Migrationsdebatte im Bundestag Der Knall zum Schluss
Verzögerungen, Hektik, scharfe Reden: Nach einem chaotischen Tag im Bundestag scheitert der Gesetzentwurf der Union für eine härtere Migrationspolitik. Noch sind die Auswirkungen der Abstimmung ungewiss.
Für 10.30 Uhr an diesem Freitag stand ein Gesetzentwurf von CDU und CSU auf der Tagesordnung des Bundestags. Debatte und Abstimmung waren geplant. Es sollte dabei um eine Begrenzung der Migration, eine Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte und mehr Kompetenzen für die Bundespolizei gehen.
Doch dann Sitzungsunterbrechung. Beantragt von der Union. Zunächst für 30 Minuten, dann Verlängerung. Nochmal Verlängerung. Irgendwann Unterbrechung auf unbestimmte Zeit.
Eine Plenarwoche mit viel Aufruhr
Seit Mittwoch herrscht Aufruhr. Die AfD konnte das erste Mal im Bundestag einem Antrag zur Mehrheit verhelfen. Es war ein Entschließungsantrag der Unionsfraktion zu ihrem Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik. Sie fordern damit die Bundesregierung unter anderem auf, Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückzuweisen.
Zugestimmt hatten neben Union und AfD auch die FDP und fraktionslose ehemalige AfD-Abgeordnete. Damit hatte der Antrag eine Mehrheit.
Als das Abstimmungsergebnis am Mittwochabend im Plenum verkündet worden war, frohlockte die AfD. SPD und Grüne zeigten sich schockiert. Sprachen von einem Tabubruch. Und die Frage stand im Raum: Was passiert heute, am Freitag? Dann nämlich könnte mit den Stimmen der AfD nicht nur eine unverbindliche Aufforderung an die Bundesregierung beschlossen werden, sondern ein Gesetz.
FDP mit Manöver kurz vor knapp
Und das bereitet dann doch so einigen Unbehagen. Kurz vor knapp versucht es die FDP am Freitagmorgen mit einem Manöver. Sie schlägt vor, dass der Gesetzentwurf noch einmal in den Innenausschuss verwiesen wird - damit Union, FDP, SPD und Grüne dort dann doch noch nach einem inhaltlichen Kompromiss suchen können.
Hektisch beraten die Fraktionen. Die Fraktionsvorsitzenden loten gut drei Stunden lang aus, ob und wie sie zueinander finden könnten. Doch sie scheitern aneinander.
Es geht nicht mehr um die Sache
Um die Sache - eine schärfere Migrationspolitik - geht es dabei kaum noch. Es geht ums Grundsätzliche. Die SPD-Fraktion besteht darauf, dass sich Unionsfraktionschef Friedrich Merz für Mittwoch entschuldigt. Der will aber nicht. Von seiner Partei habe niemand der AfD die Hand gereicht.
Der Gesetzentwurf wird schließlich zur Abstimmung gestellt - und abgelehnt. Eine Mehrheit kommt auch deshalb nicht zustande, weil zu viele Abgeordnete von Union und FDP nicht abgestimmt haben.
Überbietungskampf der drastischen Worte
In der Debatte davor fallen drastische Worte. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich wirft seinem Kollegen Merz vor, das "Tor zur Hölle" geöffnet zu haben. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spricht von der "Schande von Mittwoch".
Baerbock und der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, bezichtigen sich gegenseitig der Lüge. Immer wieder übertönt Gebrüll die Stimmen der Redner. Schuld sind für alle die jeweils anderen.
AfD sieht sich als Siegerin
FDP-Vize Wolfgang Kubicki wirft den Grünen vor, jede vernünftige Initiative zur Migrationspolitik zu hintertreiben und zu verschleppen. Das sei unmoralisch. Er erntet dafür viel Applaus - nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch von der Union.
Und die AfD, die sieht sich - wie schon am Mittwoch - als Siegerin. "Sie wollten vorangehen in diesem Land, aber dann fingen Sie wieder an zu zaudern und zu tänzeln, wieder mit rot-grün zu verhandeln", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, während der Debatte in Richtung der Union. Eine Änderung der Migrationspolitik gebe es nur mit der AfD.
Wie weiter nach der Wahl?
Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, wie sich die Diskussion um den richtigen Umgang mit der AfD auf die Umfragewerte der Parteien und schließlich auf das Wahlergebnis auswirken wird.
Und ob zu viel zerbrochen ist zwischen Union und FDP auf der einen Seite und SPD und Grünen auf der anderen, um darüber für Koalitionsverhandlungen, die es nach der Wahl ja wird geben müssen, hinwegzukommen.