Mecklenburg-Vorpommern Alternative Bestattungen: Lebensbaum, Seelenpyramiden und Diamanten
Bestatterin Christine Schombach aus Rostock Toitenwinkel berät fast täglich Hinterbliebene. Die 36-Jährige hat sich auf alternative Beerdigungsformen spezialisiert. Bereits 35 Prozent der Trauernden entscheiden sich bei ihr für einen anderen Umgang mit den Verstorbenen.
Regelmäßig trifft sich das Bestatterteam aus Adriana Urban und Tobias Levermann, genannt Tobi, am "Angebots-Tisch" im Büro von Christine Schombach. Dort stehen zur Ansicht die Ideen für alternative Bestattungen. Auch im Schaufenster des Bestattungshauses "Seelenfrieden" in Rostock Toitenwinkel sind einige Exponate ausgestellt.
"Sehr beliebt sind Fingerabdrücke auf Halsketten. Tobi macht nach der Waschung einen Abdruck auf einem Stück Papier. Ein bisschen wie bei der Polizei. Anschließend schicken wir das Ergebnis dann zu unserem Geschäftspartner, der das individuelle Fingermuster in einen Anhänger presst. Den kann sich die Hinterbliebene dann um den Hals hängen und hat ihren Mann immer bei sich", erklärt Christine Schombach. Die 36-Jährige ist seit sieben Jahren Bestatterin. Neue Ideen und Ansprechpartner für alternative Bestattungsideen findet sie auf Bestattermessen.
Die ausgebildete Physiotherapeutin hat unter anderem Seelenschmeichler und Seelenpyramiden im Angebot - als Einzelstücke. Haare von Angehörigen, Eheringe oder Lieblingsblumen werden bei der Herstellung in eine hochwertige Harzform eingepasst. Die Handschmeichler passen in jede Hosentasche, die rund 20 Zentimeter hohen Pyramiden können die Hinterbliebenen im Wohnzimmer aufstellen und durch Licht im Stehsockel beleuchten. Christine Schombach ist sehr von den ägyptischen Nachbauten überzeugt, die eine Künstlerin in Krakow am See per Hand herstellt. "Die gehen ab circa 300 Euro los und sind quasi wie Grabsteine, nur eben tragbar. Ich kann sie in den Urlaub mitnehmen oder sie vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer räumen. Eben eine andere Art von Trauerkultur."
Individuelle Aschediamanten
Eher preisintensiv sind die Asche-Erinnerungsdiamanten, die die Bestatterin in einem kleinen Schmuckkästchen aufbewahrt. Zwei Kunden pro Jahr entscheiden sich für dieses Erinnerungsstück. Ein künstlicher Diamant entsteht, wenn Asche und Haare unter extrem hohen Temperaturen bei 2.700 Grad und hohem Druck bei 60.000 bar gepresst werden. Im Verkauf gilt: Je größer desto teurer. "Ein Diamant in der kleinsten Ausführung liegt bei zirka 2.000 Euro," so die Expertin. Es ist ein einmaliges und nicht planbares Andenken. "Die Beschaffenheit der Asche entscheidet, wie der Diamant am Ende aussieht. Eher ein bisschen matt oder hell und durchsichtig – das lässt sich nicht vorhersagen." Für die Herstellung muss die Asche jedoch ins Ausland, denn in Deutschland ist das Diamantenpressen aus den Überresten eines Verstorbenen nicht erlaubt.
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"Ihre Frau kann auch als Ginkgobaum zurückkehren"
Genau dieses Problem hat die Bestatterin auch bei dem am häufigsten nachgefragten neuen Beerdigungstyp: Dem sogenannten Lebensbaum. In Holland werden 650 Gramm der Asche einer Verstorbenen dem Mutterboden beigemengt, den eine Pflanze zum Wachsen braucht. Nach einem halben Jahr im Gewächshaus kommt sie zurück, der Hinterbliebene kann sie dann in den eigenen Garten stellen.
So wie bei Peter Antoff. Christine Schombach hatte dem 83-Jährigen bei ihrem ersten Trauergespräch einen Ginkgobaum vorgeschlagen. Der Preis: Ähnlich wie eine Grabstelle mit Grabstein und Gravour. Der Witwer entschied sich spontan für die Pflanzenidee, allerdings nicht für den Ginkgo. "Meine Frau wird eine Magnolie - das hätte sie immer gewollt", so der ehemalige Marineangehörige. Nach 62 gemeinsamen Ehejahren hat er seine Karin nach deren Tod zurückgeholt - in den eigenen Garten. "Für mich ist es das Beste. Ich muss nicht mehr auf den Friedhof. Das war mir sowieso zu weit und zu beschwerlich. Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß, und meine Kinder sind weggezogen."
