Abschiebungen nach Afghanistan Migrationsbeauftragter deutet Taliban-Gespräche an
In der Debatte um konsequentere Abschiebungen zeigt sich der Migrationsbeauftragte der Regierung, Stamp, offen für Gespräche mit den Taliban in Afghanistan. Deutschland habe ein "ernsthaftes Rückführungsinteresse."
In der Diskussion über konsequentere Abschiebungen bringt der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, direkte Gespräche mit den militant-islamistischen Taliban ins Spiel gebracht. "Unverbindliche Sondierungsgespräche könnten eine Option sein" sagte der FDP-Politiker der Welt am Sonntag (WamS). Stamp forderte, die Möglichkeit eines direkten Austauschs mit den Taliban in Afghanistan "sorgsam abzuwägen". Er verstehe die ablehnende Haltung einiger Außenpolitiker. "Deutschland hat aber ein ernsthaftes Rückführungsinteresse."
Stamp ist seit Anfang 2023 im Amt und soll "Migrationsabkommen" mit weiteren Staaten schließen, die sich verpflichten, abgelehnte Asylbewerber aufzunehmen. Im Gegenzug könnte Deutschland mehr Visa anbieten und die legale Einwanderung erleichtern.
Das islamistisch motivierte Attentat von Solingen hat in Deutschland eine Debatte über konsequenteren Abschiebungen ausgelöst. Dabei geht es um Rückführungen innerhalb der EU, aber auch um Abschiebungen von Straftätern oder Gefährdern nach Syrien und Afghanistan. Deutschland unterhält zu den Taliban keine diplomatischen Beziehungen, weil das Regime nicht anerkannt wird.
Abschiebeflug nach Afghanistan Ende August
Ende August waren erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor rund drei Jahren afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben worden. Bei den 28 Afghanen handelte es sich nach Angaben der Bundesregierung um verurteilte Straftäter. Laut dem Nachrichtensender Al-Dschasira vermittelte für die Abschiebung das Golfemirat Katar zwischen der deutschen Regierung und den Taliban-Machthabern.
In Afghanistan sind die Abgeschobenen nach Worten eines hochrangigen Talibanfunktionärs wieder auf freiem Fuß. Zunächst seien die Personen überprüft worden, sagte Suhail Schahin, Leiter des Taliban-Politbüros in der katarischen Hauptstadt Doha. Sie wurden freigelassen, nachdem ihre Familien schriftlich versichert hatten, dass sie keine Straftaten begehen würden", sagte der Vertreter gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Gespräche mit Syriens Machthaber Assad?
Auch CDU-Chef Friedrich Merz äußerte sich in der WamS: "Ich rate dazu, dass Deutschland direkte Verhandlungen mit den Machthabern in Afghanistan und Syrien über die Rücknahme ihrer Staatsbürger aufnimmt." Die Bundesregierung habe "die technischen Kontakte, die notwendigen Kenntnisse und das Personal", um unmittelbare Kontakte aufzubauen.
Nach den Worten des FDP-Bundestagsabgeordneten Christoph Hoffmann braucht die Bundesregierung die außenpolitischen Drähte nach Kabul. Da Deutschland auch Entwicklungszusammenarbeit mit afghanischen Stellen leiste, sei die Etablierung von diplomatischen Kontakten ein logischer Schritt. Hoffmann sprach sich zudem für Gespräche mit dem Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad aus.
Zurückhaltender äußerte sich der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid: "Wir werden nicht umhin kommen mit dem Taliban-Regime und dem Regime in Damaskus technische Gespräche über einzelne Punkte zu führen, etwa Abschiebungen", sagte er der WamS.
"Teile Syrien sind sicher"
Dem "Tagesspiegel" sagte Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, er halte Abschiebungen von verurteilten Straftätern nach Syrien unter bestimmten Voraussetzungen für möglich. "Teile von Syrien wie die Gegend rund um die Hauptstadt Damaskus sind für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sicher", sagte Lechte.
Dies gelte allerdings nicht für die Region von Idlib im Nordwesten des Landes, die von Gegnern al-Assads kontrolliert wird. Bei der Prüfung möglicher Rückführungen müsse sichergestellt werden, dass die straffälligen Personen "nicht in Gebiete abgeschoben werden, in denen sie einer direkten Gefahr ausgesetzt sind", sagte er.