Lauterbachs Krankenhausreform Showdown im Bundesrat
Im Bundesrat geht es heute um das zentrale Projekt von Bundesgesundheitsminister Lauterbach: die Krankenhausreform. Die Bundesländer könnten sie nun scheitern lassen.
Mehr als hundert Babys sind seit Juli am Goitzsche Klinikum in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt zur Welt gekommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Geburtsstation war vier Jahre lang geschlossen.
Dass sie im Sommer wieder eröffnet wurde, hat viel Überzeugungsarbeit gekostet. Denn vor allem in kleineren Kliniken rentieren sich Geburten finanziell nicht. Die Kosten sind hoch, sagt Oberärztin Constanze Liebold: 24-Stunden-Facharztrufbereitschaft oder Klinikdienst mit Anästhesisten, OP-Pflegekräften und Hebammen.
Die Ärztin erhofft sich von der Krankenhausreform Verbesserungen. Dass sie künftig Geburtshilfe anbieten können, "ohne gewinnorientiert arbeiten zu müssen".
Ihr Kollege Anwar Hanna hat ein anderes Spezialgebiet: Kardiologie. Er kümmert sich am Goitzsche Klinikum um Patientinnen und Patienten, die mit Herzinfarkt oder Schlaganfall eingeliefert werden. Manchmal fährt er auch selbst als Notarzt durch den Landkreis.
Der Arzt sorgt sich vor allem um eine gute Versorgung: "Wir sind hier keine Großstadt, wir sind mehr oder weniger auf dem Land. Und wir wollen die Patienten so schnell wie möglich versorgen." Er will nicht, dass es in Zukunft in ländlichen Regionen weniger Kliniken gibt.
Keine Kompromisse bei der Qualität
In Berlin geht es heute also auch um die Zukunft der Bitterfelder Klinik. Im Bundesrat kommt es zum Showdown um das zentrale Projekt des Bundesgesundheitsministers. Für Karl Lauterbach ist die Krankenhausreform nichts weniger als "eine Art Revolution".
Doch Lauterbachs Revolutionsversuch droht zu scheitern, weil einige Länder ihm die Gefolgschaft verweigern. Sie fordern seit Monaten Änderungen am Gesetz. Vergeblich. Der Bundesgesundheitsminister betont immer wieder, er wolle die Reform nicht weiter verwässern: "Die Qualitätsziele müssen uneingeschränkt erreicht werden, sonst hat die Reform keinen Wert." Lauterbach bleibt hart.
Deutschland gibt so viel Geld für das Gesundheitssystem aus wie kaum ein anderes Land auf der Welt. Die Ausgaben für Behandlungen im Krankenhaus steigen von Jahr zu Jahr. "Wir sind aber bei Weitem nicht die Besten", betont Lauterbach immer wieder.
Der Hebel liegt in der Finanzierung
Durch mehr Spezialisierung der Krankenhäuser soll sich die Qualität verbessern. Der Gesundheitsminister stützt sich auf Studien, die zeigen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einigen Erkrankungen deutlich steigt, wenn Patienten in spezialisierten Krankenhäusern behandelt werden. Denn je spezialisierter eine Klinik ist, je häufiger sie beispielsweise bestimmte Operationen durchführt, desto mehr Routine gibt es und umso höher wird die Qualität.
Vereinfacht gesagt, soll also in Zukunft nicht mehr jede Behandlung in jeder Klinik möglich sein. Der Hebel liegt dabei in der Finanzierung: Es soll strengere Vorgaben geben, etwa für eine bestimmte Anzahl an Fachärzten. Wenn eine Klinik diese nicht erfüllt, soll sie kein Geld mehr für bestimmte Eingriffe bekommen.
Klar ist, dass einige Krankenhäuser in den nächsten Jahren schließen werden. Ob mit oder ohne Reform wird es in Zukunft weniger Krankenhäuser geben. Es fehlt Geld und Personal, um auch in Zukunft die rund 1.700 Krankenhäuser zu betreiben.
Höhere Zuschläge für Geburtshilfe und Notaufnahmen
Die Kliniken, die bestehen bleiben, sollen künftig weniger ökonomischen Druck haben. Statt pro Behandlung bezahlt zu werden, sollen die Kliniken in Zukunft auch sogenannte Vorhaltepauschalen bekommen. Das bedeutet, dass Krankenhäuser den Großteil des Geldes dafür bekommen, dass sie qualifiziertes Personal bereithalten oder bestimmte medizinische Geräte vorhanden sind. Für bestimmte Bereiche, etwa Geburtshilfe oder Notaufnahmen, soll es höhere Zuschläge geben.
Die Länder finden es grundsätzlich gut, dass Lauterbach die Finanzierung der Kliniken ändern will. Gestritten wird aber über viele komplizierte Details. Grundsätzlich wollen sich die Länder nicht zu sehr reinreden lassen vom Bund. Die Schwierigkeit liegt darin, dass beide zuständig sind für Krankenhäuser: der Bund für die Finanzierung der Behandlungen, die Länder für die Krankenhausplanung.
Die Länder bestimmen also, wo es welche Kliniken gibt. Sie kritisieren, dass sie die Folgen der Reform noch gar nicht abschätzen können - und befürchten, dass die Versorgung durch die Reform schlechter wird. Etwa, weil kleine Kliniken, die vor allem auf dem Land für die Versorgung dringend gebraucht werden, pleitegehen könnten, wenn sie zum Beispiel bestimmte Qualitätsvorgaben nicht einhalten können.
Muss das Gesetz zurück in den Bundestag?
Einige Länder, allen voran Bayern und Nordrhein-Westfalen, haben sich zuletzt dafür ausgesprochen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Sollten die Ländern das Gesetz im Bundesrat aufhalten, den Vermittlungsausschuss anrufen, müsste der Bundestag die Krankenhausreform erneut verabschieden.
Nach dem Ampel-Aus wären SPD und Grüne auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Als die FDP noch Teil der Regierung war, waren sich die Ampel-Parteien bei der Krankenhausreform ziemlich einig. Ob die FDP aber wirklich im Bundestag nochmal mit SPD und Grünen für die Reform stimmen würde, ist offen.
FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann sagt: "Wir schließen grundsätzlich nichts aus, aber mir fehlt die Fantasie, hier die Ampel wieder aufleben zu lassen. Das wären die falschen politischen Signale."
Union will gegen die Reform stimmen
Die Union hat bereits angekündigt, bei einer erneuten Abstimmung im Bundestag gegen die Reform zu stimmen. Die Union im Bundestag lasse keinen Zweifel daran, dass sie die Reform unter keinen Umständen erneut beschließen will, sagt Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen. "Insofern bedeutet die Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss zu schieben, die Krankenhausreform scheitern zu lassen." Aus seiner Sicht wäre das für die Patientinnen und Patienten dramatisch.
Am Goitzsche Klinikum in Bitterfeld-Wolfen blicken sie mit gemischten Gefühlen auf die geplante Reform. Der Kardiologe Anwar Hanna ist skeptisch, ob die Versorgung für die Patientinnen und Patienten auf dem Land besser wird. "Es gibt sehr viel Unruhe", sagt der Arzt. "Nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch beim Personal."