Nach "Reichsbürger"-Razzia Was beim Waffenrecht gilt
Die Razzia gegen "Reichsbürger" hat die Debatte über das deutsche Waffengesetz neu entfacht. Bundesinnenministerin Faeser will schärfere Regeln. Was gilt derzeit - und warum stößt die Ministerin auch auf Kritik?
Die Ausgangslage
In der vergangenen Woche gab es eine Razzia gegen 25 Verdächtige aus dem "Reichsbürger"-Milieu, die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben sollen. Sie wurden festgenommen und sitzen nun in Untersuchungshaft. Nach Erkenntnissen der Ermittler haben sie unter anderem einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag geplant. Zu den Verdächtigen gehören mehrere ehemalige Bundeswehrsoldaten und legale Waffenbesitzer.
Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden. Diese seien nur teilweise bei mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe gefunden worden, die eine waffenrechtliche Erlaubnis haben. Darunter waren offenbar auch Dienstwaffen.
"Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Sonntag. Sie kündigte an, das Waffenrecht in Kürze zu verschärfen. Im "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" des Bundesinnenministeriums vom 15. März stand bereits, dass Rechtsextremisten konsequent entwaffnet werden sollen. "Rund 1500 nachrichtendienstlich als mutmaßliche Rechtsextremisten gespeicherte Personen verfügen über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis. Das wollen wir ändern", heißt es in dem Aktionsplan.
Wie soll das Waffenrecht verschärft werden?
Das Bundesinnenministerium plant dem Aktionsplan zufolge, Verfahrensweisen zu entwickeln, mit denen der Entzug und die Versagung von waffenrechtlichen Erlaubnissen besser durchgesetzt werden. Dazu soll es auch ein neues Forum geben, in dem sich Verfassungsschutz-, Waffen- und Polizeibehörden austauschen und auch Verwaltungsgerichte einbezogen werden können.
Dem Plan nach soll verhindert werden, dass Extremisten und auch psychische kranke Menschen in den Besitz von Waffen kommen. Dazu sollen den Waffenbehörden auch relevante Kenntnisse anderer Behörden zur Verfügung stehen, wenn die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung eines Antragstellers oder eines Erlaubnisinhabers überprüft wird.
Welche Verschärfungen des Waffenrechts gab es bisher?
Im April 2003 ist das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts in Kraft getreten. Damit wurde das Waffenrecht in Deutschland grundlegend überarbeitet. Waffen- und beschussrechtliche Vorschriften wurden in zwei getrennte Gesetze aufgeteilt - neben dem Waffengesetz gibt es also auch noch das Beschussgesetz, das dazu dienen soll, Waffen und Munition verwendungssicher zu machen. Darin wird geregelt, wie die Sicherheit von Feuerwaffen, Böllern, Schussapparaten und Munition sowie sonstigen Waffen wie Beispiel Druckluftwaffen, Reizstoffsprühgeräte, Elektroimpulsgeräte geprüft und zugelassen werden.
Das Waffengesetz wird fortlaufend überarbeitet. Die letzten Änderungen traten am 1. September 2020 in Kraft. Das deutsche Gesetz wurde damit an die 2017 verabschiedete EU-Feuerwaffenrichtlinie angepasst, die als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris im Jahr 2015 verändert wurde. Geändert wurde mit dem neuen Gesetz unter anderem, dass alle fünf Jahre überprüft wird, ob das Bedürfnis an der Waffe fortbesteht. Beim Überprüfen der Zuverlässigkeit wird seitdem auch eine Auskunft der Verfassungsschutzbehörden eingeholt. Außerdem gibt es strengere Nachweispflichten für Sportschützen und die Möglichkeit für die Bundesländer, Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten.
Wie verläuft die politische Debatte?
Seitdem ein "Reichsbürger" 2016 einen Polizeibeamten getötet hat, bemühen sich die Behörden verstärkt, Angehörige der Szene zu entwaffnen. Bis Ende 2021 wurde 1050 "Reichsbürgern" die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen. Rund 500 Menschen, die dem Milieu zugeordnet werden, besitzen aber immer noch eine solche Erlaubnis. "Trotz der Reformen der letzten Jahre kommen Verfassungsfeinde zu leicht an legale Waffen", findet der Obmann der Grünen im Innenausschuss, Marcel Emmerich. Er fordert ein "Prinzip der Regelversagung". Das heißt: Alle Personen, die dem Verfassungsschutz als Extremisten bekannt sind, dürfen per se keine waffenrechtliche Erlaubnis erhalten.
Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer hatte versucht, eine Meldepflicht einzuführen, die verhindert, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Waffen besitzen. Vor zwei Jahren bekam er aus dem Parlament dafür aber nicht genügend Unterstützung. Auslöser für die Debatte war damals der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau. Der rechtsextremistische Attentäter litt unter Wahnvorstellungen, besaß als Sportschütze aber dennoch eine waffenrechtliche Erlaubnis.
Auch in der aktuellen Debatte um schärfere Gesetze kann die Innenministerin nicht mit uneingeschränkter Unterstützung rechnen. Skepsis kam unter anderem vom Koalitionspartner: "Einer Verschärfung des Waffenrechts, um Reichsbürger zu entwaffnen, bedarf es nicht", sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Der Staat dürfe sich beim Kampf gegen Verfassungsfeinde nicht verzetteln und sich gegen rechtstreue Sportschützen und Jäger wenden, die zur "Mitte der Gesellschaft" zählten. Vielmehr fehle es in den Waffenbehörden an Personal. Die Verantwortlichen müssten zudem geschult werden, um "Reichsbürger" auch als solche zu erkennen.
Auch in der Union blieb man zurückhaltend. Man müsse beim Waffenrecht "schauen, dass wir nicht eine Verschärfung als Placebo machen, sondern tatsächlich nur dann, wenn es objektiv mehr Sicherheit bietet", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU).
Die SPD unterstützte hingegen die Pläne der Innenministerin: Es gehe darum, das Disziplinarrecht zu verschärfen und beim Waffenrecht zu schauen, dass "Reichsbürger" regelmäßig überprüft werden, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil.
Wer darf aktuell eine Waffe besitzen?
Wer in Deutschland privat eine Schusswaffe besitzen will, braucht in der Regel eine Waffenerlaubnis. Dafür muss man mindestens 18 Jahre alt sein. Für die Erlaubnis werden die waffenrechtliche Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung überprüft. Das bedeutet, dass man unter anderem nicht rechtskräftig verurteilt worden, Mitglied in einem verfassungswidrigen Verein oder einer verbotenen Partei oder geschäftsunfähig sein darf.
Man muss zudem nachweisen, dass man die notwendige Sachkunde im Umgang mit Waffen besitzt - und dass man ein persönliches Bedürfnis an der Waffe hat. Das gilt zum Beispiel für Jäger und Sportschützen, aber auch für Brauchtumsschützen, Waffen- oder Munitionssammler und gefährdete Personen.
Die Erlaubnis zum Besitz einer Waffe wird meistens unbefristet erteilt. Die Waffenbehörde überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung noch vorhanden sind. Das soll spätestens nach drei Jahren passieren. Das Bedürfnis an der Waffe soll alle fünf Jahre überprüft werden.
Die Regelungen des Waffengesetzes gelten nicht für oberste Bundes- und Landesbehörden, Bundeswehr, Polizei und Zollverwaltung, erheblich gefährdete Hoheitsträger und Bedienstete anderer Staaten. Für sie gelten andere Gesetze wie etwa Artikel 87a des Grundgesetzes.
Was gilt beim Kauf von Waffen?
Um eine Schusswaffe legal zu kaufen, braucht man eine Erlaubnis zum Erwerb. Erteilt wird diese über eine Waffenbesitzkarte (WBK), auf der alle Waffen verzeichnet werden. Je nach Art der WBK kann auch ein Voreintrag zum Kauf einer Waffe nötig sein.
Im zentralen Waffenregister werden alle Waffen und ihre Besitzer eingetragen. Es gibt Listen mit erlaubten und verbotenen Waffen.
Druckluftwaffen wie etwa Luftgewehre mit einer Geschossenergie bis 7,5 Joule sind erlaubnisfrei. Sie können uneingeschränkt an Erwachsene verkauft werden. Druckluftwaffen mit einer Geschossenergie bis 0,5 Joule können auch an Personen unter 18 Jahren abgegeben werden - wenn sie echten Waffen zum Verwechseln ähnlich sehen, gelten allerdings Regelungen für Anscheinswaffen, die zum Beispiel nicht in der Öffentlichkeit geführt werden dürfen.
Was gilt beim Benutzen von Waffen?
Wer eine Waffe nicht nur besitzen, sondern auch außerhalb der eigenen Wohnung oder Grundstücks führen will, benötigt einen Waffenschein. Er wird nur selten an Privatpersonen ausgestellt. Die Erlaubnis gilt für bestimmte Schusswaffen für höchstens drei Jahre, die Geltungsdauer kann zweimal verlängert werden.
Wenn es nur ein vorübergehendes Bedürfnis gibt, kann die Erlaubnis auch für einen kürzeren Zeitraum ausgestellt werden, sie kann außerdem auf einen bestimmten Anlass oder ein Gebiet beschränkt werden. Jäger brauchen einen Jagdschein. Für das Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen gibt es den Kleinen Waffenschein.