
Konkurrenz im Bankensektor Was können die Neobanken?
Bankgeschäfte per Smartphone und kostenlose Girokonten: Die "Neobanken" wachsen schnell und setzen den klassischen Filialbanken zu. Vor der Kontoeröffnung heißt es allerdings: Genau hinschauen.
Sie kommen flott und peppig daher, werben mit Gratiskonten und können komplett über das Handy gesteuert werden: "Neobanken“ haben auch in Deutschland immer mehr Kunden.
Die Platzhirsche der Branche wie N26, Trade Republic oder Revolut kommen bereits auf mehrere Millionen Kunden hierzulande. Einige kleinere Wettbewerber wie Vivid oder C24 bewegen sich noch im sechsstelligen Bereich, wachsen aber ebenso schnell.
Bessere "User Experience"
Die Start-up-Unternehmen sprechen vor allem eine junge Kundschaft an. Die will nicht in eine Bankfiliale gehen, sondern schnell und mobil ihre Bankgeschäfte machen, erklärt Christoph Stegmeier von der Beratungsgesellschaft Simon Kucher: "Grundsätzlich haben die Neobanken natürlich eine deutlich bessere 'User Experience' oder einfach kundenfreundliche Benutzeroberflächen", so der Experte.
Dazu komme, dass bei einigen Produkten die Neobanken schon ein, zwei Schritte voraus seien: "Wenn Sie eine Auslandstransaktion machen wollen von Deutschland in die USA, dann ist es bei den traditionellen Banken sehr teuer und dauert heutzutage immer noch drei, vier, fünf Tage. Wenn Sie das mit der richtigen Neobank machen, ist das in drei Klicks erledigt", so Stegmeier.
Europaweit kommen die Neobanken inzwischen auf mehr als 160 Millionen Kunden. In Deutschland dürfte die Kundenzahl bei rund zehn Millionen liegen.
Gebühren, aber auch Einlagen als Einnahmequelle
Monatliche Kosten für ein Girokonto? Bei Neobanken ist das verpönt, zumindest in der Basisversion für ein Konto. Die Neobanken kommen mit schlanken Kostenstrukturen aus und brauchen wenig Personal. Verdienen tun sie zum Beispiel an Gebühren. Etwa den Gebühren, die beim Einsatz einer Kreditkarte fällig werden. Auch wer seinen Dispo nutzt oder ein kostenpflichtiges Premium-Konto, der trägt zum Einkommen der Neobanken bei.
Immer mehr ähnelt das Geschäft der Neobanken inzwischen aber dem einer klassischen Geschäftsbank. Vor allem, seit es wieder Zinsen auf die Einlagen im Konto gibt, so Experte Stegmeier: "Mittlerweile machen auch die Neobanken 70 bis 80 Prozent ihres Umsatzes im Durchschnitt über Kredit- und Einlagengeschäft. Das heißt, sie sammeln relativ günstig Einlagen ein und sie vergeben das wieder als Kredite. Von daher hat sich das Geschäftsmodell schon stark gewandelt."
Vom Kundenansturm überfordert
Wo so viel Licht ist, gibt es aber auch Schatten. In den vergangenen Jahren machten einige der Neobanken auch negative Schlagzeilen. Zum Beispiel, weil der Kundenservice nicht zu erreichen war, oder weil Verdachtsfälle auf Geldwäsche nicht schnell genug gemeldet wurden. Der Marktführer N26 durfte deshalb vorübergehend nur eine bestimmte Zahl neuer Kunden anwerben.
Die aktuellen Börsenturbulenzen haben zuletzt die Systeme gerade bei denjenigen Anbietern an die Grenzen gebracht, die auch den Börsenhandel anbieten, also auch "Neobroker" sind. Besonders über den Zugang und die Orderausführungen bei Trade Republic gab es in den sozialen Medien an den vergangenen Tagen Beschwerden. Auch bei Scalable Capital, einem weiteren Neobroker, soll die Trading-App zeitweise nicht korrekt gearbeitet haben. Laut den Unternehmen sei aber ein Börsenhandel stets möglich gewesen.
Dennoch scheint sich Inzwischen das Wachstum der Neobanken in ruhigeren Bahnen zu bewegen, meint Ralph Kummer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen: "Derzeit haben wir nur vereinzelt Beschwerden. Zum Beispiel, wenn die Banking-App nicht erreichbar ist oder wenn eine Transaktion von einer Kryptowährung nicht funktioniert hat."
Angebote vergleichen und überprüfen
Wer sich für eine der alternativen Banken interessiert, sollte vor dem Start eines neuen Kontos überprüfen, ob dieses seinen Bedürfnissen entspricht. Dazu gehört etwa, ob Debit- oder Kreditkarten im Angebot enthalten sind, ob Echzeitüberweisungen oder der Gang zum Geldautomaten gebührenpflichtig sind. In punkto Sicherheit sollte die Art der Einlagensicherung überprüft werden. Zwar müssen sich Banken mit Geschäftsbetrieb in der EU an die europäische Einlagensicherung von 100.000 Euro je Konto und Kunde halten. Nicht immer wird dafür aber das deutsche Sicherungssystem genutzt.
Zudem können Neobanken in den meisten Fällen nicht alle Bedürfnisse der Kunden in Sachen Banking und Finanzen abdecken. Laut Verbraucherschützer Ralph Kummer sind sie deshalb vor allem für Kunden interessant, die flexibel sind und auch mit mehreren Konten gut zurecht kommen: "Man muss als Verbraucher schon bereit sein, womöglich mehrere Apps zu haben. Vielleicht von einer Neobank mit einem tollen Girokonto-Angebot, dann vielleicht zum Aktienhandel einen Neobroker".
Wenig Gegenwehr vom "Establishment"
Die Wachstumschancen für die neue Generation der Banken halten Experten wie Christoph Stegmeier von Simon Kucher weiterhin für sehr gut. Zumal die arrivierten Banken und Sparkassen derzeit wenig Gegenwehr mit eigenen "smarten" Angeboten leisteten: "Überraschenderweise sehen wir die Tendenz nicht. Im europäischen Ausland haben viele der Großbanken ihr eigenes, wie wir es nennen würden, 'Speedboat' am Markt. Die großen deutschen Banken haben das nicht."
Stegmeier rechnet auch deshalb damit, dass sich die Kundenzahl bei den Neobrokern in den kommenden Jahren noch einmal zumindest verdoppeln könnte. Gut für die Kunden, die noch mehr günstige Angebote nutzen können, meint der Experte. Wer flexibel ist und ins Kleingedruckte bei den Angeboten der Neobanken schaut, der kann dann Kosten sparen und seine Bankgeschäfte bequem auf dem Smartphone erledigen.