
Wechselwählerstadt Brampton Wer hier gewinnt, regiert Kanada
In Kanada wird nächsten Montag gewählt. Der Einwandererort Brampton gilt Wahlforschern als "Barometer-Stadt": Wer hier gewinnt, gewinnt im ganzen Land.
Noch Anfang des Jahres sah der Parteichef der Konservativen, Pierre Poilievre, wie der sichere Sieger der Wahl in Kanada aus. Mittlerweile liegt aber die regierende Liberale Partei mit dem Spitzenkandidaten Mark Carney vorne. Carney, der auf den im Januar zurückgetretenen Premierminister Justin Trudeau folgte, hofft nun auf Rückenwind für die schwierigen Zollverhandlungen mit US-Präsident Donald Trump.
Trumps Strafzölle und seine Absicht, Kanada zu annektieren, haben den Wahlkampf bestimmt und zu einem dramatischen Meinungsumschwung geführt. Entscheidend für den Ausgang der Wahl in Kanada sind keine Swing States wie in den USA, sondern traditionell die dynamisch wachsenden Einwandererstädte rund um die Wirtschaftsmetropole Toronto. Eine dieser Städte ist Brampton, eine halbe Autostunde nordwestlich von Toronto.
Brampton, interessant für die Wahlforschung
Das Geräusch vorbeifahrender LKW gehört zum Sound der Stadt Brampton. Viele Produkte, die im Bundesstaat Ontario oder sonstwo in Kanada verkauft werden, rollen früher oder später durch Brampton. Die erst 50 Jahre junge Einwandererstadt in der Nähe des Flughafens von Toronto ist Logistik-Zentrum, Sitz von Autozulieferern und Maschinenbau-Unternehmen.
Und Brampton ist für Wahlforscher besonders interessant. Denn der Ort gehört zu den wahlentscheidenden Wechselwähler-Städten im Land. Der Chef der Handelskammer von Brampton, Jaipaul Masse-Singh, erklärt warum:
Wir sind die am schnellsten wachsende Großstadt in Kanada. Es gibt viele Einwanderer und viele junge Menschen, die zum ersten Mal die Politik für sich entdecken. Viel Raum also für frische Ideen. Wir sind sehr divers. Für viele Einwanderer ist Brampton die erste Heimat in Kanada.
Keine Wählerbindung an bestimmte Parteien
Zur Jahrtausendwende hatte Brampton rund 300.000 Einwohner. Mittlerweile sind es 800.000 - fast eine Verdreifachung innerhalb von 25 Jahren. Die Bewohner der Stadt sprechen 170 Sprachen. Viele kommen aus Indien und Pakistan, vor allem aus der Großregion Punjab. Eine feste Wählerbindung an bestimmte Parteien haben die meisten Einwohner Bramptons nicht.
Auch deshalb gilt Brampton als politische "Barometer-Stadt", sagt Stadträtin Rowena Santos, deren Eltern aus den Philippinen kamen. "Hier wohnen viele Menschen, kulturell divers, ohne Parteibindung", erklärt sie. "Brampton hat in der Vergangenheit immer den Kandidaten gewählt, dessen Partei dann auch im ganzen Land vorne lag."
So entschied sich Brampton 2006 und danach mehrfach für die konservativen Kandidaten und machte deren Parteichef Stephen Harper zum Premierminister. Ab 2015 gaben die Wähler von Brampton den liberalen Kandidaten ihre Stimme, was Justin Trudeau den Wahlsieg brachte.
Auf die Frage, für wen die "Barometer-Stadt" Brampton bei dieser Wahl stimmen wird, will Stadträtin Rowena Santos noch keine feste Prognose wagen. Es sei hin- und hergegangen, erklärt sie. "Vor Trudeaus Rückzug war ich überzeugt, dass die Konservativen hier in Brampton gewinnen. Aber jetzt ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Schwer zu sagen im Moment."

Der Oppositionsführer und Spitzenkandidat der Konservativen, Pierre Poilievre, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung in Brampton.
Viele junge Leute frustriert
Gerade weil der Ausgang der Wahl in Brampton so heiß umkämpft ist, geben sich die Spitzenkandidaten hier die Klinke in die Hand. Mehrere Tausend konservative Anhänger kamen in das Kongresszentrum der Stadt, um Pierre Poilievre zu erleben.
Der Vorsitzende der Konservativen Partei kommt an bei seinen Anhängern, darunter viele junge Männer, wie der 24-jährige Steve. Er sagt, er sei frustriert, weil er keine Chance mehr sehe, sich wie seine Eltern irgendwann ein bescheidenes Haus kaufen zu können.
Acht Jahre mit den Liberalen. Sie haben das Land zerstört. Die Inflation ist verrückt. Der Wohnungsmarkt ist schlecht, auch das Einwanderungssystem. Alles ist schlecht. Das ist nicht mehr das Kanada von früher.
Dennoch hatten sich die Konservativen den Wahlkampf anders vorgestellt. Mit Trudeaus Rückzug ist ihnen das Hauptangriffsziel abhandengekommen. Dem neuen Premierminister und früheren Bankmanager Mark Carney kann niemand mangelnde Wirtschaftskompetenz vorwerfen. Stattdessen wird der Chef der Konservativen jetzt als "Trump light" attackiert, denn Poilievre kopiert gerne Trumps populistische Rhetorik.
"Die Kernwähler allein reichen nicht"
Auch deshalb glaubt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Ipsos in Toronto, Darrell Brickert, nicht mehr an einen Sieg der Konservativen. "Die Konservativen haben den bestmöglichen Wahlkampf gemacht", so Bricker. Überall im Land füllten sie große Hallen. "Es gibt viel Enthusiasmus für Poilievre. Aber es sind immer nur ihre Kernwähler. Und damit allein können sie nicht gewinnen."
Dagegen stellt Bricker fest: Wegen Trumps Attacken auf Kanada wollen Anhänger kleinerer Parteien diesmal die Kandidaten der Liberalen Partei wählen. Nutznießer wäre also Premierminister Mark Carney.