eskalation des Kriegs im Nahen Osten politisch und militärisch stark in der Defensive, seine Verbündeten in der Region sind dezimiert. Denn die Terrororganisationen Hamas im Gazastreifen und Hisbollah im Libanon sind massiv geschwächt, das Assad-Regime in Syrien gibt es nicht mehr, Russlands Präsenz ist dadurch geringer, und die Huthi-Miliz im Jemen wird derzeit verstärkt von den USA bombardiert. Auch der Iran selbst war Ziel von israelischen Angriffen. Israels Regierung droht wiederholt auch mit der Bombardierung iranischer Nuklearanlagen.
Und so hat Teheran sich nun darauf eingelassen, über Vermittlerstaaten zu verhandeln. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi soll heute im Oman indirekte Gespräche mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff führen, bestätigte das Außenministerium in Teheran. Die Ankündigung löste am iranischen Devisenmarkt einen Aufschwung aus, der Rial legte gegenüber dem Euro schlagartig um rund fünf Prozent zu.
Doch zu welchen Zusagen der Iran bei Verhandlungen bereit sein wird, ist unklar. Strategisch befindet sich der Iran in einer Zwickmühle: Denn die derzeit sehr aggressive Militärpolitik Israels und die zumindest sehr aggressive Rhetorik der USA machen zwar Angriffe auf den Iran wahrscheinlicher - aber sie machen aus iranischer Sicht auch eine nukleare Bewaffnung nötiger denn je.