Mitarbeiter von BMW arbeiten im Stammwerk in der Produktion an der Karosserie von verschiedenen Modellen des Autoherstellers.

Europas Autobauer "Nie dagewesene Herausforderung"

Stand: 30.01.2025 07:37 Uhr

Die Autoindustrie ist Europas Stolz und Sorgenkind zugleich. Nun lädt EU-Kommissionschefin von der Leyen die Autobranche erstmals zum "strategischen Dialog" - und weckt damit hohe Erwartungen.

Vor zwei Monaten machte Ursula von der Leyen die Lage der europäischen Autoindustrie zur Chefinnensache. Als die EU-Kommissionspräsidentin im Europäischen Parlament das Team für ihre zweite Amtszeit präsentierte, kündigte sie einen strategischen Dialog mit den Beteiligten an - geleitet nicht von Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas, sondern von ihr selbst. Erklärtes Ziel: gemeinsam dafür sorgen, dass die Autoindustrie in Europa eine Zukunft hat.

Breites Spektrum diskutiert

Einen strategischen Dialog hat es im vergangenen Jahr schon zur EU-Agrarpolitik gegeben. Dabei konnten sich Bauern-, Naturschutz- und Verbraucherverbände sowie die Lebensmittelwirtschaft auf weitreichende Reformvorschläge verständigen.

Für die Autobranche sitzen jetzt Vertreterinnen und Vertreter von Industrie, Gewerkschaften, Kommission und einer Umweltorganisationen am Tisch. Sie wollen zum Auftakt die wichtigsten Aufgaben benennen und danach in Arbeitsgruppen weiterdiskutieren. Der Verkehrskommissar soll einen Aktionsplan ausarbeiten.

13 Millionen Arbeitsplätze abhängig

Erste Ergebnisse werden in den kommenden Monaten erwartet. Die Zeit drängt. Denn die Autoindustrie ist Europas Stolz und Sorgenkind: Sie trägt sieben Prozent zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei und ist für rund ein Drittel der nichtöffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung verantwortlich. Von Autoherstellern und Zulieferern hängen 13 Millionen Arbeitsplätze ab.

Wettbewerb und Auflagen

Aber die Branche steckt im Umbruch: Auf fast allen großen europäischen Automärkten ist der Absatz im vergangenen Jahr gesunken. Auch in China und den USA gehen die Verkäufe deutscher Hersteller zurück. Fabriken sind nicht ausgelastet.

Gleichzeitig steht die Branche unter Druck, Klimaschutzauflagen zu erfüllen. Die Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß werden in diesem Jahr strenger. Um sie einhalten und hohe Strafen vermeiden zu können, müssen die Autobauer mehr E-Autos verkaufen - auf dem deutschen Markt sogar drei Viertel mehr als im vergangenen Jahr.

Tatsächlich aber schwächelt der E-Auto-Absatz. Hersteller können sich auch mit anderen Produzenten zusammenschließen, die die Vorgaben übererfüllen, das nennt sich Pooling.

Industrie fordert Realitätscheck

Die EU-Kommission beschreibt die Lage schonungslos: Europas Autoindustrie stehe vor einer nie dagewesenen Herausforderung und könnte hinter internationale Wettbewerber zurückfallen. Für eine Trendwende brauche es entschlossenes und konzertiertes Handeln. Das verlangt der europäische Autoverband ACEA von der Kommission: Brüssel solle die Klimavorgaben einem "Realitätscheck" unterziehen und die Strafandrohung bei Nichterfüllung "anpassen", fordert ACEA-Präsident und Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius.

Den strategischen Dialog sieht Källenius als gute Gelegenheit, darüber zu diskutieren. Mit ihrer Einladung übernimmt Kommissionschefin von der Leyen Verantwortung für Europas Schlüsselindustrie - und sie weckt Erwartungen. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, misst den Erfolg der Veranstaltung nach eigenen Worten daran, ob den Worten auch Taten folgen.

Norwegen macht es vor

Entscheidend ist, wie Brüssel und die Mitgliedsstaaten den Absatz von E-Autos ankurbeln können. Viele EU-Regierungen versuchen es mit Steuervorteilen oder Kaufanreizen. Die Maßnahmen fallen allerdings von Land zu Land unterschiedlich aus und einige EU-Länder bieten gar keine Kaufprämien an.

Die Kommission könnte die verschiedenen Förderprogramme koordinieren, das Beihilferecht anpassen oder eigene Vorgaben abschwächen. So zeigt sich die stellvertretende Kommissionschefin Teresa Ribera mit Blick auf mögliche Klimastrafen für Autohersteller flexibel. Die spanische Sozialdemokratin bringt außerdem EU-weite Fördermaßnahmen ins Gespräch. Die verlangt auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Bundesregierung hat den Umweltbonus für E-Autos Ende 2023 abrupt beendet, was den Verkauf in Deutschland massiv ausgebremst hat.

Wie es auch laufen kann macht ein europäisches Nicht-EU-Land vor, das selbst über keine Autoindustrie verfügt: Norwegen hat durch stetige und verlässliche Förderung erreicht, dass im vergangenen Jahr neun von zehn neu zugelassenen Pkw E-Autos waren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 30. Januar 2025 um 06:42 Uhr.