Neue Seidenstraße Mehr Kredite, mehr Abhängigkeiten
Die "Neue Seidenstraße" Chinas wird teurer: 60 Prozent der Auslandskredite drohen auszufallen. Um dies zu vermeiden, vergibt Peking Rettungsdarlehen und schafft so neue Abhängigkeiten.
Gemäß einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat das ambitionierte Handelsprojekt "Neue Seidenstraße" für China hohe Kosten zur Folge. Immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländer, die von der Volksrepublik Kredite für den Bau von Infrastruktur aufgenommen haben, können diese nicht mehr planmäßig bedienen. Als Folge dessen habe die chinesische Regierung in den letzten Jahren die Vergabe von Rettungskrediten erheblich erhöht.
Ausfallrisiken bei Auslandskrediten
Dem IfW zufolge sind mittlerweile 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht. 2010 habe dieser Anteil noch bei lediglich fünf Prozent gelegen, ergab die Analyse von Forscherinnen und Forschern des IfW mit AidData, der Harvard Kennedy School und der Weltbank.
Um Ausfälle zu verhindern, vergibt China danach Notkredite in großem Stil. Bis Ende 2021 zählten die Autoren 128 Rettungsdarlehen an 22 Schuldnerländer im Gesamtwert von 240 Milliarden US-Dollar. Wie die Studie zeigt, wurden 170 Milliarden Dollar dieser Notkredite über Zentralbankkredite vergeben. Diese seien für internationale Organisationen und Ratingagenturen besonders schwer nachzuvollziehen.
Banken reduzieren reguläre Kreditvergabe
Laut den Angaben handelt es sich in den meisten Fällen um Refinanzierungskredite, bei denen Laufzeiten oder Zahlungsziele verlängert oder neue Kredite zur Finanzierung fälliger Schulden vergeben werden. "Der Erlass von Schulden findet nur äußerst selten statt", so das IfW.
Aufgrund der umfangreichen Rettungskredite hätten chinesische Banken die reguläre Kreditvergabe für neue Infrastruktur- und Energieprojekte drastisch reduziert. Der Analyse zufolge wirft das Fragen zur Zukunft der Neuen Seidenstraße auf.
Mehr Einfluss und größere Abhängigkeiten
Die Seidenstraße war die wichtigste Handelsverbindung zwischen China und Europa in der Antike und dem frühem Mittelalter. China kündigte 2013 an, sie neu zu beleben. Doch Kritiker befürchten, dass die Volksrepublik damit ihren Einfluss ausweiten möchte. Fest steht: Durch die Vergabe immer neuer Kredite verstrickt Peking die Schuldnerländer in immer stärkere Abhängigkeiten - und stärkt so seine geopolitische Position.
"Die Initiative für eine neue Seidenstraße ist ja nicht das, was manche in Deutschland glauben: Es ist keine sentimentale Erinnerung an Marco Polo", warnte der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. "Sondern sie steht für den Versuch, ein umfassendes System zur Prägung der Welt im chinesischen Interesse zu etablieren."