Ein Container wird im Binnenhafen Duisburg Ruhrort transportiert.

IW-Studie Dauerkrise kostet Wirtschaft 735 Milliarden Euro

Stand: 05.03.2025 08:28 Uhr

Die Krisen der vergangenen fünf Jahre haben Deutschland fast eine dreiviertel Billion Euro gekostet. Das ergab eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft. Lob von Ökonomen gibt es für die schwarz-roten Investitionspläne.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, geopolitische Verwerfungen: Die Krisen der vergangenen fünf Jahre haben Deutschland einer Studie zufolge fast eine dreiviertel Billion Euro gekostet. Ohne sie würde das Bruttoinlandsprodukt rund 735 Milliarden Euro höher liegen, heißt es in der Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

"Nach der Erholung vom Pandemie-Schock kommen die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland nunmehr seit drei Jahren nicht mehr über das Niveau des Jahres 2019 hinaus", heißt es in dem Papier. Zugleich übertreffen die Wirtschaftsausfälle die Einbußen während der Krisen in Deutschland im vergangenen Vierteljahrhundert: In der Strukturkrise 2001 bis 2004 beliefen sie sich demnach auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während die ökonomischen Kosten der Finanzmarktkrise um 2008/09 auf 4,1 Prozent beziffert werden.

Den Standort vernachlässigt?

In den bisherigen 20 Quartalen seit Ausbruch der Corona-Pandemie belaufen sich die Einbußen den Berechnungen der Ökonomen zufolge bereits auf 4,3 Prozent der tatsächlichen Wirtschaftsleistung. "Deutschland befindet sich in seiner schwersten wirtschaftlichen Krise seit der Wiedervereinigung", sagte IW-Konjunkturchef Michael Grömling. "Corona und Ukraine haben die Investitionstätigkeit der Unternehmen fast zum Erliegen gebracht. Das senkt unser Produktionspotenzial auf Jahre hinaus."

Aber auch die Politik treffe eine Mitschuld. Jahrelang habe sie den Standort vernachlässigt. "Das ist der Boden, auf dem uns die Krisen so hart treffen", sagte Grömling. Es werde die Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, diesen Rückstand aufzuholen - etwa mit finanziellen Anreizen, günstigerer Energie und weniger Bürokratie.

Gewaltige Einbußen beim privatem Konsum

Die gesamten Einbußen beim privaten Konsum über die vergangenen fünf Jahre hinweg dürften der Studie zufolge bei gut 470 Milliarden Euro liegen. Das entspreche 5.600 Euro je Einwohner. Nachwirken dürfte aber vor allem, dass die Unternehmen weniger investiert haben. "Während in der Hauptzeit der Pandemie die Konsumschäden erheblich höher waren als die Investitionsausfälle, wird in den letzten Jahren die Schadensbilanz mehr und mehr von den ausbleibenden Investitionen geprägt", so das IW. Bei den Bruttoanlageinvestitionen werden die Ausfälle in den vergangenen 20 Quartalen auf 265 Milliarden Euro geschätzt.

Unterdessen haben Union und SPD einen ersten Durchbruch in ihren Sondierungsgesprächen erzielt und ein schuldenfinanziertes Investitionspaket von historischem Ausmaß für Verteidigung und Infrastruktur geschnürt. Zum einen soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden, wie die Unterhändler nach ihrer dritten Sondierungsrunde am Dienstagabend in Berlin verkündeten. Außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden.

Ökonomen begrüßen schwarz-rote Investitionspläne

Ökonomen bewerten die Einigung positiv. "Die Einigung der Sondierer ist ein Gamechanger, ein wuchtiges und gutes Paket", sagte der Professor für International Economics an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Jens Südekum. Wichtig sei jetzt: "Das viele Geld muss auch tatsächlich auf die Straße kommen und in die richtigen Projekte fließen." Im Infrastrukturbereich müsse das Sondervermögen durch eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren begleitet werden. Insgesamt gehe es darum, ein glaubwürdiges Signal in die Privatwirtschaft zu senden, dass der Staat jetzt Ernst macht mit der Investitionsoffensive.

"Alles in allem befindet sich Europa inmitten eines historischen Wandels", kommentiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING. Die Entwicklungen der letzten Tage haben die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung zu einem historischen Schritt veranlasst, indem sie ein Steuerpaket ankündigte, das endlich den Beginn besserer Jahre für die Wirtschaft markieren könnte."