Dass die Asche seiner Karin in den Niederlanden weiterverarbeitet werden musste, kann er nicht nachvollziehen: "Das müsste für Menschen wie mich, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, auch hier in Mecklenburg-Vorpommern möglich sein und nicht 500 Kilometer weit weg in Holland."
Bestattungsrecht ist Länderrecht
Für die Umsetzung einer alternativen Bestattungsidee ist jedoch häufig der Weg ins Ausland notwendig. Erinnerungsdiamanten und Lebensbäume erfordern den Einsatz von Asche der Verstorbenen. Doch Urnen mit sterblichen Überresten dürfen in Deutschland nicht einfach so geöffnet werden. In der Schweiz, den Niederlanden und Tschechien ist das Öffnen und Weiterverarbeiten hingegen erlaubt. Ist eine Urne also erst einmal über die Grenze, gelten die Regeln desjenigen Landes in dem sie sich befindet. Deswegen der Transport ins Ausland.
Bestatter fordern Klarheit
"Wir würden das gern anders machen und hier bei uns in Deutschland die Asche in einem feierlich angemessenen Rahmen dem Mutterboden beimischen", meint Bestatterin Christine Schombach. Sie vermutet, dass die Kirchen mit einer traditionellen Trauerkultur in Verbindung mit konservativen Gesellschaftskreisen und der Politik keine Aufweichung der strengen Bestattungsordnung wünschen: "Kirche und Politik haben das alleinige Zugriffsrecht bei den sterblichen Überresten und daran wollen sie auch nicht rütteln. Fortschrittliche Kräfte wollen das heiße Eisen aber auch nicht anpacken. Deswegen bleibt vieles beim alten und dem Prinzip ‚was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘. Manches geht für einen Bestatter, bis es einen Aufschrei gibt und dann alles zurückgepfiffen wird". Sie fordert eine einheitliche moderne Ordnung, "damit jede Bestatterin weiß, woran sie ist!"
Das sagt die Kirche
Aber wer bremst die Entwicklung hin zu einem modernen Bestattungsrecht, das alternative Beerdigungsformen ermöglicht? "Wir machen jedenfalls keine gemeinsame Sache mit der Politik oder raten ihr, wie sie sich in solchen Fällen verhalten soll", versichert Maria Dietz, Stadtpastorin der Innenstadtgemeinde Rostock. "Das können wir auch gar nicht", meint die 35-Jährige. Sie versteht die Kritik der Trauernden und der Bestatter und ist nach eigener Aussage "für alternative Bestattungsideen durchaus zu haben".
Gleichzeitig hält sie ein klares Plädoyer für den Klassiker unter den Beerdigungsformen: Den Friedhof. Lebensbäume, Erinnerungsdiamanten oder Seelenpyramiden seien eben private manchmal fast intime Erinnerungsorte. "Aber wie oft sind Familien zerstritten? Ich komme gerade von einer Beerdigung bei der es so war. Wenn dann eine Seite den zentralen Erinnerungsort für sich beansprucht, in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Garten, was machen dann die anderen Parteien?" Für sie gehört ein Trauerort in die Öffentlichkeit, zugänglich für alle. Am liebsten hätte sie es, wenn Friedhöfe rauskämen aus der düsteren und finsteren Ecke des Erinnerns. "Friedhöfe sind Parks und Grüne Lungen, sie sind Orte der Kulturgeschichte und des Lebens. Wir brauchen Lesungen mit Texten von Autoren die dort begraben liegen und mehr Führungen zu den Grabstellen von bekannten Persönlichkeiten." Daneben könnten alternative Trauersymbole angeboten werden "für eine private und innige Erinnerungskultur", so Pastorin Maria Dietz.
Das Angebot für alternative Bestattungen wächst
Bestatterin Christine Schombach geht das nicht weit genug. Sie hat sich inzwischen ein Netzwerk aufgebaut. Privat geführte Krematorien mit Online-Beisetzungen und Pop Up Cafés gehören dazu und Anbieter, die QR-Codes auf Grabsteinen anbringen. "Damit kommen Familienangehörige und Interessierte dann zum Beispiel auf ein Fotogedenkbuch des Verstorbenen." Die Bestatterin ist sich sicher: Neue Ideen der Bestattungsszene lassen sich nicht stoppen.
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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 24.11.2024 | 19:30 Uhr