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Commerzbank-Chefin Orlopp "Wir brauchen große, schlagkräftige Banken"
Im Interview erklärt Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp, warum ihr Institut Tausende Stellen streicht, wie sie zu einer möglichen Übernahme steht - und was sie sich von der neuen Regierung wünscht.
tagesschau24: Sie haben den Posten als Commerzbank-Chefin in eher unruhigen Zeiten übernommen, nachdem Ihr Vorgänger Manfred Knof seinen Rücktritt ziemlich überraschend angekündigt hatte. Braucht man in der Krise eben genau Sie?
Bettina Orlopp: Das kann ich schwer beantworten, da das eine Entscheidung des Aufsichtsrats gewesen ist. Ich habe sicherlich den Vorteil, dass ich die Bank seit zehn Jahren sehr gut kenne. Und gerade in meiner bisherigen Rolle, die ich ja jetzt gerade übergeben habe als Chief Financial Officer, habe ich sicherlich viel Erfahrung gesammelt, um auch genau mit der Situation jetzt gut umgehen zu können.
tagesschau24: Kurz bevor Sie den Posten übernommen haben, ist die italienische UniCredit bei der Commerzbank eingestiegen. Sie strebt eine Komplettübernahme an. Welche Risiken sehen Sie bei einem Zusammenschluss für die Commerzbank?
Orlopp: Wir arbeiten an unserer eigenständigen Strategie, die Commerzbank noch stärker zu machen und unsere Stärken auszubauen. Nichtsdestotrotz steht faktisch ja die Überlegung eines Zusammenschlusses im Raum. Und wenn es mal ein Angebot geben sollte, muss man sich das genau anschauen.
Positiv an einem Zusammenschluss ist, dass mögliche Synergien entstehen. Aber es könnte genauso auch negative Ertragssynergien geben - auf der Firmen- und auch auf der Privatkundenseite. Außerdem würden Restrukturierungskosten anfallen. Und man darf eben nicht vergessen, dass da auch erhebliche Umsetzungsrisiken drin schlummern. Und das gilt es, falls es mal dazu kommen sollte, genau abzuwägen.
"Bankenunion kann derzeit nicht funktionieren"
tagesschau24: Die Aktionäre sehen das gar nicht so kritisch. Seit dem Einstieg von UniCredit sind die Aktienkurse beider Banken gestiegen. Auch die EZB hat sich grundsätzlich für eine Bankenunion in Europa ausgesprochen. Warum sehen Sie das kritisch?
Orlopp: Was das Thema Bankenunion angeht, so sind wir absolut auch Unterstützer davon. Wir halten das für wichtig und richtig. Wir können uns diese 27 Alleingänge nicht mehr leisten. Wir brauchen große, schlagkräftige Banken. Aber es ist auch klar, dass die Bankenunion zurzeit noch nicht funktionieren kann. Da müssen noch ein paar Voraussetzungen geschaffen werden.
Und dazu gehört vor allem das Thema der europäischen Einlagensicherung. Man muss sich überlegen, wie man mit den Staatsanleihen umgeht, die in den Bankbilanzen der einzelnen Banken liegen, was fast die ganze Kapitalhinterlegung angeht. Erst dann werden auch grenzüberschreitende Zusammenschlüsse Sinn machen.
tagesschau24: Das heißt, so lange soll die Commerzbank ein eigenständiges Institut bleiben?
Orlopp: Ja, klar. Im Moment gibt es eben noch keine Bankenunion. Es muss erst Schritt eins vor Schritt zwei kommen. Von daher konzentrieren wir uns im Moment auf unsere eigenständige Strategie. Aber wir haben auch immer gesagt, dass wir uns Angebote immer ergebnisoffen anschauen.
tagesschau24: Wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass die Commerzbank auch im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig bleibt?
Orlopp: Wir haben zurzeit ja ein sehr starkes Wachstum. Und gerade die 2024-Ergebnisse, die wir ja auch schon mal vor zwei Wochen in den Grundzügen herausgegeben haben, zeigen, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind.
tagesschau24: Die Commerzbank will 3.900 Stellen bis zum Jahr 2028 abbauen. Wieso?
