Taxis fahren im Protest-Konvoi durch die Innenstadt von Kassel

Neue Allianz in Stuttgart Warum eine Taxizentrale mit Uber kooperiert

Stand: 08.04.2025 07:31 Uhr

Aus der Taxibranche gibt es viel Kritik am Geschäftsmodell von Uber. Trotzdem kooperiert in Stuttgart die Taxizentrale seit kurzem mit dem Unternehmen - eine in Deutschland bislang einmalige Zusammenarbeit.

Von Tim Kukral, SWR

"Hallo Christoph", begrüßt Iordanis Georgiadis, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Taxizentrale, den Deutschlandchef von Uber, Christoph Weigler, am Telefon. Der Tonfall klingt vertraut, die beiden sind per Du, nachdem sie vor Kurzem eine bislang in Deutschland einzigartige Kooperation beschlossen haben: Die Stuttgarter Taxizentrale arbeitet mit Uber zusammen.

"Durch die vielen Taxis, die jetzt zusätzlich auf unsere Plattform kommen in Stuttgart, wird die Verfügbarkeit von Fahrzeugen besser für alle Uber-Kunden in Stuttgart", sagt Weigler. Und auch Taxi-Stuttgart-Chef Georgiadis ist optimistisch: "Wir erhoffen uns, dass wieder mehr junge Menschen, die mit Apps unterwegs sind, dadurch auch das Angebot des Taxis wahrnehmen und nutzen."

Taxifahrer haben lange gegen Uber gekämpft

Die neue Harmonie zwischen Uber und Taxi Stuttgart überrascht, denn auch in Stuttgart hatten Taxifahrer immer wieder gegen Uber demonstriert. Erst im Februar war Georgiadis selbst auf einer "Mahnwache" in Stuttgarts Nachbarort Waiblingen, forderte schärfere Maßnahmen gegen Mietwagenfirmen, die als Subunternehmen für Uber agieren.

Das US-Unternehmen sieht sich lediglich als Vermittlungsplattform, Autos und Fahrer stellen die Mietwagenfirmen. Viele dieser Firmen sind in der Umgebung von großen Städten gemeldet; ihre Fahrer müssten laut amtlicher Vorschrift nach jeder Fahrt mit einem Kunden wieder zu ihrem Betriebssitz zurückfahren, solange kein neuer Kunde bei ihnen eine Fahrt ordert. Doch stattdessen, so der Vorwurf der Taxifahrer, würden die Uber-Fahrer im Stadtgebiet auf ihre nächste Buchung warten und dadurch den Taxis Fahrten wegnehmen.

Behörden schaffen Kontrollen nicht

Tatsächlich können die Behörden die Einhaltung der Rückkehrpflicht zum Betriebssitz der Mietwagenfirmen in der Praxis kaum kontrollieren. Laut Stuttgarter Zeitung hat das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises, zu dem Waiblingen und andere Nachbarkommunen von Stuttgart gehören, seit dem Start von Uber in der Region Stuttgart im November 2019 gerade mal vier Bußgelder in Höhe von jeweils 100 Euro verhängt - bei insgesamt 13 Unternehmen mit 41 Fahrzeugen, die dort für Uber unterwegs sind.

Viele Taxifahrer sehen in den durch Uber vermittelten Mietwagenfahrten eine unlautere Konkurrenz. Uber selbst sieht die Verantwortung für Regelverstöße nicht in seinem eigenen Geschäftsmodell, sondern ausschließlich bei den Subunternehmen.

Geschäftsmodell von Uber immer wieder in der Kritik

Das Geschäftsmodell der US-Plattform basiert auf diesen Subunternehmen, den Mietwagenfirmen - und wohl auch darauf, dass für sie andere Regeln gelten als für Taxis. Dieses Geschäftsmodell steht immer wieder in der Kritik. Wie unter anderem Recherchen des ARD-Magazins Kontraste zeigten, rechnet sich die Arbeit für die Uber-Fahrer oft nicht; danach sind bei den Mietwagenfirmen Schwarzarbeit, Bezahlung unter Mindestlohn und Sozialleistungsbetrug die Folge.

Doch all die Proteste und Appelle der Taxifahrer an die Politik haben kaum etwas gebracht: Uber hat seine Marktmacht in Deutschland stetig ausgebaut. Viele Taxiunternehmer haben sich dem schon längst gebeugt und kooperieren mit Uber - nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Deutschland.

Und so ist es auch schon länger fast überall in Deutschland möglich, über die App von Uber ein Taxi zu ordern. Für die Uber-Kunden in Stuttgart ändert sich in erster Linie, dass jetzt auch schneller eins kommt: Denn durch den Deal mit der Taxizentrale sind nun alle 900 Taxis, die im Großraum Stuttgart bei der Zentrale registriert sind, auch über Uber verfügbar.

