Dow Jones verliert kräftig Zins-Schock an der Wall Street
Die amerikanische Notenbank will nach ihrer aktuellen Zinssenkung langsamer vorgehen. Das hat den US-Investoren überhaupt nicht gefallen. Die New Yorker Börsen erlitten empfindliche Verluste.
Nach dem letzten diesjährigen Zinsentscheid der US-Notenbank Fed sind die New Yorker Börsen unter Druck geraten. Dass die Währungshüter den Leitzins um weitere 0,25 Prozent senken würden, war weithin erwartet worden. Viele Marktteilnehmer zeigten sich aber überrascht, dass die aktuelle Zinsprognose der Fed nur noch zwei Zinssenkungen im kommenden Jahr signalisiert.
Der Dow Jones, der schon in den Tagen zuvor unter der Aussicht auf eine Zinspause gelitten hatte, rutschte erneut ins Minus und ging 2,58 Prozent tiefer bei 42.326 Punkten aus dem Handel. Damit hat der Weltleitindex das zehnte Mal in Folge im Minus geschlossen - eine historisch lange Verlustserie.
Noch deutlicher sackten die Technologiewerte an der Nasdaq ab, die anders als die Standardwerte zuletzt einen Rekordlauf erlebt hatten. Der Nasdaq 100 büßte 3,6 Prozent auf 21.209 Punkte ein.
Nun müssen sich die Märkte auf eine neue Realität einstellen: Angesichts der hartnäckigen Teuerung, des robusten US-Arbeitsmarkts und des anstehenden Machtwechsels in den USA könnte es zu einer ausgedehnten Zinspause der Fed kommen. "Die im Wahlkampf angekündigten Steuersenkungen und Zölle könnten die Preise und somit die Inflation anheizen und damit der US-Notenbank das Leben schwer machen", warnte IG-Analyst Christian Henke.
Auch am deutschen Aktienmarkt hatte die Aussicht auf eine Zinspause die Stimmung getrübt. Der DAX fiel nach einem kurzen Aufbäumen wieder zurück und ging 0,02 Prozent tiefer bei 20.242 Punkten aus dem Handel. Der Kursrutsch in New York dürfte am Donnerstag auch den deutschen Markt belasten.
Schon zuvor hatte sich die technische Lage im DAX seit dem Rekordhoch vom Freitag bei 20.523 Punkten merklich eingetrübt. Damit rückt die aktuell bei 20.180 Punkten verlaufende 50-Tage-Linie in den Fokus, die ein wichtiger Gradmesser für den mittelfristigen Trend im DAX ist.
"Tiefere Korrekturen im übergeordneten Aufwärtstrend laufen in der Regel im Bereich um die 50-Tage-Linie aus", betonte ING-Charttechnikexperte Christian Zoller. Komme es aber zu einem Kursrutsch darunter, würde ein Trendwechsel wahrscheinlicher werden.
Am Rohstoffmarkt zogen die Ölpreise zunächst an, drehten aber angesichts der Dollar-Stärke nach dem Zinsentscheid wieder ins Minus. Das Rohöl der Nordseesorte Brent kostete am späten Abend 72,83 Dollar je Barrel (159 Liter), das entspricht einem Minus von 0,7 Prozent. Zudem sind die Ölreserven in den USA in der vergangenen Woche weniger als erwartet gesunken. Die Rohölvorräte fielen um 0,9 Millionen auf 421,0 Millionen Barrel.
Der Euro geriet nach dem Fed-Entscheid kräftig unter Druck. Die Aussicht auf eine Zinspause in den USA, während die EZB an ihrem Zinskurs festhalten dürfte, schwächt die Gemeinschaftswährung. Am späten Abend kostete ein Euro 1,0354 Dollar, 1,3 Prozent weniger als gestern.
Auch der Goldpreis ging angesichts der Aussicht auf stabile Zinsen für den Dollar die Knie. Die Feinunze Gold kostete am späten Abend mit 2.590 Dollar 2,1 Prozent weniger als am Vorabend.
An der Wall Street zog Merck & Co Aufmerksamkeit auf sich. Der US-Pharmakonzern hat sich in einem Deal mit der chinesischen Biotechfirma Hansoh Pharmaceuticals die Rechte an einem neuen Adipositas-Medikament gesichert. Hansoh erhält dafür eine Vorauszahlung über 112 Millionen Dollar, darüber hinaus winken erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen von bis zu 1,9 Milliarden Dollar. Derzeit befindet sich das Mittel noch in der präklinischen Entwicklung und ist damit noch Jahre von einer möglichen Marktzulassung entfernt.
Mit einem Plus von über zwei Prozent lag die Aktie der Commerzbank an der DAX-Spitze. Die italienische Großbank UniCredit hat ihre Beteiligung an dem deutschen Geldinstitut über Finanzinstrumente auf nun rund 28 Prozent ausgebaut. Inklusive Finanzinstrumenten hatten sich die Italiener zuletzt rechnerisch bereits 21 Prozent der Anteile gesichert.
Ein Händler wertete das Vorgehen der UniCredit als "konsequent". Vor allem zwischen der Commerzbank und der UniCredit-Tochter HVB gebe es große Synergien. Hinzu komme eine nach wie vor attraktive Bewertung der Commerzbank-Aktien, sodass die UniCredit ihre Bilanz im Fall einer Übernahme nicht übermäßig strapaziere.
Nach 36-stündigen Verhandlungen zwischen Volkswagen und der IG Metall hatten die Tarifpartner eine Pause eingelegt, verhandeln nun aber weiter. Eine Einigung war auch am Abend nicht in Sicht. Sollte es nicht gelingen, zu einem neuen Tarifvertrag für die rund 130.000 VW-Mitarbeiter zu kommen, drohen ab Januar Streiks.
Schwere Verluste erlitt die Aktie von Manz. Am Abend kündigte der kriselnde Maschinenbauer den Antrag auf ein Insolvenzverfahren an. Die Zahlungsunfähigkeit sei durch die Entscheidung von Kreditgebern, keine weiteren Mittel zur Verfügung zu stellen, ausgelöst worden, teilte Manz mit. Der Vorstand habe in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit mehreren Kapitalgebern und Investoren für neues Eigen- beziehungsweise Fremdkapital geführt. 2023 hatte das Unternehmen rund 250 Millionen Euro umgesetzt, beim Ergebnis schrieb Manz in den letzten Jahren rote Zahlen. Zuletzt arbeiteten für das Unternehmen nach eigenen Angaben 1.435 Menschen.
Die Aussicht auf einen neuen Wettbewerber drückte die Papiere von Redcare Pharmacy (Shop Apotheke) auf den niedrigsten Stand seit zwei Monaten. Die Drogeriemarktkette dm steige in den Online-Apothekenmarkt ein und wolle aus Tschechien heraus frei verkäufliche Arzneimittel nach Deutschland liefern, berichtete das Handelsblatt nach einem Gespräch mit dem Marketing- und Beschaffungs-Geschäftsführer Sebastian Bayer.
Die Spekulationen um einen möglichen Zusammenschluss von Honda and Nissan schlagen auch in Europa Wellen. In Paris sprangen die Aktien des französischen Autokonzerns und Nissan-Großaktionärs Renault um bis zu 7,4 Prozent nach oben und markierten mit 47,80 Euro ein Fünf-Monats-Hoch. Die Aktien des japanischen Autobauers Nissan, an dem Renault 36 Prozent hält, legten an der Tokioter Börse um knapp 24 Prozent zu, nachdem Insider von Gesprächen mit dem heimischen Konkurrenten Honda berichtet hatten.