Orlopp: Es geht um profitables Wachstum, um eine Wachstumsstrategie und Effizienzmaßnahmen.
Auswirkungen von Trumps Politik
tagesschau24: In den USA macht sich Donald Trump für weniger Regulierung bei den Banken stark. Sehen Sie darin einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Banken, die dann deutlich mehr Auflagen unterliegen würden als US-amerikanische Banken?
Orlopp: Das ist eine Debatte, die wir im Moment nicht nur für Deutschland, sondern auf der europäischen Ebene führen. Und da ist es natürlich schon so, dass wir europäischen Banken eben fordern, dass es ein sogenanntes Level Playing Field gibt, also dass alle dieselben Bedingungen haben.
Und wir machen uns schon Sorgen, dass das je nachdem, wie weit die Deregulierung in den USA geht, dann nicht mehr da sein wird. Von daher fordern wir die EU dazu auf, sich dem Thema anzunehmen und gegebenenfalls auch uns bestimmte Erleichterung zu geben.
"Brauchen dringend Veränderung"
tagesschau24: Die mittelständischen Unternehmen gehören zu den größten und wichtigsten Kunden der Commerzbank. Sie stehen momentan vor großen Herausforderungen. Wie nehmen Sie in Gesprächen die Lage der mittelständischen Firmen wahr?
Orlopp: Trotz steigender Insolvenzzahlen sehen wir eine bemerkenswerte Resilienz. Viele Mittelständler in unserem Kundenportfolio sind sehr resilient aufgestellt. Aber man sieht eben auch eine große Zurückhaltung, was Investitionen angeht. Wenn investiert wird, dann wird eben nicht in Deutschland und nicht in Europa investiert, sondern in den USA und in Asien. Das freut uns als Bank, da wir mit den Mittelständlern auch ins Ausland gehen. Für den Standort in Deutschland und für Europa betrifft uns das aber natürlich schon.
Und deswegen fordern wir ja auch das, dass wir dringend Reformen brauchen, sei es auf der europäischen Ebene, aber auch vor allen Dingen jetzt in Deutschland. Und das ist die Aufgabe der neuen Regierung, die hoffentlich in elf Tagen zumindest mal soweit feststeht, dass sie Koalitionsverhandlungen miteinander aufnimmt.
Und da ist dann wirklich Eile geboten, wir brauchen dringend eine Veränderung auch bei der Stimmung. Wir haben den Eindruck, dass die mittelständischen Unternehmen wirklich nur darauf warten, wie die Wahl ausgeht. Gibt es eine schnelle Regierungsbildung und ist dann diese Regierung auch bereit, schnell Reformen umzusetzen?
tagesschau24: In der Politik wurde zuletzt darüber diskutiert, ob die Deindustrialisierung in Deutschland bereits in vollem Gange ist. Wie sehen Sie das? Müssen sie sich angesichts der aktuellen Lage im Mittelstand mit Kreditausfällen beschäftigen?
Orlopp: Im Moment sehen wir wirklich nur Einzelfälle. Denn wie gesagt, die Resilienz ist hoch. Trotzdem sind wir im dritten Jahr der Stagnation, wenn nicht sogar in einer Rezession. Und wir werden auch in diesem Jahr weitere Fälle erleben.
tagesschau24: Die künftige Bundesregierung hat es in der Hand, ob die deutsche Wirtschaft wirklich wieder in Schwung kommt. Welche Maßnahmen wünschen Sie sich von der nächsten Regierung?
Orlopp: Ich glaube, die Steuerpolitik ist wichtig. Wir brauchen einfach ein anderes Level von Besteuerung für unsere Unternehmen. Das jetzige ist eindeutig zu hoch.
Auch das Thema Energiepolitik sowie die Themen Arbeitsmarkt, Investitionen in die kritische Infrastruktur sind extrem wichtig. Und es gehört auch dazu, dass man sich anschaut, was gerade der französische Präsident mit Blick auf Künstliche Intelligenz angekündigt hat. All solche Themen brauchen wir auch für Deutschland.
Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.