Papst Franziskus (l,M) steht einer Messe zur Eröffnung der Bischofssynode auf dem Petersplatz vor.
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Papst Franziskus Der Unvollendete

Stand: 21.04.2025 14:59 Uhr

Papst Franziskus hat seine Kirche verändert, aber nicht so, wie sich das viele Katholiken erhofft haben. Er hat Zeichen gesetzt, hinter die seine Nachfolger nicht zurückkönnen. Doch sein Pontifikat bleibt unvollendet.

Ein Kommentar von Tilmann Kleinjung, ARD Rom

Er hat sich als Papst vom Ende der Welt eingeführt. Am 13. März 2013, als Papst Franziskus sich auf der Loggia des Petersdoms zum ersten Mal zeigte, klang das nach Understatement. Der neue Papst ist ein Außenseiter und es hat ein bisschen gedauert, bis man sich daran gewöhnt hat: an die einfachen schwarzen Schuhe, an einen Papst, der lieber im Kleinwagen statt in der großen Limousine gefahren wird und der höchstpersönlich zum Optiker geht, um neue Brillengläser zu bestellen.

Vorgänger Benedikt schwebte in anderen Sphären, wirkte entrückt, weit weg von der Lebens- und Kirchenwirklichkeit. Otto Normalpapst Franziskus verordnete seiner Kirche, der Kurie und vor allem seinem Amt wieder Bodenhaftung. Ein Papst wie du und ich.

Kampf gegen den Klerikalismus

Franziskus wirkte stilbildend für die gesamte Kirche. Er wollte eine "arme Kirche für die Armen". Da fallen dicke Bischofslimousinen und protzige Residenzen unangenehm auf. Stärker noch war sein Kampf gegen den Klerikalismus. Elitäres Gehabe von Geistlichen war für ihn das Grundübel der Kirche, eine "Krankheit", eine "Perversion", eine "Plage". Da kannte der päpstliche Furor keine Grenzen.

Auch den Missbrauchsskandal führte er im Kern auf Klerikalismus zurück. Und wenn Kardinäle sich etwas zuschulden kommen ließen, dann scheute sich der Papst nicht, ihnen Titel und Würde zu entziehen.

"Wer bin ich, zu urteilen?"

Dieser Papst nährte auch die Hoffnung, dass er die katholische Lehre mit der Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert versöhnen will. Wie umgehen mit homosexuellen Partnerschaften, die laut katholischem Katechismus in "keinem Fall zu billigen" sind? "Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu urteilen?", antwortete Franziskus und schlug damit einen ganz neuen Ton an.

Doch in vielen Fragen blieb er den Beweis schuldig, dass er "guten Willens" war, auch konkrete Veränderungen einzuleiten. Franziskus regte an, ermöglichte Diskussionen, doch Reformen oder eine offizielle Abkehr von möglicherweise überkommener Lehre verabreichte er seiner Kirche in homöopathischen Dosen.

Im Dezember 2023 erlaubte die Glaubenskongregation in seinem Namen die Segnung homosexueller Paare. Aber: die Geistlichen dürfen die Paare nicht im Rahmen eines Gottesdienstes segnen, kurz und spontan soll der Ritus sein und auf keinen Fall an eine Eheschließung erinnern.

Keine Entscheidungen mit der Brechstange

Den einen war das schon viel zu viel, den anderen viel zu wenig. Kirchlich-konservative Kardinäle zweifelten öffentlich die Autorität des Papstes an. Und reformorientierte Katholiken wünschten sich paradoxerweise nichts sehnlicher als ein Machtwort des Papstes, ein Ja zu konkreten Reformen: die Aufhebung der Zölibatspflicht, mehr Mitspracherechte für die Kirchenbasis, die Diakoninnen - oder sogar Priesterinnenweihe. Vergeblich.

Am Ende bleibt dieses Pontifikat unvollendet. Das entspricht dem Kirchenbild von Papst Franziskus. Keine Entscheidungen mit der Brechstange. Und dem Menschenbild von Jorge Mario Bergoglio. Er traut dem Christenmenschen fast alles zu. Bei moralisch oder theologisch umstrittenen Fragen setzte Franziskus mehr auf das Gewissen des Einzelnen als auf lehramtliche Direktiven - nach dem Motto: "Wer bin ich, zu urteilen?"

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. April 2025 um 15:00 Uhr.