Zwei Bauarbeiter stehen unterhalb der Ringbahnbrücke der Stadtautobahn A100. am 07.04.2025. (Quelle: picture alliance/dpa/Lilli Förter)

Berlin Abriss der A100-Brücke: "Man kann die Brücke abknabbern - mit einer Betonzange oder Baggern"

Stand: 08.04.2025 15:46 Uhr

Der Abriss der maroden A100-Brücke in Berlin seht bevor. Christoph Halter ist Experte für solche Fälle. Im Interview erklärt er, wie das Bauwerk voraussichtlich demontiert wird, wo die Gefahren lauern und warum nicht einfach gesprengt werden dürfte.

Der Rückbau der maroden Ringbahnbrücke der A100 am Berliner Funkturm wird derzeit vorbereitet. Über eine Kamera der Autobahn GmbH kann live verfolgt werden, was dort passiert [youtube.com]. Noch stehen die Bagger still, aber ein Teil der S-Bahn -Gleise wurden inzwischen mit einem Schutz überdeckt.
 
Was da gerade und in den nächsten Wochen genau passiert, erklärt Christoph Halter. Er ist in Berlin einer der Experten für Abrisse und hat mit seine Unternehmen schon viele Bauwerke abgebaut, unter anderem die Spandauer Dammbrücke, die mit der Ringbahnbrücke vergleichbar ist.

rbb: Herr Halter, so ein Brückenabriss ist aufwändig. Was genau sind die Gefahren und hier bei der Ringbahnbrücke spezielle Schwierigkeiten?
 
Christoph Halter: Eine besonders große Herausforderung technisch ist das eigentlich nicht. Aber in Brücken sind teils asbesthaltige Abstandshalter, generell in Stahlbeton-Bauten, verbaut. Ich weiß nicht, wie es bei dieser Brücke ist, aber so etwas kann zu Problemen führen bei der Entsorgung von Baumaterial.
 
Man kann ja zusehen über eine Webcam. Es wird gerade ein Kiesbett unter der Brücke aufgeschüttet, ein sogenanntes Fallbett. Wozu dient das genau?
 
Also in dem Fall ist es garantiert kein Kies, sondern Recyclingmaterial. Es soll den Zweck erfüllen, dass das Gleis darunter nicht beschädigt wird. Das haben wir bei der Spandauer-Damm-Brücke auch gemacht auf der Autobahn. Das ist mal sehr aufwändig, weil es viel Zeit in Anspruch nimmt. Und wenn dann jetzt die Betonbrocken runterfallen, sollen die das Gleis nicht beschädigen können.

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Die Brücke soll nach und nach Stück für Stück abgetragen werden. Wie funktioniert das genau?
 
Spannbetonbrücken haben einen Hohlkasten, der praktisch das ganze Gerüst trägt. Und an den Brücken links und rechts sind Kragarme drin [an einer Stelle befestigte waagerechte Balken, Anm.d.Red.], die mit normaler Bewehrung [in den Beton eingearbeiteter Stahl, durch den die Zugspannung aufrecht erhalten wird, Anm.d.Red] ausgestattet sind. Und auch wenn sie dann die Spannglieder durchknipsen - das haben wir auch erlebt an der Spannbetonbrücke am Spandauer Damm -, dann fällt die Brücke nicht in einem Stück runter.
 
Man kann das schon sukzessive abknabbern, mit einer Betonzange, mit großen Baggern - das ist gar kein Problem bei der Reichweite. Man muss halt ein bisschen symmetrisch vorgehen, dass nicht eine Seite überlastet wird. Dann kriegt man das schon hin - das ist kein großes Problem.
 
Also man fängt da in der Mitte an, zwischen den Pfeilern - oder wo geht es los?
 
Das ist egal. Man muss nur sehen, dass man von beiden Seiten parallel abricht, dass kein Übergewicht entsteht.

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Bis spätestens zum 25. April soll die Brücke dann weg sein und die S-Bahn wieder fahren können. Ist das realistisch aus Ihrer Sicht?
 
Ja, völlig. Das ist gar kein Problem. Da müsste man sicherlich auch mal in der Nachtschicht einlegen - das ist hier in Berlin eher ein großes Problem, dass man da eine Genehmigung bekommt.
 
Aber warum wird die Brücke nicht einfach gesprengt? Ist das auch zu gefährlich?
 
Das macht in dem Fall nicht unbedingt einen Sinn. Die Höhe von den Baugeräten hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer weiterentwickelt. Ich habe gerade im rbb einen Beitrag über die Stadt-Autobahn gesehen, da wurden ein paar Sprengungen gezeigt: Damals gab es keine Geräte, die so hoch gereicht haben.
 
Sicherlich ist das Sprengen immer ein toller Moment. Bei dieser Brücke: Wenn Sie jetzt die Pfeiler sprengen würden, dann würde es einen großen Knall geben - dann liegt die Brücke unten. Dann kann man auch viel besser den Staub binden, wenn die Brücke unten liegt. Es lässt sich auch viel schneller abreißen, weil durch die Sprengung - also durch die Energie, die dann eingebracht wird in das Bauwerk - da wird schon so viel zerstört wird, dass die Nachbearbeitung wesentlich geringer ist.

Aber warum wird es nicht gemacht? Ist es zu teuer?
 
Nein, zu teuer nicht. Aber wenn wir heute sagen, "Wir wollen sprengen", haben sie alle Angst. Das ist das Problem. Wir haben noch alte Filme von meinem Vater - der hat am Kaiserdamm gesprengt: Da fiel das halbe Gebäude auf die Straße. Dann wurde halt mal zwei Stunden gesperrt - das hat keinen Menschen interessiert. Aber sperren sie heute mal zwei Stunden den Kaiserdamm.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führten Julia Menger und Kerstin Hermes für Radioeins.

Sendung: Radioeins, 08.04.2025, 07:10 Uhr