Markus Söder und Friedrich Merz verlassen mit gesenktem Kopf eine Pressekonferenz.

Koalitionsverhandlungen Druck von der Basis, Druck durch die Zölle

Stand: 08.04.2025 12:38 Uhr

CDU, CSU und SPD ringen um einen Koalitionsvertrag - und der könnte schon bald stehen. Doch die Union hat zunehmend mit innerparteilicher Kritik zu kämpfen. Und dann ist da auch noch US-Präsident Trump.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der Union und der SPD stehen möglicherweise kurz vor dem Abschluss. Denn allen am Verhandlungstisch ist klar, es muss zügig gehen mit der Einigung. CDU, CSU und SPD führen die Gespräche unter immer stärkerem Druck - vor allem an die Spitze der Union richten sich vermehrt kritische Töne aus den eigenen Reihen. Denn innerhalb von CDU und CSU wachsen die Zweifel, ob der Kurs der beiden Schwesterparteien in einem künftigen Koalitionsvertrag noch stark genug herauszulesen sein wird.

Auch in der Jungen Union herrscht Unruhe. "Wir müssen abliefern", mahnte der Chef der Nachwuchsorganisation in Thüringen, Lennart Geibert, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Vertrag zwischen der Union und der SPD müsse zu zwei Dritteln die Handschrift der CDU tragen, forderte Geibert. Damit der Koalitionsvertrag auch das Ergebnis der Bundestagswahl widerspiegle.

Dafür müssten die zentralen Wahlversprechen, mit denen allen voran CDU-Chef Friedrich Merz im Wahlkampf geworben hatte, auch festgeschrieben werden. Geibert nannte etwa eine Wende in der Migrationspolitik oder einen schnellen Bürokratieabbau. Unterstützung bekommt er von mehreren Landesverbänden der Jungen Union. Ganz ähnliche Forderungen hatte bereits am Wochenende der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, aufgestellt und sogar mit einem Nein zum möglichen schwarz-roten Koalitionsvertrag gedroht. "Eine Regierung mit CDU-Kanzler, aber SPD-Inhalten wäre doch erst recht ein Konjunkturprogramm für die AfD", hatte Winkel in der Süddeutschen Zeitung gewarnt.

Am Abend wurde Merz eigentlich auf einem Empfang der Jungen Union als Redner erwartet. Doch diesen Termin sagte der Parteichef kurzfristig ab, wie eine Sprecherin mitteilte. Näheres zu den Gründen der Absage gab sie nicht bekannt. Es wäre der erste Auftritt von Merz bei einer öffentlichen Veranstaltung seit mehreren Tagen gewesen. 

AfD holt in Umfragen auf

Den sorgenvollen Blick auf die AfD schüren die jüngsten Umfragewerte. Seit der Bundestagswahl konnte die AfD nochmals aufholen und liegt nun fast gleichauf mit der Union, die wiederum auf den tiefsten Wert seit Oktober 2022 fällt. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend kommt sie nur noch auf 26 Prozent der Wählerstimmen während die AfD deutlich zulegt. Das bedeutet einen minimalen Vorsprung von nur zwei Prozentpunkten vor der AfD.

"Die Meinungsumfragen deuten nicht darauf hin, dass wir ein besonders starkes Vertrauen genießen", räumte auch Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, im ARD-Morgenmagazin ein. Die Situation sei nun mal schwierig - aufgrund wirtschaftlicher und weltpolitischer Spannungen und dadurch, dass Union und SPD über die laufenden Koalitionsverhandlungen selbstverständlich "kaum reden können". Umso mehr sei nun Tempo gefragt. "Ich glaube, Vertrauen kann man nicht durch's Wort sondern nur durch die Tat zurückgewinnen", so Frei. Darum brauche es schnell einen Koalitionsvertrag, der die Basis für die kommenden vier Jahre biete und den Menschen zeige, dass eine handlungsfähige Regierung gebildet werden konnte.

Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer CDU-CSU, zu den Koalitionsverhandlungen vor Abschluss

Morgenmagazin, 08.04.2025 08:00 Uhr

Forderung nach Mitgliedervotum der Union

Doch selbst wenn er dann steht, der Koalitionsvertrag, reicht das einigen in der Union nicht mehr aus. Sie drängen darauf, dass die breite Mitgliederbasis über den Vertrag abstimmen kann - so, wie die SPD von Anfang an ein Mitgliedervotum angekündigt hat. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle sieht darin eine "Verhandlungs- und Druckstrategie der SPD" gegen die Union. Und darum sei sie "unbedingt dafür, das auch zu machen", betonte Gräßle im Tagesspiegel. Obwohl es die Koalitionsbildung verkompliziere, würde die Befragung aus ihrer Sicht in einer schwierigen Phase "innerparteilich befrieden".

Doch bisher lehnen die Spitzen der Union eine Mitgliederbefragung ab. Die Satzungslage der CDU sei sehr klar, betonte Frei, "nämlich, dass ein kleiner Parteitag über das Ergebnis des Koalitionsvertrages entscheidet". Das werde die CDU auch so handhaben.

Auch der Vorsitzende des brandenburgischen Landesverbands der CDU, Jan Redmann, hatte für einen Mitgliederentscheid plädiert. Es sei notwendig, "zu dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit den Mitgliedern in den Austausch zu gehen", forderte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Der Unmut der Brandenburger CDU war schon am Wochenende deutlich geworden: In Form eines offenen Briefes des Kreisverbandes Potsdam-Mittelmark direkt an CDU-Chef Merz. Von "Verärgerung" und "Verunsicherung" an der Basis war in dem Schreiben die Rede. Allem voran wegen der Kehrtwende von Merz in Sachen Schuldenpolitik. Vom unantastbaren Erhalt der Schuldenbremse wechselte Merz mit der gemeinsamen Abstimmung mit SPD und Grünen zur möglichen Lockerung der Schuldenbremse, wenn es um die Verteidigung geht. Viele Parteimitglieder fühlten sich durch diesen Kurs nicht mehr repräsentiert "und denken ganz offen über einen Parteiaustritt nach", warnte der Kreisvorsitzende Christian Große in dem offenen Brief.

Wachsender Druck durch US-Zollpolitik

Doch nicht nur aus innenpolitischer Sicht wächst der Druck auf die potenziellen Koalitionspartner. Da wäre auch noch die Außenpolitik. Mit dem Krieg gegen die Ukraine und vor allem mit US-Präsident Donald Trump, dessen Zollpaket auch die deutsche Wirtschaft zu schwächen droht. "Wir sind nicht auf einer Insel der Glückseligen und die Welt wartet nicht auf uns", beschrieb Frei die Lage im ARD-Morgenmagazin. Und stellte auch gleich die Leitlinien für den Umgang mit der neuen US-Handelspolitik auf: "Wir müssen selber fit werden, wir müssen uns mehr um Freihandelsabkommen kümmern, wir müssen sehr viel schneller sein. Wir müssen den eigenen Protektionismus zurückbauen und wir müssen preislich wettbewerbsfähiger werden."

Merz selbst hatte angesichts der US-Zölle die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ins Zentrum der laufenden Koalitionsverhandlungen gestellt. Nötig seien Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, ein spürbarer Rückbau der lähmenden Bürokratie, die Senkung der Energiepreise und eine Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme, schrieb der CDU-Vorsitzende beim Kurznachrichtendienst X.

Es besteht also offenbar noch einiger Gesprächsbedarf am schwarz-roten Verhandlungstisch. Das sieht auch Frei. Verglichen mit einem 400-Meter-Lauf seien Union und SPD in den gemeinsamen Verhandlungen gerade aus der Schlusskurve herausgespurtet. Also bleibt immer noch eine Strecke zu meistern bis zum Ziel Koalitionsvertrag. "Aber wir sind gut unterwegs", zeigte sich der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion optimistisch.

Mit Informationen von Jan Zimmermann, ARD-Hauptstadtstudio

Jan Zimmermann, ARD Berlin, tagesschau, 08.04.2025 08:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD Morgenmagazin am 08. April 2025 um 08:16 Uhr.