Für Kunden ist Uber oft günstiger als das Taxi

Aber warum sollte man als Kunde über Uber ein Taxi bestellen - und nicht gleich ein gewöhnliches Uber-Fahrzeug? Ein Test in Stuttgart an einem Wochentag um die Mittagszeit zeigt zwar, dass Uber und Taxi ähnlich schnell Abholort wären. Für die meisten Kunden wichtiger dürfte allerdings der Preis sein, und der ist zumindest in diesem Moment mit dem Uber-Fahrzeug günstiger: Exakt 14,84 Euro kostet die Strecke vom Stuttgarter Fernsehturm zum Hauptbahnhof. Dazu kommt: Dieser Preis ist mit der Buchung des Fahrzeugs garantiert.

Mit dem Taxi ist es teurer und noch dazu weniger berechenbar, denn die App zeigt lediglich eine Preisspanne an: 16 bis 21 Euro. Das liegt daran, dass die Fahrt im Taxi durch das Taxameter berechnet wird. Der Preis richtet sich also nach der Fahrtzeit, und die ist wiederum vom Verkehr abhängig.

Taxis unterliegen einer "Beförderungspflicht"

Geregelt werden die Taxitarife von den Kommunen, denn anders als Uber und seine Mietwagenfirmen sind Taxis Teil des öffentlichen Personennahverkehrs. Daraus folgt per Gesetz auch eine "Beförderungspflicht" für die Taxis. In der Praxis bedeutet das: Ein Taxifahrer muss beispielsweise eine kranke, gebrechliche Person zur Untersuchung ins nahe gelegene Krankenhaus fahren - auch wenn die kurze Fahrt sich für ihn wirtschaftlich nicht lohnt.

Bei Uber hingegen richtet sich alles nach wirtschaftlichen Kriterien, eine Beförderungspflicht gibt es nicht. Die Vermittlungsplattform ist frei bei der Preisgestaltung, der Preis richtet sich dementsprechend nach der Nachfrage. So kann es zum Beispiel während einer Großveranstaltung vorkommen, dass Fahrten mit einem Uber-Fahrzeug teurer sind als mit dem Taxi.

Bisherige Strategie der Taxibranche "nicht aufgegangen"

Trotzdem zeigt der beispielhafte Preisvergleich: Die Kooperation mit Uber ist für die Taxibranche riskant - ein Risiko, das die Stuttgarter Taxizentrale nun eingehen will. "Wenn wir nicht handeln, droht ein unvermeidbarer Untergang", sagt Georgiadis: "Die Umsätze sind bereits jetzt so gering, dass viele Taxiunternehmen langfristig nicht überleben können."

Als Taxizentrale könne man nicht ignorieren, dass Uber sich "als unverzichtbares Produkt etabliert" habe. Schon vor der offiziellen Kooperation durch die Zentrale hätten rund die Hälfte der Taxiunternehmen in Stuttgart ihre Fahrten auch über Uber angeboten; das zeige, "dass unsere bisherige Strategie nicht aufgegangen ist", so Georgiadis.

Balanceakt für die Taxifahrer

Trotzdem plane man auch weiterhin "Mahnwachen und rechtliche Schritte gegen Verstöße durch Mietwagen in allen Nachbarkommunen", kündigt er an. Diese Proteste hätten sich aber schon in der Vergangenheit nicht gegen Uber selbst gerichtet, sondern gegen "schwarze Schafe in der Mietwagenbranche". Damit stützt die Stuttgarter Taxizentrale letztlich die Argumentation von Uber als reiner Vermittlungsplattform, die für Regelverstöße ihrer Subunternehmen keine Verantwortung trägt.

Es ist ein Balanceakt für die Taxifahrer. Die Zusammenarbeit mit Uber ist vonseiten der Stuttgarter Taxizentrale aus der Not geboren - weil man "als Gesamtgewerbe entscheidende Trends verschlafen habe", sagt Georgiadis und verweist auf die Digitalisierung.

Bei Uber hingegen scheint die Freude über die neue Zusammenarbeit ganz ungetrübt. "Wir haben als Feedback auf diese Kooperation schon einige Anfragen von anderen Taxizentralen bekommen", berichtet Uber-Deutschlandchef Weigler. "Da gibt es ein großes Interesse. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir in diesem Jahr noch weitere Kooperationen bekannt geben können."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD Mittagsmagazin am 04. April 2025 um 13:00 Uhr.