Stimmung in Solingen Zwischen Wut, Trauer und Angst
Tage nach dem Anschlag ist die Trauer in Solingen spürbar. Darin mischt sich Wut darüber, wie es zu der Tat kommen konnte. Während die einen nach Bewältigungsstrategien suchen, fordern die anderen Konsequenzen.
Philipp Müller schaut zu, wie die letzten Bühnenteile des Solinger Stadtfests im LKW verstaut werden. "Nächstes Jahr sehen wir uns wieder", ruft der Mitorganisator den Arbeitern zu. Neun Monate hat er an der Veranstaltung gearbeitet. Nach nur wenigen Stunden fand sie ein schreckliches Ende.
"Da zerbricht viel in mir", erzählt Müller. "Dazu kommt, dass ich die Bevölkerung gesehen habe, die komplett leer ist. Auch nach ein paar Tagen ist das noch nicht viel besser."
Drei rote Kerzen stehen vor der zugeklappten Bühne am Fronhof in Solingen. Sie zeigen die Stellen, an denen die Menschen starben. In der Stadt herrsche Trauer, aber auch Wut, sagt Müller. Es sei nun an der Zeit für Konsequenzen. "Die Menschen erzählen, dass die Politik etwas machen muss", so Müller. "Wir wollen Ergebnisse sehen. Gerade in dieser Stadt, die so gebeutelt ist."
Erinnerungen an 1993
Solingen - damit verbinden viele den rechtsextremen Brandanschlag von 1993. Fünf türkischstämmige Menschen wurden damals ermordet. Nun steht die Stadt wieder mit einer grausamen Gewalttat in den Schlagzeilen.
"Da fragt man sich selbstverständlich auch: Warum schon wieder in Solingen? Das war ja damals schon ein furchtbares Erlebnis", erzählt Peter Graetsch. Anderen fehlen schlicht und ergreifend die Worte. Fassungslos sind die meisten über das, was sich am Freitagabend ereignete.
Und so suchen einige nach Gesprächsangeboten. Angebote, die die evangelische Kirche in Solingen liefert. Etwa 50 Notfallseelsorger sind hier aktiv. Seit dem Anschlag ist mindestens die Hälfte davon fast durchgehend im Einsatz.
Eine von ihnen ist Simone Henn-Pausch. "Es sind unzählige Gespräche, die wir geführt haben", sagt sie. "Und da gab es schon viele Tränen, auch viel Erschöpfung und auch manchmal Resignation."
Notfallseelsorger im Einsatz
Mindestens bis zum Ende der Woche wollen die Notfallseelsorger noch in der Stadt präsent bleiben. Den Menschen die Gelegenheit geben, ihre Ängste und Sorgen zu teilen. Und dennoch: Henn-Pausch ist sich sicher, dass Solingen auch diese schweren Tage hinter sich lassen wird. "Es braucht Zeit. Wenn der Schock jetzt abklingt und die ersten, ich sag' jetzt mal, Alltagswochen überstanden sind, wird auch wieder Normalität einkehren."
Eine Normalität, die für viele Geflüchtete weit entfernt scheint. Khaled Al Khalaf ist Syrer, so wie der Täter. Der 20-Jährige kam vor acht Jahren nach Deutschland und ist in einem Verein aktiv, der den kulturellen Austausch fördern soll. In seine Trauer mischt sich Angst.
"Wir leben momentan in großer Sorge", sagt Al Khalaf. "Wir haben ja gesehen, die letzten Demonstrationen, wie Leute versucht haben, das zu instrumentalisieren für ihre Zwecke, und natürlich haben wir Angst, dass es sich jetzt hochspielt."
Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben
Dabei empfinde er den gleichen Schrecken über die Tat, das gleiche Unverständnis, den gleichen Schmerz. "Wir können nur sagen, wir fühlen mit den Menschen in Solingen. Wir sind Solinger", so Al Khalaf. "Wir sind betroffen, wir beten für die Menschen. Wir sind wütend, wir sind traurig und wir hoffen, dass wir dieses Zusammenleben wieder haben."
Der Täter spreche keinesfalls für die vielen Syrer, die in Deutschland leben. Schon gar nicht für ihre Gemeinschaft in Solingen. Gerade hier habe man in den vergangenen Jahren wunderbar zusammengelebt.
Und genau das ist auch der Wunsch von Khaled Al Khalaf: Dass die Menschen hier wieder zusammenwachsen, dass sie gemeinsam friedlich leben. Und dass Solingen wieder zur Ruhe kommt.