Marine Le Pen

Urteil gegen Le Pen Nicht mehr wählbar - geht das auch in Deutschland?

Stand: 08.04.2025 21:18 Uhr

Das Urteil gegen Marine Le Pen hat einige überrascht: Fünf Jahre darf sie nicht zu Wahlen antreten. Es sei denn, ein Berufungsgericht entscheidet doch noch anders. Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Marine Le Pen ist in Paris wegen der Veruntreuung von Geldern des Europäischen Parlaments verurteilt worden - zu einer vierjährigen Haftstrafe. Davon kann sie zwei Jahre durch das Tragen einer Fußfessel abgelten, zwei Jahre sind zur Bewährung ausgesetzt.

Doch weder diese Haftstrafe, noch die daneben festgesetzte Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro sorgten für Aufsehen. Für Diskussionen und teilweise für Demonstrationen sorgte der fünfjährige Entzug des passiven Wahlrechts, also dem Recht, sich wählen zu lassen.

Unwählbarkeit vom Gesetzgeber vorgeschrieben

2016 hatte der französische Gesetzgeber beschlossen, dass die Unwählbarkeit bei Verurteilungen wegen bestimmter Korruptionsdelikte automatisch eintritt. So auch bei der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Das Gericht war also verpflichtet, das passive Wahlrecht zu entziehen beziehungsweise hätte nur in besonderen Ausnahmefällen davon abweichen dürfen.

Überraschend mag hingegen gewesen sein, dass das Gericht entschieden hat, dass die "Nebenfolge" sofort gilt. Also nicht erst dann, wenn das Urteil vom Berufungsgericht überprüft ist. Diese Entscheidung begründete das Pariser Gericht mit der Wiederholungsgefahr, auch weil Le Pen sich im Verfahren nicht einsichtig gezeigt hatte. Das Gesetz in Frankreich sieht diese Möglichkeit vor.

In Deutschland gibt es ähnliche Regeln

Auch das deutsche Strafrecht kennt als sogenannte Nebenfolge den Verlust des Rechts, an Wahlen teilzunehmen. "Wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen", so besagt es das Strafgesetzbuch (StGB).

"Verbrechen" sind alle Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe im Gesetz bedroht sind. Sind die Voraussetzungen erfüllt, tritt die Folge der Unwählbarkeit für fünf Jahre also quasi automatisch ein. Das Gericht muss darüber nicht gesondert entscheiden.

Bis zur Rechtskraft weiterhin wählbar

Die Untreue ist in Deutschland zum Beispiel kein Verbrechen, weil das Strafgesetzbuch für sie keine Mindeststrafe vorsieht. Und auch bei einer Verurteilung wegen Volksverhetzung kommt es nicht zum Entzug des passiven Wahlrechts, also dem Recht, sich wählen zu lassen. Denn auch die Volksverhetzung ist ein sogenanntes Vergehen und kein Verbrechen. Selbst eine tatsächliche Verurteilung zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe ändert daran nichts.

Klassische Verbrechen sind Raub, schwere Körperverletzung, Totschlag, Vergewaltigung, Meineid, Geldfälschung und noch einige mehr.

In Deutschland tritt die Unwählbarkeit aber immer erst mit der rechtskräftigen Verurteilung ein. Das heißt: Solange noch Rechtsmittel möglich sind, darf die Person - anders als jetzt Marine Le Pen - noch bei Wahlen antreten. Ist das Urteil rechtskräftig, darf die oder der Verurteilte in dieser Zeit übrigens auch kein Mitglied einer Partei sein. Das regelt das Parteiengesetz.

Ausnahmen auch bei bestimmten "Vergehen"

Neben diesem automatischen Entzug des passiven Wahlrechts sieht das Strafgesetzbuch auch bei einigen "Vergehen" und einer Verurteilung von mindestens sechs Monaten die Möglichkeit vor, dass das Gericht das passive Wahlrecht durch die Verurteilung entzieht - für die Dauer von zwei bis fünf Jahren.

Hierbei handelt es sich um bestimmte politische Straftaten wie Hochverrat oder Landesverrat, Wahlfälschung, Wähler- oder Abgeordnetenbestechung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und einige weitere. In diesen Fällen tritt die Nebenfolge nicht automatisch ein, sondern das Gericht muss gesondert darüber entscheiden.

Entzug des aktiven Wahlrechts möglich

In bestimmten vom Gesetz vorgesehenen Fällen kann das Gericht auch das aktive Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre entziehen - also die Erlaubnis, zu wählen. Anders als das passive Wahlrecht wird das aktive Wahlrecht nicht automatisch bei Verurteilungen wegen eines Verbrechens zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe entzogen. Selbst wer wegen eines Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wird, darf weiter wählen.

Entscheidend für den Entzug des aktiven Wahlrechts ist also der politische Bezug. Wobei auch nicht jede Verurteilung wegen einer politischen Straftat zu dieser Nebenfolge führt. 

Verlust des Bundestagsmandats?

Wem durch Urteil das passive Wahlrecht entzogen ist, der verliert grundsätzlich auch automatisch Stellung und Rechte, die er durch eine frühere Wahl erlangt hat. Eine Ausnahme gilt für das Bundestagsmandat. Nach einer entsprechenden Verurteilung muss zusätzlich noch der Ältestenrat über den Verlust der Mitgliedschaft im Parlament entscheiden. Das regelt das Bundeswahlgesetz.

Auch in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD spielt die Aberkennung des passiven Wahlrechts eine Rolle. Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe "Innen, Recht, Migration und Integration" findet sich der Satz: "Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung." Gut möglich also, dass das Strafgesetzbuch in diesem Punkt demnächst noch verschärft werden könnte.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 06. April 2025 um 22:45 Uhr.