
Europäische Zentralbank Warum das Geld noch billiger wird
Die weitere Zinssenkung der EZB könnte dabei helfen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Was die Entwicklung der Inflation angeht, haben die Währungshüter offensichtlich eine klare Erwartung.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen zum sechsten Mal hintereinander gesenkt. Die Währungshüter verringerten sie heute nochmals um einen Viertelprozentpunkt. Der für die Sparzinsen von Privatleuten wichtige Zins für Anlagen von Großbanken bei der EZB beträgt nun 2,5 Prozent.
Da die EZB seit neun Monaten die Zinsen regelmäßig gesenkt hat, ist ein Trend erkennbar. In Banken wurde die neue Zinssenkung erwartet. Entsprechend sind die Angebote frühzeitig zugeschnitten worden. Die Analyseboutique "Finanzberatung Max Herbst" (FMH) aus Frankfurt am Main bietet einen Überblick. Wer Geld für ein paar Monate oder Jahre als Festgeld anlegen will, bekommt um zwei Prozent Zins. Darlehen für Häuser und Wohnungen kosten dreieinhalb bis vier Prozent. Der Zins für Geldanlagen sinkt leicht. Der Zins für Darlehen bleibt weitgehend gleich.
Geld hat seinen Preis
Zinsen sind der Preis für Geld. Beim Sparen ist das nicht auf Anhieb einsehbar, dafür aber bei Krediten: Ein niedrigerer Zins macht geliehenes Geld billiger. Das hat zur Folge, dass mehr Kredite aufgenommen werden. Weil die Menge an Geld grundsätzlich nicht begrenzt ist, steigt sie. Das bedeutet: Niedriger Zins führt zu mehr Krediten, führt zu steigender Geldmenge. Wenn die Geldmenge steigt und das Angebot an Waren und Dienstleistungen gleichbleibt, steigen die Preise. Das Geld will irgendwo hin, und Unternehmen wittern, wenn Kunden gut bei Kasse sind. Steigende Preise nennt man Inflation. Im Verhältnis zum Angebot verliert Geld an Wert.
Auf der anderen Seite kann durch niedrigere Zinsen die Wirtschaft auch in Schwung gebracht werden. Private und gewerbliche Investoren kommen billiger an Geld und können Häuser bauen und Maschinen kaufen. Das hat idealerweise zur Folge, dass das Waren- und Dienstleistungsangebot wächst und es keine Inflation gibt.
Wie sich die Inflation entwickelt
Die EZB orientiert sich vor allem an der Inflationsrate. Das Ziel der EZB ist eine Inflation von zwei Prozent. In den vergangenen Jahren war sie deutlich höher. Bis September 2024 sank die Inflation auf 1,7 Prozent. Seitdem stieg sie Schritt für Schritt auf 2,5 Prozent im Januar. Das sprach eindeutig gegen niedrigere Zinsen. Doch Anfang der Woche meldete die Statistikbehörde Eurostat 2,4 Prozent für Februar.
Diesen geringen Rückgang der Inflation zum Anlass für eine Zinssenkung zu nehmen, zeigt zweierlei: Erstens glaubt das EZB-Management, dass es weiter nach unten geht. Zweitens gibt es in der EZB verschiedene Interessen. Eine Gruppe um die deutschen Vertreter im Topmanagement mahnt zur Vorsicht bei Zinssenkungen. Mitglieder aus südeuropäischen Ländern und aus Frankreich sind kühner. Sie haben regelmäßig die Mehrheit.
Verschiedene Interessen und Überzeugungen
Woher kommt die Teilung in Europa? Sie hängt einerseits mit verschiedenen Wirtschaftsstrukturen zusammen. Exportstarke Industrieländer wie Deutschland sind an stabilem Geldwert, sicheren Wechselkursen und soliden Finanzen interessiert, um dauerhaft in aller Welt Geschäfte machen zu können. Andere Länder hängen von europäisch gestützter Landwirtschaft, Tourismus und anderen arbeitsintensiven Branchen ohne großen Kapitalbedarf ab. Sie können volkswirtschaftliche Probleme gelassener betrachten. Auch mag die Überzeugung hinzukommen, dass nationale Probleme am Ende von Mechanismen in der EU und der EZB aufgefangen und gleichmäßig verteilt werden.
In der Geldpolitik zeigen sich auch nationale Erfahrungen, die über Generationen vererbt werden. In Deutschland herrscht nach wie vor große Sorge vor Inflation. Der Wirtschaftshistoriker Rolf Walter schreibt vom "Schreckgespenst Inflation". Durch Zerstörung und private Verschuldung im Ersten Weltkrieg traf die Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre Deutschland besonders. Weite Teile der Mittelschicht verloren ihre Ersparnisse und ihre Altersvorsorge. Nach wie vor wirkt auch mäßige Geldentwertung in Deutschland bedrohlich.
Unübersichtliche Lage
Die Zusammenhänge von Leitzinsen, Inflation und nationalen Volkswirtschaften sind kompliziert und schwer zu messen. Wenn Einflüsse von außen dazukommen - Krieg, Seuchen, Naturkatastrophen - wird es noch schwieriger.
Was spielt derzeit eine Rolle? Die Wirtschaft in Europa kommt seit Jahren nicht in Schwung. Besonders schwach entwickelt sich Deutschland. Von echtem Wachstum bei Gütern und Dienstleistungen kann keine Rede sein. Durch den Ukraine-Krieg, Sanktionen gegen Russland und Auseinandersetzungen mit China sind Rohstoffe und Energie knapp und teuer geworden. Es drohen insgesamt weiter steigende Preise, weil die US-Regierung neue Zölle einführt und betroffene Staaten mit Gegenzöllen reagieren.
Was Aufrüstung bedeutet
Europäische Staaten wollen Hunderte Milliarden Schulden machen, um Armeen aufzubauen. Das bringt Wachstum und Beschäftigung. Auf der anderen Seite sind Soldaten im wirtschaftlichen Sinne nicht produktiv. Teure Waffen werden angeschafft, damit sie möglichst nicht benutzt werden, sondern abschrecken. Nach ein paar Jahren müssen sie ersetzt werden. In Armeen liegt viel "totes Kapital". Die Staatsschulden, die für sie nötig sind, müssen verzinst und zurückgezahlt werden.
Kühl kalkulierenden Wirtschaftswissenschaftlern ist aber auch klar: Ohne kampffähiges Militär könnte es bald vorbei sein mit westlichem Wohlstand. Angesichts der "historischen Herausforderungen, vor denen Deutschland und Europa stehen" forderten schon vor einem Vierteljahr führende deutsche Wirtschaftswissenschaftler eine Aufrüstung. Der Präsident des ifo-Instituts München, Clemens Fuest, und der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, waren dabei.
Zunächst wird Aufrüstung als großes staatliches Ausgabenprogramm wirken und die Wirtschaft antreiben. Niedrige Zinsen sind in dieser Situation gut. Denn Staaten können sich leichter Kredite für ihre Rüstungsprogramme leisten.