Haushaltsentwurf der Ampel "Hart an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit"
"Auf Kante genäht" urteilt die Linke über den Haushaltsentwurf der Ampel. Von unseriöser Haushaltsplanung spricht die CDU. Und auch aus der Wirtschaft kommt Kritik - vor allem am geplanten Paket für mehr Wachstum.
Die Spitzen der Ampelkoalition dürften heilfroh sein, dass der Haushaltsentwurf für 2025 nun geeint im Kabinett ist. Wenig Freude löst das Ergebnis hingegen bei der politischen Opposition und Hilfsorganisationen aus - und bei Ministerien, die sich zu kurz gekommen fühlen. Und das sind wegen des Spardrucks nicht wenige. Besonders laut war die Kritik zuletzt am geplanten Etat für die Verteidigung.
Esken verweist auf Sondervermögen
SPD-Chefin Saskia Esken verwies in diesem Zusammenhang auf das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr. Daher sei die "Handlungsfähigkeit für das Verteidigungsministerium ist gegeben", sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Mehr Geld für den Etat von Minister Boris Pistorius hält sie daher nicht für nötig.
Linken-Chefin: "Auf Kante genäht"
Kritik grundsätzlicher Art am Haushalt kommt von der Linkspartei. Es sei "alles auf Kante genäht in diesem Land", sagte Linken-Chefin Janine Wissler im ARD-Morgenmagazin: "Das Problem ist, dass der Haushalt den Herausforderungen für die Zukunft überhaupt nicht gerecht wird." Wissler forderte, die Schuldenbremse auszusetzen und die "wirklich großen Vermögen" stärker zu besteuern.
Es müsse dringend mehr Geld in Wohnen, die Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäuser, Schulen und den Kampf gegen den Klimawandel gesteckt werden. Die Schuldenbremse sei eine "Investitionsbremse" und es sei richtig, sie aufzuheben, auszusetzen "und eigentlich sogar abzuschaffen, wie es ja auch führende Wirtschaftswissenschaftler mittlerweile fordern".
Wirtschaftsinstitute und -verbände sprechen sich angesichts des Investitionsbedarfs in Deutschland überwiegend für eine Reform der Schuldenbremse aus.
CDU spricht von unseriöser Haushaltsplanung
Der Chefhaushälter der Union, Helge Braun, warf der Ampelregierung eine unseriöse Haushaltsplanung vor. Der Entwurf sei "hart an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit", sagte CDU-Politiker im rbb. Braun bezog sich dabei vor allem auf die Ampel-Pläne, milliardenschwere Zuschüsse an die Bahn und die Autobahngesellschaft eventuell durch Darlehen zu ersetzen, damit das Geld nicht auf die Schuldenbremse angerechnet wird. Er habe "ein ganz schlechtes Bauchgefühl bei dem, was der Finanzminister (Christian Lindner) da macht", sagte Braun.
Grundsätzlich beanstandete Braun, die Ausgaben seien sehr niedrig und die Einnahmen sehr hoch gerechnet worden. "Wenn wir dann mal im Jahr 2025 sind und (...) die Realität uns einholt, ist die Gefahr, dass die Lücke am Ende noch größer ist." Braun bezog sich hier auf die 17-Milliarden-Lücke. Er hält es etwa für möglich, dass Förderprogramme urplötzlich gestoppt werden könnten.
Entsetzt äußerte sich Braun zudem über massive Einsparungen ausgerechnet in den Bereichen Außenpolitik und Entwicklungshilfe. "Das ist eine interessante Prioritätensetzung, auf die wäre ich in so schwierigen geopolitischen Zeiten nicht gekommen", sagte er dem rbb.
Auch im Deutschlandfunk äußerte sich Braun. Dort sagte er, diese Art der Haushaltsaufstellung werde man im zuständigen Ausschuss noch sehr kritisch diskutieren. Braun ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Das Gremium befasst sich ab Ende September mit dem Zahlenwerk.
SPD-Chefin räumt Unsicherheiten ein
"Dieser Haushaltsentwurf ist natürlich noch mit Unsicherheiten behaftet", räumte SPD-Chefin Esken ein. Jeder Plan sei eine unsichere Sache. Angesprochen auf die Schuldenbremse sagte Esken: "Der Bundeskanzler hätte es auch für richtig gehalten, die Notlage zu erklären, aber wir befinden uns in einer Koalition." Mit der Feststellung einer haushaltspolitischen Notlage hätte die Schuldenbremse umgangen werden können. Die FDP um Finanzminister Christian Lindner lehnte das jedoch strikt ab.
Kritik aus der Wirtschaft
Zusammen mit dem Etatentwurf will die Ministerrunde aus SPD, Grünen und FDP auch ein Paket für Wachstum beschließen. Mit den Maßnahmen soll das Wirtschaftswachstum kurzfristig um rund 0,5 Prozentpunkte gesteigert werden. Unternehmen sollen durch bessere Abschreibungsbedingungen Anreize für Investitionen bekommen, Arbeitnehmer finanzielle Anreize für Überstunden und Arbeit im Rentenalter. Außerdem will die Regierung das Arbeiten in Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver machen, etwa durch Steuerrabatte. Eine "wirksame Maßnahme", meint der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, in der Augsburger Allgemeinen. Die Kritik daran sei unberechtigt und es gebe funktionierende gute Beispiele, etwa in den Niederlanden.
Fuest warf der Regierung jedoch grundsätzliche Fehler in der Wirtschaftspolitik vor. Sie sei zu wenig auf Wachstum ausgerichtet. "Die Politik tut derzeit zu wenig, in den drei Kernbereichen Erwerbsarbeit, Investitionen, Innovation", fuhr er fort. Überall dort "fallen wir zurück, und das ist nicht gut". Statt über Steuerbefreiung für Überstunden müsse die Politik über Anreize zur Mehrarbeit von Teilzeitkräften und Bürgergeldempfängern nachdenken, sagte der Ifo-Chef der Zeitung.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) blickt eher skeptisch auf das geplante Wachstumspaket der Ampel. DIHK-Präsident Peter Adrian sprach zwar von einem positiven Signal. "Die Bundesregierung erkennt damit an, dass Handlungsbedarf besteht. Mit den geplanten Maßnahmen sehe ich aber kaum die Chance, dass das Ruder in Richtung nachhaltiges Wachstum herumgerissen wird", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Konkret monierte er die Steuerbelastung der Unternehmen, die im internationalen Vergleich "ganz oben" liege. Ähnliches gelte für die Stromkosten.