125 Jahre Lkw Auf dem Weg in die Elektro-Zukunft
1896 stellte Gottlieb Daimler den ersten Lkw vor. Er entwickelte sich zum Erfolgsmodell, das den Gütertransport bis heute prägt. 125 Jahre später suchen die Lkw-Hersteller nach Wegen, um den Ausstoß von Schadstoffen einzudämmen.
Er konnte seine Herkunft nicht verleugnen - den Pferde-Transportwagen. Vorne auf dem Bock saß der Kutscher, hinter ihm erstreckte sich die Ladefläche. Was fehlte, waren die Deichsel und die Pferde. Die brauchte er nicht, hatte er doch Lenkrad und Motor. Vor 125 Jahren stellte Gottlieb Daimler den Wagen vor, der die Transport-Welt verändern sollte.
Er verglich ihn selbst mit der Pferdekutsche. "Ein gutes Thier, zieht wie ein Ochs", schrieb Daimler, "und sauft nur, wenn die Arbeit geht". Wieviel er soff, ist nicht überliefert. Vier Pferdestärken immerhin brachte der 2-Zylindermotor mit einem Liter Hubraum auf die Achsen. Das reichte allenfalls für flotte Schrittgeschwindigkeit. Die Nutzlast war auch eher bescheiden: eine Tonne konnte das Vehikel transportieren. Nicht die besten Voraussetzungen für eine globale Karriere.
Der erste von Gottlieb Daimer 1896 vorgestellte Lkw verfügte über 4 PS.
Eine Idee erobert die Welt
Der Verkauf verlief auch schleppend. Es blieb bei dem einen Exemplar, das überdies nach London exportiert wurde. Doch schon zwei Jahre später, 1898, sahen die Modelle einem Lastkraftwagen ähnlicher. Der Motor wanderte mitsamt dem Antrieb nach vorne, die Kraft wurde auf die Hinterräder übertragen. Das Konstruktionsprinzip des Lkw war geschaffen, der Weg zum Erfolg geebnet.
Heute sind allein in Deutschland mehr als 3,4 Millionen Lkw zugelassen. Vor Bahn und Binnenschiff sind sie längst zum Gütertransportmittel Nummer eins geworden. Laut Statistischem Bundesamt werden jährlich 3,2 Milliarden Tonnen Güter mit dem Lkw transportiert, 320 Millionen, also ein Zehntel davon, mit der Bahn, 188 Millionen Tonnen mit dem Binnenschiff.
Lkw versorgen Wirtschaft und Gesellschaft mit Produktions- und Lebensmitteln, bilden rollende Lagerflächen für Just-in-time-Produktion und verstopfen Städte und Autobahnen. Allein auf der A6 zwischen Mannheim und Nürnberg werden täglich bis zu 30.000 Lkw gezählt, Fahrzeug an Fahrzeug, oft bilden sich in beiden Richtungen 100 Kilometer lange Ketten. Es werden ständig mehr und sie fahren noch immer mit Diesel.
Verkehrswende mit Schlüsselrolle beim Klimaschutz
Beim Transport von Gütern stoßen Lkw pro Tonne und Kilometer sechsmal so viel Treibhausgase und sogar siebenmal so viel Stickoxide aus wie ein Güterzug. Nur die Schadstoffbilanz der Binnenschiffe ist hier noch schlechter. Insgesamt ist der Verkehrssektor nach Angaben des Verkehrsbündnisses "Allianz pro Schiene" für 20 Prozent der Treibhausgase verantwortlich, davon stammen 95 Prozent aus dem Straßenverkehr.
Weil die Bundesregierung bis 2030 den CO2-Ausstoß um 42 Prozent gegenüber 1990 verringern will, soll jetzt die Mobilitätswende her. Abkehr von fossilen Brennstoffen, Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die Lkw-Hersteller, unter ihnen der Weltmarktführer Daimler, setzen deshalb auf umweltfreundlichere Antriebe.
Zwei Technologien: Batterie und Brennstoffzelle
Der Erfinder des Lkw plant zweigleisig. Daimler Truck, ein Tochterunternehmen der Daimler AG, setzt für kurze Strecken und geringes Ladungsgewicht auf batteriebetriebene Lkw. Weil die Reichweiten dieser E-Trucks aber noch immer begrenzt sind, sollen für lange Strecken Lkw mit Brennstoffzellen das Konzept der Zukunft sein. Der "Sprit" besteht hier aus H2, flüssigem Wasserstoff, der im Auto von der Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt wird.
Die Brennstoffzelle hat gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen einen großen Vorteil: Die Tankzeiten sind kaum länger als an der Diesel-Zapfsäule. Aber auch ein paar gewichtige Nachteile. Der Energieaufwand zur Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wasser ist doppelt so hoch wie die Energieausbeute, die später bei seiner Verbrennung genutzt werden kann. Der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle ist also bescheiden. Nur rund 30 Prozent der eingesetzten Energie kommen auf der Antriebsachse an, ebenso wenig wie beim Otto- oder beim Dieselmotor. Beim batterieelektrischen Antrieb sind es 70-90 Prozent.
Ein weiteres Problem: Es gibt bisher kaum Wasserstofftankstellen in Deutschland. Daimler plant deshalb gemeinsam mit dem Mineralölproduzenten Shell den Aufbau eines Tankstellen-Netzes und fordert dafür eine Beteiligung des Staates.
Strom aus erneuerbaren Energien als Schlüssel
Das Hauptproblem für beide Antriebsarten lautet aber: Wenn der Strom sauber sein soll, muss er aus regenerativen Quellen stammen. Deren Anteil am Gesamt-Strommix wächst zwar stetig, aber noch immer stammt fast die Hälfte aus fossilen Quellen, also aus Kohle, Erdöl, Erdgas. Die Lkw-Hersteller setzen darauf, dass der Anteil an erneuerbaren Energien zur Stromgewinnung weiter zunimmt.
Daimler plant mit dem größten Konkurrenten, der Volvo-Group, ein Joint Venture. Gemeinsam will man zu einem der größten Hersteller von Brennstoffzellen-Systemen werden. Doch das wird noch ein paar Jahre dauern. Denn während der eActros, der erste batteriebetriebene Serien-LKW mit dem Stern, schon seit Juni vom Band läuft, erwartet man die Serienreife eines Brennstoffzellen-Lkw frühestens für 2027.
Bund setzt auf Schienenausbau
Der zweite Teil der von der Regierung angekündigten Mobilitätswende betrifft die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Bisher finden zwei Drittel aller Transporte auf der Straße statt, rund 20 Prozent auf der Schiene. Der Anteil soll bis 2030 auf immerhin 25 Prozent wachsen. Der Bund will bis dahin fast 100 Milliarden Euro vor allem für den Ausbau des Schienennetzes ausgeben.
Es könnte sich lohnen. Selbst wenn Lkw künftig nur von regenerativen Energien angetrieben werden sollten, der Bahntransport bleibt günstiger. Die Energieeffizienz ist besser und die Ladekapazität erst recht. Ein Güterzug kann die gleiche Last transportieren wie 50 LKW - und damit die Straßen entlasten. Der Erfolg des Lkw dürfte trotzdem ungebrochen anhalten. Auch 125 Jahre nach seiner Erfindung.