
Franziskus' Heimat Buenos Aires Erinnerungen an Padre Jorge
Bevor er Papst Franziskus wurde, war Jorge Bergoglio in seiner Heimatstadt Buenos Aires vor allem in den Armenvierteln bekannt und beliebt. Die Geschichte Argentiniens hat ihn für sein gesamtes Leben geprägt.
März 2013 - als im Vatikan weißer Rauch aufsteigt, strömen die Menschen in Buenos Aires auf die Straße. Freude und Stolz in Argentinien, der Heimat des neuen Papstes. "Ich bin glücklich als Argentinier und als Lateinamerikaner, dass wir endlich einen Papst aus unserer Region haben. Er steht für eine volksnahe Kirche", sagte damals ein Mann. Eine Frau beschrieb Franziskus als bescheiden, sehr redegewandt und klug. "Er spricht nicht nur, er kennt die Realität der Straßen, er setzt seinen Fuß in den Schlamm. Das ist das Besondere an diesem Papst."
In den sogenannten Villas, den riesigen Armenvierteln von Buenos Aires, kennen die Menschen Franziskus damals als Padre Jorge. Hier, wo viele Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in einfachen Verhältnissen leben und so viele Menschen von den wiederkehrenden Wirtschaftskrisen betroffen sind, war Jorge Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires ein häufiger Gast.
"Kaum war Begolio Erzbischof, kam er hier in die Villas, trank einen Mate-Tee mit uns, hörte zu, feierte die Messe mit uns", erinnert sich Padre Toto. Damals sei es üblich gewesen, dass Bischöfe in teuren Autos mit Chauffeuren unterwegs waren. "Aber er kam mit dem Bus der Linie 70 und ging den Rest der Staubstraße zu Fuß. Gekleidet in einer einfachen Jacke, abgewetzten Schuhen, mit einem alten Lederköfferchen, ohne den ganzen Pomp der Kirchenhierarchie." Es sind "curas villeros", Armenpriester wie Padre Toto, die Papst Franziskus vor Augen hatte, wenn er sich eine Kirche der Armen wünschte, die sich um die Besitzlosen kümmert.
Die Militärdiktatur als bleibender Schatten
Bergoglio, selbst aufgewachsen als Kind italienischer Einwanderer in Buenos Aires, wurde auf seinem Weg immer wieder von Krisenerfahrungen geprägt. Mit nur 21 Jahren wird ihm nach lebensbedrohender Krankheit ein Lungenflügel entfernt. Danach folgte er seiner Berufung, trat in den Jesuitenorden ein, wo er bald große Verantwortung übertragen bekommt. Mit nur 36 Jahren wurde er zum Provinzial gewählt, also zum Obersten der Jesuiten in Argentinien. Die Zeit verfolgte ihn sein Leben lang, denn sie fällt in eines der dunkelsten Kapitel des Landes: Die grausame Militärdiktatur, während der Zehntausende gefoltert und ermordet wurden oder spurlos verschwanden.
"Während die Kirchenhierarchie eine politische und ideologische Stütze für die Junta war, wurden viele Priester und Laien zu Opfern. Denn damals gab es eine sehr fortschrittliche Bewegung innerhalb der Kirche Lateinamerikas, die infolge der Befreiungstheologie gewachsen war und von der Junta in Komplizenschaft mit der Kirchenspitze brutal unterdrückt wurde", berichtet der Journalist Horacio Verbitsky, ehemaliger Leiter des Menschenrechtszentrums CELS. Er warf Bergoglio bis zuletzt eine Komplizenschaft mit den Militärs vor. Er soll zwei linksgerichtete Jesuitenpadres denunziert oder zumindest nicht ausreichend geschützt haben. Bergoglio wies die Vorwürfe stets zurück.
Auch Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, selbst Opfer der Junta, stellte sich immer hinter den Papst: "Ich kenne Bergoglio als Mann, der für die Verteidigung der Menschenrechte eintritt. Er war damals der Jesuitenoberste. Kein Bischof, kein Kardinal. Er hatte mit großem Druck zu kämpfen. Er hat versucht, im Verdeckten zu helfen, ohne sich als Retter zu exponieren."
Von seiner Heimat geprägt
Bergoglio habe keine Gelegenheit ausgelassen, Missstände anzuprangern, sagt auch Armenpriester Toto. Damit, aber auch mit seiner scharfen Kritik an der gleichgeschlechtlichen Ehe, eckte er immer wieder bei der damaligen links-progressiven Regierung an.
Als Papst Franziskus war seine Rolle dagegen die des Versöhners. Viele Argentinierinnen und Argentinier hatten darauf gehofft, dass er sein Land doch noch einmal besuchen würde. Franziskus habe seine Heimat immer im Herzen getragen, betont seine Biografin Francesca Ambrogetti:
Man sagt, er sei der Papst, der vom Ende der Welt kam. Aber das hier ist nicht das Ende der Welt. Er kam aus einer Metropole, aus einer Megalopolis des globalen Südens. Voller Konflikte, voller Gegensätze und Widersprüche, in der sich die unterschiedlichen Kulturen und sozialen Realitäten kreuzen. Diese Erfahrung hat ihn geprägt und zu dem gemacht, der er war. Er hat es viele Male gesagt. Ich bringe die Stimme aus der Peripherie, einen Blick von der anderen Seite, den die Kirche eindeutig brauchte.