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Uber Files Scharfe Kritik an Macron

Stand: 11.07.2022 17:54 Uhr

Nach den Veröffentlichungen zu den Uber Files sieht sich Frankreichs Präsident Macron mit wachsender Kritik konfrontiert. Teile der Opposition fordern sogar einen Untersuchungsausschuss.

Von Petra Blum und Andreas Braun, WDR; Catharina Felke und Benedikt Strunz, NDR

Einen Tag nach den Enthüllungen um die geheimen Treffen und engen Kontakte zwischen dem heutigen französischen Staatsoberhaupt Emanuel Macron und dem Fahrdienstleister Uber fällt das Urteil in Paris scharf aus. "Vernichtende Enthüllungen", nennt es der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Fabien Roussel.

Macron habe die Interessen eines amerikanischen Konzerns über jene des eigenen Landes gestellt, heißt es aus anderen Teilen der Opposition, und Alexis Corbière, der stellvertretende Fraktionschef der Linkspartei La France Insoumise, stellt sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Aussicht.

Ex-Minister zeigt sich entsetzt

Frankreichs Ex-Verkehrsminister Alain Vidalies, ein früherer Kabinettskollege Macrons, sagte dem Radiosender France Info, er sei "aus allen Wolken gefallen", als er von den Recherchen der Uber Files erfahren habe. Er habe gewusst, dass Macron Uber gegenüber positiv eingestellt war, es habe ihm und seiner Vorstellung von einer "Start-up-Nation" entsprochen, sagte Vidalies. Aber das jetzt enthüllte Ausmaß von Macrons Einsatz für den kalifornischen Konzern sei ihm nicht bewusst gewesen.

Die Uber Files
Die Uber Files bestehen aus mehr als 124.000 vertraulichen Dokumenten, die eine anonyme Quelle dem "Guardian" zugespielt hat. Sie dokumentieren insbesondere die Praktiken und internen Anstrengungen des US-Konzerns im Bereich des Lobbying von 2013 bis 2017, einer Zeit in der Uber aggressiv weltweit expandierte. Koordiniert durch das Internationale Konsortium Investigativer Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) und dem "Guardian" hat ein internationales Team von mehr als 180 Journalistinnen und Journalisten die Uber Files in den vergangenen Monaten ausgewertet. An den Recherchen waren unter anderem "Le Monde", die "Washington Post", der "Indian Express", "El Pais" und zahlreichen andere beteiligt. In Deutschland arbeiteten Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" an dem Uber Files.

Die Uber Files bestehen aus mehr als 124.000 vertraulichen Dokumenten, die eine anonyme Quelle dem "Guardian" zugespielt hat. Sie dokumentieren insbesondere die Lobbypraktiken und internen Anstrengungen des Unternehmens von 2013 bis 2017, einer Zeit, in der Uber aggressiv weltweit expandierte und Entscheidungsträger, Wissenschaftler und Medien für seine Zwecke einspannte. Koordiniert durch das Internationale Konsortium Investigativer Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) und den "Guardian" hat ein internationales Team von mehr als 180 Journalistinnen und Journalisten seit Sonntag seine Recherchen veröffentlicht.

Laut den Uber Files soll Macron 2015, damals war er noch Wirtschaftsminister, dazu beigetragen haben, dass ein Verbot von Ubers Angebot in Marseille massiv entschärft und kurz darauf revidiert wurde. Außerdem dokumentieren die Daten vier Treffen von Macron mit Uber-Gründer Travis Kalanick zwischen 2014 und 2017. Drei davon waren bislang nicht öffentlich bekannt.

Keine Reaktion von Macron

Macron selbst hatte auf den Vorwurf, Uber bei seinem Markteintritt in Frankreich geholfen zu haben, nicht reagiert. Der Élysée-Palast teilte mit, Macron habe viele Firmen getroffen, da sich der Dienstleistungsmarkt in einem Umbruch befunden habe.

Genau das verlangen nun aber Teile der Opposition sowie der französischen Gewerkschaft von ihm. "Das Mindeste ist, dass Macron sich erklärt und offenlegt, wie er a) dazu beigetragen hat, dass Uber in Frankreich Fuß fasst und b) durch das so genannte Macron-Gesetz das Arbeitsrecht ausgehöhlt hat, um dieses Geschäftsmodell zu fördern", sagt Philippe Martinez, Generalsekretär der Gewerkschaft CGT dem ARD-Studio Paris.

David Guiraud, Abgeordneter der Linkspartei, erklärt: "Das wiegt schwer. Ob Macron das Gesetz gebrochen hat muss sich zeigen - aber schon jetzt steht fest: Macron war der Verbündeter eines Unternehmens, das Steuerzahlungen vermieden hat, indem es seinen Firmensitz in den Niederlanden angemeldet hat, um in Frankreich weniger Steuern zu zahlen."

Ex-EU-Kommissarin ebenfalls unter Verdacht

Auch für die frühere EU-Kommissarin für die Digitale Agenda und ehemalige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Neelie Kroes, haben die Veröffentlichungen der Uber Files Konsequenzen. Die Niederländerin war im Mai 2016 in den Beirat von Uber gewechselt. Kolportiertes Jahresgehalt: 200.000 US-Dollar.

Die vertraulichen Dokumente werfen die Frage auf, inwieweit Kroes 2015, also noch während ihrer Karenzzeit, für den US-Konzern aktiv geworden ist. So soll sie während einer laufenden Razzia in Ubers Hauptquartier in Amsterdam ein Regierungsmitglied und Verwaltungsbeamte angerufen haben, um Druck aufzubauen.

Auch um ein Treffen mit einem EU-Kommissar habe sie sich bemüht sowie Zusammenkünfte mit niederländischen Politikern organisiert, darunter der aktuelle Premier Mark Rutte.

Die EU-Kommission habe entschieden, die Niederländerin per Brief um Klarstellung des Sachverhalts zu ersuchen, sagte ein Sprecher der Behörde. Man analysiere gerade die neu bekannt gewordenen Informationen und werde das weitere Vorgehen anhand dieser bewerten. Kroes hatte auf Anfrage zuvor geantwortet, weder formell noch informell für das Unternehmen tätig gewesen zu sein.

Lobby-Control fordert Regelreform

In Deutschland hatten die Uber Files unter anderem enthüllt, dass der heutige FDP-Abgeordnete Otto Fricke zumindest zwischenzeitlich die Lobbykampagne für Uber geleitet hat. Fricke saß zuvor ebenfalls als Abgeordneter im Bundestag.

Timo Lange von der Nichtregierungsorganisation Lobby Control sagte NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ), der Fall mache deutlich, dass man eine Debatte darüber führen müsse, ob eine Karenzregelung auch für Bundestagsabgeordnete gelten müsse, damit diese nicht direkt in Lobbyjobs wechselten.

Weiter zeigen die Uber Files, wie der Ökonom Justus Haucap in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") einen Uber-freundlichen Artikel veröffentlichte, der dem Konzern offenbar 4000 Euro wert war. Der Medienwissenschaftler und Journalist Christian Stöcker erklärte zu dem Vorgang: "Sollte es sich als richtig herausstellen, dass deutsche Wissenschaftler gegen vierstellige Honorare Beiträge in der 'FAZ' platzieren können, sollte es am allerersten im Interesse der 'FAZ' sein, den Vorgang aufzuklären." Mit redaktioneller Unabhängigkeit habe so etwas nichts zu tun.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 11. Juli 2022 um 17:53 Uhr.